20.000 Fans an zwei Abenden in der Schleyerhalle, über 150.000 Besucher auf der Mello-Tour insgesamt, dazu einer der wichtigsten Publikumspreise des Jahres: Annäherung an den ungebrochenen Hype um Cro.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Die Begeisterung für den Stuttgarter Rapper Cro ist ungebrochen. Der 24-Jährige schaffte das, was Elton John und Bryan Adams nicht mehr hinbekommen: Er füllte am Wochenende die Schleyerhalle an zwei Abenden hintereinander. Insgesamt spielte er nun vier Mal innerhalb von drei Jahren vor fast immer ausverkauftem Haus in Stuttgarts größter Halle. Wie sieht das Erfolgsgeheimnis des Panda-Rappers aus? Annäherung an einen Hype aus verschiedenen Perspektiven.

 

Die Fan-Perspektive

Alte Pop-Weisheit: „Ohne deine Fans, da wärste gar nichts“. Passt im Fall Cro wie die Ghetto-Faust aufs Auge. „Cro ist deshalb so cool, weil er keine Schimpfwörter in seinen Texten benutzt . Im Gegensatz zu vielen anderen Rappern“, sagt Sofia Horn. Ihre Cro-Einschätzung sagt sie nicht einfach so daher, sie nimmt sie selbstverständlich mit ihrem Smartphone auf. Sofia will nämlich einmal Youtuberin werden. Oder wenigstens Radiomoderatorin.

Die 13-Jährige ist extra aus Pforzheim zum Cro-Konzert am Freitag angereist, zusammen mit ihrem achtjährigen Bruder Carl und ihrer besten Freundin Zeynep Deniroglu (13). Begleitet wird die Fan-Fraktion aus der Goldstadt von Mutter Christina Horn. Die 33-Jährige findet Cro selbst gut. „Er macht einfach eingängige Musik, die perfekt in das Programm unseres Lieblings-Radiosenders passt“, sagt Christina Horn. Wie hoch Cro in der Gunst des Publikums steht, verdeutlichen die folgenden Zahlen: In den vergangenen drei Wochen hat Cro, bürgerlich Carlo Waibel, mit seinem DJ Markus Brückner alias Psaiko Dino und seinen beiden Musikern Flo König am Schlagzeug und Tim Schwerdter an Gitarre und Keyboards 16 Konzerte vor mehr als 150 000 Fans gegeben. Am vergangenen Donnerstag heimste Cro dazu den wichtigen Publikumspreis, die 1Live-Krone für das beste Album des Jahres (Melodie) und die beste Single des Jahres (Traum) ein. Von den Verkaufszahlen des aktuellen Albums ganz zu schweigen: Melodie erreichte innerhalb kürzester Zeit den Gold-Status für 100 000 verkaufte Einheiten. In Zeiten von illegalen Downloads eine stolze Zahl.

Die Experten-Perspektive

Falk Schacht ist einer der renommiertesten Hip-Hop-Journalisten in Deutschland. Auf seiner Facebookseite liefert er alle relevanten Neuigkeiten rund um das Thema Hip-Hop. Schacht ist faziniert von Cros Erfolg. „Cro ist live mittlerweile wirklich gut. Er hat aber auch einfach einen Hit-Katalog, der alleine schon für Stimmung bei den Fans sorgt. Da ist nichts mehr von der Nervosität oder Schüchternheit in den Anfängen seiner Karriere zu sehen“, sagt Schacht. Aber reicht das, um den unglaublichen Hype um Cro zu erklären? „Der ungebrochene Hype resultiert daraus, dass er es geschafft hat, mit Traum einen größeren Hit hinzulegen als er es mit Easy hatte. Der Hype ist immer nur so groß wie der letzte Hit. Cro hat bewiesen, dass er kein One-Hit-Wonder ist.“

Wie beurteilt Falk Schacht den weiteren Verlauf der Cro-Erfolgsgeschichte? „Sollten die Hits ausbleiben, geht das auch alles wieder runter. Siehe Tokio Hotel.“

Die Perspektive der Politik

Nimmt man den derzeitigen Status als Maßstab, dürfte es mit der Tokiohotelisierung von Cro noch eine Weile dauern. Beim Konzert am Samstag war der Irrsinn nämlich noch eine Spur größer als am Abend zuvor. Bei dieser Show waren alle Cro-Hardcore-Fans zugegen. Bereits um 17.30 Uhr tummelten sich lässige 5000 Teenager samt Erziehungsberechtigter in der Halle.

Am Freitag hatte sich wieder einmal die These bestätigt, dass auch die Politik, genauer gesagt der Stuttgarter Gemeinderat, gerne mal Fünfe gerade sein lässt bei einem Cro-Auftritt. Vor zwei Jahren war die damalige SÖS-Stadträtin Maria-Lina Kotelmann mit der halben Familie in der Schleyerhalle zugegen. Dieses Mal stellte der zurückgetretene Fraktionsvorsitzende der FDP im Gemeinderat, Bernd Klingler, seine Rap-Skills unter Beweis. „Mein Sohn Leo ist der größte Cro-Fan der Stadt. Ich selbst finde Cro aber auch toll, ich mag deutsche Texte einfach.“ Knallharte Frage zwischen Bühne und Merchandising-Stand: Wenn Sie Cro politisch verorten müssten, Herr Klingler, in welcher Partei wäre der Panda zu finden? „Ganz klar in der FDP. Wegen seiner liberalen Texte.“ Ein Cro-Konzert scheint also auch ein adäquates Mittel zur Ablenkung zu sein. „Ich habe die vergangenen Nächten kaum geschlafen. Da tut so ein Ausflug in die Schleyerhalle gut“, sagt Klingler, der wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in den Finanzen der Fraktion in der Kritik steht.

Der Erfolg von Cro ist auch deshalb so groß, weil der Stuttgarter Künstler die Social-Media-Klaviatur mit Bravour spielt. Noch besser ist nur sein DJ Psaiko Dino. Der ehemalige Grafik-Praktikant von Cros Plattenfirma Chimperator hat seit Freitag eine eigene Fernsehshow bei Joiz, einem TV-Sender, der die Bedürfnisse der Generation Youtube befriedigt. Für die erste Folge am Freitag machte Weltmeister Sami Khedira Werbung. Natürlich in einem kleinen Video-Clip, der anschließend sofort durch das Netz geistert. Was für einen Einfluss Cro und Co. bei Twitter haben, wurde letzte Woche deutlich: Bei jedem Tweet zu Cro nutzte die Panda-Gang das Hashtag „Streusalz“, nur aus Jux und Dollerei. Am Donnerstag war Streusalz sogenanntes Trending Topic bei Twitter, also einer der meistbenutzten Begriffe – vor der Ukraine und anderen Kleinigkeiten.

Die Social-Media-Perspektive