Mit immer neuen Corona-Verordnungen hält die Landesregierung die Einzelhändler im Weihnachtsgeschäft auf Trab. Einige Händler rechnen mit Kundenverlust, andere bleiben positiv.

Altkreis Leonberg - Gerade erst war die 2-G-plus-Regel eingeführt worden, da ruderte die Landesregierung schon wieder zurück: Am vergangenen Freitag war zunächst eine Ausnahme für Menschen mit Booster-Impfung verkündet worden. Am Sonntag zog man dann schließlich mit der Ausnahmeregel für Geimpfte und Genesene, deren Impfung beziehungsweise Erkrankung weniger als sechs Monate zurückliegt, nach. Ein Hin- und Her, bei dem nicht nur Kundinnen und Kunden schwer mithalten können – auch Gastronomen, Kultureinrichtungen und Einzelhändler müssen sich auf die kurzfristigen, undurchsichtigen Änderungen einstellen.

 

„Unausgegorene Verordnungen“

Und das sei, so bestätigt Joachim Heller, der Chef der Leonberger Werbegemeinschaft „Faszination Altstadt“ und Inhaber des Geschäfts Wohn- und Tischkultur Ziegler, sehr schwierig. „Die Kunden wissen gerade noch weniger als wir“, sagt er am frühen Montagnachmittag, kurz nach dem Chaos rund um die Coronaregelung am Wochenende. Er spricht von „unausgegorenen Verordnungen“ und Kunden, die abgeschreckt werden.

Die Kontrolle der entsprechenden Nachweise stellt für Joachim Heller einen großen Mehraufwand dar. Ein Mitarbeiter müsse ständig am Eingang stehen und fehle deshalb im Verkauf. „Und jetzt stellen Sie sich vor, wie das für kleinere Geschäfte mit weniger Personal ist.“ Mit den vielen Verordnungen, so sieht es Joachim Heller, wird Verantwortung an die Einzelhändler abgeschoben. Nicht nur angesichts des Weihnachtsgeschäfts macht er sich nun Sorgen. Insgesamt habe er an Kundenfrequenz eingebüßt, ein Teil der Laufkundschaft fehlt: „Das wird einigen so gehen.“

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Von einem Einbruch von 50 Prozent im Vergleich zu normalen Weihnachtsgeschäften spricht auch Wolfgang Schmidt. „Die meisten unserer Kunden sind doppelt geimpft, das klappt ganz gut“, sagt der Seniorchef des Herren-Ausstatters Wibbel im Leonberger Stadtteil Eltingen. „Doch die Verunsicherung der Kunden ist groß. Viele wissen nicht mehr, was sie überhaupt noch dürfen. Da bleiben auch jene weg, die eigentlich kommen dürften.“

In inhabergeführten Läden fehlen die Ressourcen

Die Situation sei natürlich für Viele schwierig und stelle für viele Händler eine große Herausforderung dar, bestätigt auch Alicia Paulus, die Wirtschaftsförderin der Stadt Renningen. „Wir haben hier viele inhabergeführte Geschäfte“, sagt sie. „Da sind Personal und finanzielle Mittel, um jemanden zum Kontrollieren an die Tür zu stellen, oft knapp.“ Dass die Regeln kurzfristig kommuniziert werden, verunsichere die Menschen. „Wir gehen davon aus, dass das die Weihnachtssaison trüben wird“, sagt Alicia Paulus.

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Nicht überall wird Trübsal geblasen: „Ich bin ein positiver Mensch“, sagt Annegret Skubski, die Inhaberin des Spielwarenhandels Kauffmann in Renningen. Natürlich seien die Einlasskontrollen ein Mehraufwand, auch die Kunden würden häufiger wegen Fragen rund um den Einlass anrufen. Aber: „Die Leute kommen, und es macht jeder mit.“ Einen großen Knick im Kundenstrom konnte sie nicht feststellen. Ein bisschen Kopfzerbrechen bereitet ihr die Situation dann aber doch – besonders, weil man nicht wisse, welche Regeln noch folgen: „Es ist schwierig, zu planen.“

Nachjustieren ist sinnvoll

Auch Walter Kämpf betrachtet die Situation kritisch, gleichwohl mit Ruhe. „Die 2-G-Regel halten wir für sinnvoll und akzeptabel.“ Die Kontrollen kämen sehr gut an, die Kunden seien sicher, dass die Regeln beachtet würden. „Der Einlass ist sehr schnell erledigt“, sagt der Seniorchef von Mode Kämpf. Neben dem Stammsitz in Ditzingen betreiben er und sein Sohn eine Filiale in Münchingen. Mit Abstand, Maske und den Kontrollen werde das Mögliche für die Sicherheit der Kunden getan. Das wüssten diese auch zu würdigen. „Ein entspanntes Einkaufen ist möglich“, sagt Walter Kämpf.

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Dass das Land die Regeln bei Bedarf nachjustiert, sei richtig – und allemal besser, als stur an Regeln festzuhalten, die sich als nicht praktikabel erwiesen. So viel Verständnis er für die Politik in diesem Fall aufbringt, so sehr fordert er diese dazu auf, sich besser an der Basis zu orientieren, Vereine und Verbände in die Entscheidungen einzubeziehen.

Mehr Vertrauen und weniger Kurzfristigkeit

Den Einzelhändlern mehr zu vertrauen, das fordert auch Viola Noack, die Vorsitzende des Korntaler Gewerbe- und Handelsvereins. Die Situation sei für den Einzelhandel „grundsätzlich eine Katastrophe“. Den Geschäften oder Gastronomiebetrieben helfe es nicht, wenn sie offenbleiben könnten, aber die Frequenz nicht dieselbe sei. Sie selbst ist nicht betroffen, mit ihrem Optikerfachgeschäft gilt sie als systemrelevant. Seit mehr als anderthalb Jahren Jahren beschäftige sich die Politik mit dem Thema, aber noch immer würde viel zu kurzfristig entschieden und nicht richtig kommuniziert, ärgert sich Viola Noack.

Die Kurzfristigkeit sei für die Händler „herausfordernd“, sagt auch Guido Braun. Er ist einer der drei stellvertretenden Vorsitzenden des Ditzinger Wirtschaftsvereins, der Aktiven Wirtschaft. Die sich immer wieder verändernden Regeln führten zu Unsicherheiten sowohl bei Händlern als auch bei Kunden. „Das ist nicht förderlich“, sagt Guido Braun mit Blick auf den Einzelhandel. Einerseits sei es den Menschen inzwischen möglich, in und mit der Krise zu leben. Doch man verärgere sie unnötig durch die kurze Reaktionszeit, die bleibt, um auf die neuen Beschlüsse zu reagieren.