Eine Kirche ist immer schon ein Ort, in dem Geschichten erzählt werden. Fröhliche, Hoffnungsvolle, traurige, grausliche. In St. Maria an der Tübinger Straße erzählen sie am Wochenende auch Geschichten, keine biblischen, aber gezeichnete, und aus dem Leben.

Diese Stadt mag das Gezeichnete. Jedes Jahr aufs Neue ist das zu erleben beim Trickfilmfestival, zur Comic Con in der Messe kommen Zehntausende. Spiderman, Batman, Iron Man und ihre wundersamen Kollegen stammen von hier, Micky Maus, Asterix und Obelix sowie Lucky Luke begannen ihren Siegeszug durch Deutschland auf den Fildern, und klar, Dagobert Duck hat unverkennbar schwäbische Wurzeln.

 

Ausstellungen in der Kirche und in Cafés

Und doch gehört viel Enthusiasmus und Liebhaberei dazu, manche sagen auch eine gehörige Portion Starrsinn, sich in Stuttgart den Comics zu widmen. Die Illustratorin Sarah Chand tut dies, nicht nur durchs Zeichnen; dieses Jahr organisiert sie zum fünften Male das Festival Comicjuju. Von diesen Donnerstag bis Sonntag gibt es in der Kirche St. Maria an der Tübinger Straße und im Kultur Kiosk im Züblin Parkhaus Lesungen und Workshops. Im Rathaus sind Bilder zu sehen, ebenso in Cafés und Läden. In St. Maria ist „Sketchmap: Neuvermessung eines Landes in Comics und Illustrationen“ zu sehen. Siebzehn Künstler und Künstlerinnen haben dem Land zum 70. Geburtstag ihre Ideen und Zeichnungen geschenkt. Vor einem Jahr war die Ausstellung nur einen Tag im Literaturhaus zu sehen. Danach tourte sie durchs Land. Jetzt ist sie wieder da. Mit Zeichnungen von etwa Naomi Fearn oder Olivier Kugler. Auf dem Marienplatz und vor der Galerie Kernweine sind Comics zu sehen, das nennt sich Comicwalk.

Im Jahr fünf

Nun hört sich fünf Jahre nach noch keinem sonderlich langem Weg an, doch hat man eine Pandemie überstanden, bringt immer wieder einen Etat zusammen – es gibt immerhin 12 000 Euro vom Kulturamt –, und den Kampf für ein Festival mit anspruchsvoller Comic-Literatur wider das Klischee vom Kinderkram. In Frankreich zur „neunten Kunst“ erhoben, in Belgien Teil der zerbrechlichen nationalen Identität, in den USA Part der Popkultur, galten Comics in Deutschland als billige Blättchen, die sich gerade mal Kinder zu Gemüte führen durften. Und nur dann, wenn sie die Hausaufgaben gemacht hatten. Für einen deutschen Bildungsbürger ist alles jenseits von Schiller und Goethe keine Kunst, man muss den Staub von Büchern pusten können, damit sie als Literatur gelten. Die Franzosen sehen das anders. Dort sind Albert Uderzo und René Goscinny, die Schöpfer von Asterix, so anerkannt wie Albert Camus. Ein Zeichner wie Jean Giraud, Schöpfer von „Blueberry“, wird verehrt wie Victor Hugo. So ist es kein Wunder, dass der wichtigste Preis der Comic-Szene in Frankreich verliehen wird. Beim Festival von Angoulême. Eine Auszeichnung, vergleichbar dem Oscar der Filmbranche.

Gäste aus Frankreich

Dort haben sich die Organisatoren umgetan, um Gäste zu gewinnen. „Frankreich ist dieses Jahr unser Partnerland“, sagt Sarah Chand. Salomé Lahoche und Alex Chauvel haben sie mitgebracht. Jennifer Daniel hat es näher, sie kommt aus Düsseldorf und hat mit „Das Gutachten“ einen Achtungserfolg gelandet. Davon leben kann man kaum, so zeichnen die meisten Kollegen wie auch Sarah Chand selbst für die Industrie und für die Werbung.

Wohin mit dem Super JuJu

Kommerziell ist es schwierig, Comics für Erwachsene zu gestalten und zu verkaufen. Julia Rein und Frank Preissinger sind im Super JuJu an der Eberhardstraße 3 die letzte Bastion in Stuttgart. Sie haben neben Schönem, Kunst- und Blödsinnigem auch Comics im Angebot. Ein ausgesuchtes Angebot. Sie gaben den Anstoß fürs erste Festival. Deshalb ist das Juju im Namen. Doch bröckelt im Schwabenzentrum der Beton, dort wird umgebaut. Deshalb müssen sie Ende 2024 raus. Wie’s weitergeht, ist offen. Sie suchen, haben aber noch nichts gefunden. Ein Plätzchen fürs Gezeichnete findet sich selbst in einer Kirche. Dann sollte das doch auch woanders möglich sein.