Katrin Adt verantwortet beim Daimler-Konzern die Auswahl und Ausbildung der nächsten Manager-Elite. Sie setzt dabei auf möglichst heterogene Kandidaten.

Stuttgart - Wer im Daimler-Konzern Karriere macht, trifft irgendwann auf Katrin Adt. Die Juristin ist für die Personalentwicklung zuständig und kümmert sich um den obersten Führungskreis. „Es ist mein Traumjob“, sagt Adt im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Zu den Aufgaben der Managerin mit dem Titel Vice President Mitarbeiterentwicklung und Mitarbeiterservices gehört die Karrierebetreuung der rund 100 Topmanager direkt unter dem Vorstand. Im Daimler-Jargon sind das die E1-Manager.

 

Im vergangenen Jahr hat die sportliche Frau, die selbst in E1 eingestuft ist, diese Aufgabe übernommen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir alles, was wir uns im Konzern vornehmen, nur schaffen, wenn wir die richtigen Leute entwickelt haben“, sagt sie. „Wer entwickelt denn die Strategie und setzt sie um? Das können noch keine Maschinen und Computer“, fügt sie hinzu. Sie denkt dabei wohl auch an den Wandel des Stuttgarter Konzerns von einem reinen Autohersteller hin zum Mobilitätsdienstleister – was sich in der Managerausbildung widerspiegeln muss.

30 000 Bewerber kämpfen um 300 Plätze

Dabei gehe es ihr nicht nur um die fachliche Qualifikation, sondern insbesondere auch um die Persönlichkeit. „Ich möchte die künftige Führungskraft kennenlernen. Woher kommt sie? Was hat sie geprägt? Was motiviert sie? Hat sie sich vielleicht schon mal selbst aus dem Dreck gezogen? Auf welche Erfolge ist sie stolz?“, erläutert Adt. Menschen erzählten in positiver Gesprächsatmosphäre gerne über sich, versichert die Juristin. Sie halte einen engen Kontakt zu den Topmanagern. Wer solche Gespräche mit ihr führt, hat es schon weit gebracht bei Daimler.

Der Konzern bereite seinen Nachwuchs systematisch auf kommende Aufgaben vor, erläutert die Karrierefrau, Jahrgang 1972. Zu Beginn der beruflichen Laufbahn beurteilen die unmittelbaren Vorgesetzten und die Personalabteilung. Wer diese Hürden genommen hat, kann in ein Förderprogramm aufgenommen werden, Career genannt. Die Konkurrenz ist groß. Gerade mal 300 Plätze stehen weltweit jährlich für die rund 30 000 Bewerber zur Verfügung, erläutert Adt, die die Auswahl der Teilnehmer mitverantwortet. 30 Nationen sind in dem Nachwuchsprogramm vertreten.

Daimler hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Ausländer und mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. 50 Prozent der Teilnehmer des Nachwuchsprogramms sollen einmal aus dem Ausland kommen, so Adt. Heute liegt der Anteil bei 40 Prozent. Inzwischen haben ein Drittel der Führungskräfte einen ausländischen Pass; 2010 lag der Anteil noch bei zehn Prozent.

Vielfalt bereichert Führungsteams

Auch bei der Förderung weiblicher Eliten kommt der Konzern voran. Bis 2020 sollen 20 Prozent der Führungskräfte Frauen sein, 2006 hatte sich der Autokonzern dieses Ziel gesetzt. Seitdem ist die Zahl kontinuierlich gestiegen. „Aus heutiger Sicht schaffen wir unsere Zielsetzung gut“, sagt Adt. Derzeit sind 14 Prozent der weltweit 3300 zu vergebenden leitenden Führungsjobs mit Frauen besetzt. Wer nun meint, dass seien keine ehrgeizigen Ziele, sei daran erinnert: Gerade mal rund 16 Prozent der Daimler-Belegschaft ist weiblich.

