Wolfgang Nieke, Betriebsratschef im Daimler-Werk Untertürkheim, ist enttäuscht, dass das Thema E-Mobilität nur langsam vorankommt. „Der Markt ist einfach noch nicht da, wo er sein sollte“, sagt er im Interview.

Stuttgart – - Wolfgang Nieke, der Vorsitzende des Daimler-Betriebsrat in Untertürkheim, macht sich seit langem dafür stark, dass in dem Traditionswerk auch Aktivitäten rund um die Elektromobilität angesiedelt werden. Der Durchbruch ist bisher noch nicht gelungen, aber er sieht Fortschritte.
Wolfgang Nieke mag die Akkuzellen-Produktion noch nicht ganz abschreiben. Foto: Daimler
Herr Nieke, die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) rät dazu, die Batteriezellenproduktion in Deutschland noch nicht aufzugeben, obwohl Daimler gerade beschlossen hat, die Fertigung per Ende 2015 einzustellen. Ist das realistisch?
Im Kern geht es um die Frage, ob wir das den asiatischen Ländern überlassen oder ob wir nicht doch an der Technologie dranbleiben müssen. Möglicherweise ist die Batterietechnologie noch gar nicht bis ins Letzte ausgereizt. Vielleicht muss man in Deutschland das doch noch einmal größer denken und sagen: Wäre das nicht eine industriepolitische Aufgabe? Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Stückzahlen, die wir in Kamenz produziert haben, nicht ermutigend waren.
Sie haben vor gut einem Jahr kritisiert, dass BMW in Sachen Elektromobilität vieles besser mache als Daimler. Hat Daimler aufgeholt?
Wir müssen in beiden Unternehmen hoffen, dass wir mehr Käufer für Elektrofahrzeuge finden. Der Markt ist einfach noch nicht da, wo er sein sollte. Das Thema kommt insgesamt schleppender voran als ursprünglich gehofft. BMW hat Kapazitäten für das eigenständige Elektroauto i3 aufgebaut, auf der Straße sieht man das Fahrzeug aber eher selten; Daimler hat im Herbst gerade die elektrische B-Klasse auf den Markt gebracht. Zudem ist es dem Unternehmen mit dem Car2go-Konzept in den letzten zwei Jahren immerhin gelungen, Elektromobilität für viele Menschen erfahrbar zu machen. Da nehme ich – zumindest in Stuttgart – vor allem bei den jungen Leuten eine Veränderung wahr.
Hat der Konzern genügend Aktivitäten rund um die Elektromobilität im Werk Untertürkheim angesiedelt?
In Untertürkheim geht es vor allem um die Frage Brennstoffzelle. Ein wenig optimistisch stimmt mich, dass die Elektromobilität jetzt auch als ein Thema für die klassischen Produktionswerke gesehen wird. Wir müssen die Kompetenzen für diese Technologie haben, selbst wenn es heute nicht um mehrere hundert Arbeitsplätze geht.
2017 will Daimler ein Brennstoffzellen-Fahrzeug auf den Markt bringen. Wie weit sind die Planungen?
Mein Blick geht in Richtung Kompetenz. Wir sind ja noch nicht einmal sicher, ob die Brennstoffzelle das Zukunftskonzept ist oder ob in der Batterietechnologie nicht noch einmal ein größerer Sprung kommt. Vor ein paar Jahren waren die meisten noch sicher, dass die Brennstoffzelle die Lösung für die längeren Strecken ist. Das wird sich erst in den nächsten fünf bis zehn Jahren entscheiden.
Was hätte Untertürkheim von der Brennstoffzelle?
Wir entwickeln die Produktionstechnologie für das Thema Brennstoffzelle. Dann wird hier in der Forschung noch die gesamte Konzeptwicklung betrieben. In Nabern im Kreis Esslingen gibt es Nucellsys als Entwicklungsstandort. Was dann wo gemacht wird, müssen wir noch intensiv mit dem Unternehmen diskutieren.
Wann fallen die Entscheidungen?
Irgendwann muss das entschieden werden, denn es gibt ja die Absicht, ein Fahrzeug mit Brennstoffzelle auf den Markt zu bringen. Wir thematisieren das immer wieder in den Diskussionen mit dem Unternehmen.
Geht Ihnen das zu langsam?
Gesellschaftspolitisch ja. Wir sind weit entfernt von den in der NPE diskutierten Zielen. Aber es ist auch klar, dass sich das Unternehmen an der gesellschaftspolitischen Diskussion orientieren muss. Es sind nach wie vor viele Fragen ungeklärt.
Das Beschäftigungspotenzial ist offenbar bescheiden. Kann die Elektromobilität einen Ausgleich bieten für andere Produktionsumfänge, die wegfallen?
Wir haben in Untertürkheim in den letzten drei Jahren eineinhalb tausend Menschen eingestellt, überwiegend in der Produktion. Da unterstelle ich jetzt nicht, dass die morgen wieder abgebaut werden. Aber wir müssen auch auf die Struktur des Werkes schauen: Ist das, was jetzt produziert wird, langfristig zukunftsfähig? Es muss uns mit Blick auf die nächsten 10 bis 15 Jahre gelingen, die Elektromobilität einzusetzen, um das, was an anderer Stelle wegfällt, ein stückweit zu kompensieren. In der Übergangsphase mit einem noch sehr großen Anteil an Verbrennungsmotoren, die mit Hybriden elektrifiziert werden, können wir das Beschäftigungsproblem lösen, wenn wir es gut machen. Das hat zu meiner Überraschung auch eine Studie von Daimler, IG Metall und Hans-Böckler-Stiftung, die 2012 veröffentlicht wurde, ergeben. Es gebe sogar die Chance auf mehr Beschäftigung, heißt es da.