Crowdfunding revolutioniert die Entwicklung der Computerspiele: Die Programmierer machen sich unabhängig von Firmen und die Spieler können von Anfang an mitreden. Für das Spiel „Star Citizen“ sind so mehr als neun Millionen Dollar zusammengekommen.

Stuttgart - Mehr als neun Millionen Dollar – mit so viel Geld hatte man nicht gerechnet. Zwei Millionen Dollar wollte Chris Roberts ursprünglich einsammeln, um sein Projekt „Star Citizen“ zu finanzieren, ein neues Weltraumspiel für den Computer. Im Oktober 2012 hatte er von seinem Firmensitz im amerikanischen Austin, Texas, eine Sammelkampagne gestartet und wurde vom Erfolg überwältigt. Inzwischen ist klar: der Spielentwickler darf das Spiel machen, das er „selbst schon immer einmal spielen wollte“, wie er sagt. Es geht dabei um unendliche Weiten im Weltraum, feindlich gesinnte Aliens, Handel, Forschung und Piraterie – kurz: eine Weltraumsaga, in der die Spieler viele Freiheiten genießen.

 

Die Methode, im Internet Geld von vielen privaten Spendern einzusammeln, heißt Crowdfunding – und ist ein Prinzip, das in der Computerspielindustrie einer Revolution gleichkommt. Auf der Entwicklerkonferenz Quo Vadis, die vor wenigen Tagen in Berlin stattfand, wurde das Thema diskutiert. Bisher war man bei der  Finanzierung von Computerspielen schließlich auf große Firmen wie Electronic Arts angewiesen. Ohne großes Studio im Rücken lassen sich Projekte wie „Grand Theft Auto“ oder „Assassin’s Creed“ nicht verwirklichen. Mit Millionenaufwand wird zum Beispiel weltweites Marketing betrieben.

Crowdfunding hingegen verzichtet darauf. Das Geld wird direkt bei den Spielern eingesammelt – in Größenordnungen von mehrheitlich 20 bis 300 US-Dollar pro Person. Roberts konnte fast 180 000 Menschen weltweit überzeugen und so die neun Millionen Dollar einsammeln.

Die Spieler bekommen Einfluss auf die Entwicklung des Spiels

Hintergrund für die Entwicklung ist, dass sich die Spielentwickler wieder mehr Freiheit wünschen und nicht in ein Korsett eingezwängt sein wollen, das ihnen der allgemeine Mainstream vorgibt. Mehr noch: die Idee ist, dass die Spieler genau das erhalten, wofür sie im Voraus spenden. Anders als in der traditionellen Produktionsweise sind die Spender durch ihre Spende Mitinitiatoren und können von Anfang an Einfluss darauf nehmen, was das Spiel eines Tages bieten soll. So versprach Chris Roberts zu Beginn seiner Sammelkampagne, dass er auf seine Spender hören würde – und er hat sich bis heute daran gehalten. Jede Woche gibt es Updates zum Inhalt des Spiels, werden Orte im Weltraum und Raumschiffe im Detail beschrieben, die der Spieler eines Tages entdecken darf.

Das Prinzip, nach dem Crowdfunding funktioniert, ist recht einfach: Es wird eine Frist gesetzt, bis zu der eine gewisse Summe eingesammelt sein muss, und erst wenn das Ziel erreicht ist, wird das Geld vom Konto abgebucht. Findet ein Projekt also nicht genügend Unterstützer, droht also kein Verlust. „Die Tatsache, dass man bereits in einer so frühen Entwicklungsphase eine große Gemeinschaft hat, die einem sagt, was sie sich wünscht, hilft enorm bei der Fokussierung. Man verwendet mehr Zeit für die Entwicklung von Spielmerkmalen, die die Spieler interessieren“, berichtet Roberts. Insofern sei Crowdfunding mehr als nur eine neue Methode, um Geld einzusammeln: Crowdfunding bringe Spieler und Entwickler näher zusammen.

Nicht nur beim geplanten Computerspiel „Star Citizen“ ist man von diesem Ansatz überzeugt. „Uns wurde schnell klar, dass Crowdfunding eine Alternative ist, um unsere eigenen Ideen finanziert zu bekommen“, sagt Chris Avellone, Creative Director von Obsidian Entertainment. „Beim konventionellen Publisher-Modell wäre unser Spiel mehr oder weniger illusorisch gewesen, denn wir wollen ein Rollenspiel entwickeln, das sich klar an eine ausgewählte Spielergruppe wendet. Und wir wollten die Rechte an unseren eigenen Ideen behalten.“ Bisher hat die Firma bei ihren künftigen Spielern vier Millionen Dollar direkt eingenommen.

Ebenfalls erfolgreich über Crowdfunding finanziert wurde „Elite: Dangerous“, ein Weltraumspiel, das von der Programmierlegende David Braben neu aufgelegt wird. Das ursprüngliche „Elite“ war erstmals 1984 erschienen und hatte eine ganze Generation von Spielentwicklern inspiriert. Mit seiner mehr als tausend Planeten umfassenden Spielwelt sowie dem Verzicht auf ein klar definiertes Spielende galt „Elite“ als früher Vertreter eines sogenannten Open-World-Spiels, in dem man hingehen kann, wohin man möchte – ein Prinzip, das heute viele Spiele anbieten. Die neue Version soll nun 2014 erscheinen; auch hier wurden mittlerweile rund 1,75 Millionen Pfund (2,1 Millionen Euro) durch direktes Sammeln bei den künftigen Spielern eingenommen. Auf traditionellem Weg hätte Braben mit seiner Idee, das alte Spiel neu aufzulegen, kaum Erfolg gehabt, denn der jüngeren Spielergeneration ist das Urgestein der Spielerentwickler kaum noch ein Begriff. Bei älteren Spielern, die mit „Elite“ aufgewachsen sind, hat der Name David Braben jedoch direkt einen Nerv getroffen, so dass sich die Geldbörsen öffneten.