Dass die zunehmende Vielfalt in der Chefetage nicht von allen Chefs begrüßt wird, versteht Adt: „Der Mensch tendiert dazu, Komplexität zu reduzieren. Wenn sie viele Leute haben, die genauso ticken wie sie und ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ist das Leben erst mal herrlich einfach.“ Vielfalt sei nämlich zunächst anstrengend. „Sie als positiv und bereichernd zu begreifen, das ist ein Lernprozess“, sagt sie.

Adt, die in Göttingen studiert hat, scheut Anstrengungen nicht. Die Diplomatentochter hat ihre Kindheit in acht Ländern verbracht – darunter Afghanistan, Indien, die Zentralafrikanische Republik, die Schweiz und Frankreich. Sie, die bis dahin mit der Wirtschaft kaum in Berührung kam, wollte ein Unternehmen von innen kennenlernen – und startete 1999 ihre Berufslaufbahn bei dem Autokonzern. Zunächst wurde sie Assistentin von Annette Winkler, der heutigen Smart-Chefin, die damals die Vertriebsorganisation in Brüssel leitete. In der Folge erklomm sie eine Karrierestufe nach der anderen im Vertrieb. Sie war auch maßgeblich daran beteiligt, die Vertriebsnetze von Daimler und Chrysler – nach der Trennung – wieder auseinanderzudividieren. 2010 übernahm sie dann die Leitung der Vertriebstochter in Luxemburg.

„Ich kann Autos verkaufen, ich finde es auch spannend an der Spitze einer Vertriebsorganisation zu stehen“, erläutert Adt, die sich selbst als Autofan beschreibt und S-Klasse fährt. Aber was sie wirklich umtreibe, sei die Frage, warum Teams funktionieren und warum nicht. Dies sei ihr in einem Seminar für Führungskräfte bewusst geworden. Der Zufall kam ihr dabei zu Hilfe. Die Personalberatung Egon Zehnder in Düsseldorf wurde auf sie aufmerksam – und Adt ergriff 2013 die Chance. Doch sie war nur eineinhalb Jahre dort – dann bot Daimler ihr den jetzigen Job an.

Vier Prozent der Manager arbeiten in Teilzeit

Über die Arbeitsbedingungen bei ihrem Arbeitgeber findet sie nur positive Worte. „Egal ob für Frauen oder Männer gibt es hier flexible Lösungen“, sagt die zweifache Mutter. Es gebe diverse Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit der Karriereunterbrechung, es gebe Unterstützung bei der Kinderbetreuung. „Es gehört mittlerweile zur Normalität, dass Führungskräfte in Teilzeit arbeiten, in Elternzeit gehen oder sich eine Auszeit für die Pflege von Angehörigen oder für die persönliche Weiterbildung nehmen“, sagt sie. Das sind keine reinen Frauenthemen mehr.

„Ich würde es begrüßen, wenn noch viel mehr solche Angebote in Anspruch nehmen würden“, sagt sie. So arbeiten bei Daimler 4,2 Prozent der Chefs mittlerweile in Teilzeit. Aber es sind vor allem Frauen, die die Möglichkeit nutzen. So arbeiten bei Daimler in Deutschland 24 Prozent der Chefinnen in Teilzeit.

Adt räumt ein, dass es herausfordernd ist, Privates und Karriere zu verbinden. „Ich habe eine robuste Natur geerbt“, sagt sie lachend. „Manchmal denke ich, wenn ich ein Engagement weniger hätte, müsste ich nicht morgens um 5.30 Uhr um die Häuser joggen.“ Deshalb verstehe sie auch Menschen, die sich lieber auf eine bestimmte Sache konzentrieren.

Und wie hält Adt es mit ihrer Arbeitszeit? „Ich habe darüber noch nie nachgedacht, wann meine Arbeitszeit zu Ende ist und die Freizeit anfängt“, räumt sie ein. „Das ist ein Stück weit fließend – und das war schon immer so.“ Ihr Mann, ebenfalls Jurist, habe flexiblere Arbeitszeiten und arbeite nachmittags meist von zu Hause aus. „Ich habe nicht das Gefühl, dass meinen Kindern irgendetwas fehlt.“