PC-Spiele könnten die neue Leitkunstform werden. Das war Tenor des Computerspiel-festivals in der Stadtbücherei in Stuttgart.

Leben: Ricarda Stiller (rst)
Stuttgart - Märchenhaft, das ist der erste Gedanke, der einem in den Sinn kommt, wenn man sieht, wie grazil das junge Mädchen Daina in ihren Sandalen durch die aquarellierte Computerspiel-Pflanzenwelt spaziert. Und pflückt sie eine Glockenpflanze, die es nur in Daina's Welt gibt, beginnt es zu regnen. Tatsächlich haben sich Raffaele de Lauretis (Malerei) und Dario Hardmeier (Programmierung) "Daina's Herbarium" auch vor Beginn ihrer außergewöhnlichen Arbeit zum Ziel gesetzt, märchenhafte, nicht ganz so böse Kreaturen zu erschaffen.

Junge Mädchen als Zielgruppe


Und die Ästhetik des Computerspiels sollte eine ganz andere sein, als man es bisher gewohnt ist. Als künftige Zielgruppe stellen sie sich Kinder ab etwa neun Jahren vor. Schon jetzt - das Spiel befindet sich noch in einem relativ frühen Stadium der Entwicklung - dürfte klar sein, dass es insbesondere jugendliche Mädchen ansprechen wird.

In der Ausstellung, die das derzeit stattfindende Festival "Spiel Computer Spiel" der Stadtbücherei Stuttgart begleitet und die noch bis Ende August zu sehen sein wird, stellen Absolventen des Gamedesign-Studiengangs der Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK) sowie die Künstlergruppe "AND-OR" ihre Arbeiten aus. Das von Johannes Auer kuratierte Festival hat neben der Ausstellung bis Freitag an drei Abenden spannende Vorträge und Diskussionen zum Thema geboten.

Besonders gelungen war die Mischung der Referenten. Differenziert und klug haben sich Medienwissenschaftler und Künstler mit dem Thema Computerspiele auseinandergesetzt. Endlich einmal war nicht nur die Rede von Killerspielen und deren negativen Auswirkungen auf gewaltbereite Jugendliche.

Eintauchen in eine andere Welt


Das heißt aber nicht, dass auf dem Podium jene saßen, die davon schwärmen, dass das Spielen von Computerspielen die Team-, Reaktions- und Multitaskingfähigkeit fördern würden. Im Gegenteil: Matthias Bopp, Gymnasiallehrer und Experte für die Wirkung von Computerspielen, sagt, dies sei alles Unsinn. Was man beim Computerspielen wirklich lerne, sei, besser Computer zu spielen. Mehr nicht. Das sei aber kein Grund, Sinn und Zweck von Computerspielen generell zu hinterfragen.

So wie man in ein gutes Buch oder einen guten Spielfilm eintauchen könne, sei dies auch bei guten Computerspielen der Fall. Das Eintauchen in eine andere Welt ist ein Bedürfnis, das eben nicht nur Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen, mit mäßiger Bildung und Migrationshintergrund haben. Matthias Bopp sagt, dass Computerspiele intensive und schöne Erfahrungen hervorbringen könnten. Er begreift sie durchaus als ein künstlerisches Medium, wagt sogar zu behaupten, dass sie das künstlerische Leitmedium des 21. Jahrhunderts werden könnten und stellt sogleich die provokative Frage: "Warum ist Beethoven gut?" Da würde man ja nun auch nicht unbedingt sehr viel dabei lernen.