Rückblicke auf die Monarchie sind wichtig, findet Danyal Bayaz, als Finanzminister verantwortlich für Schlösser. Der Grüne äußert sich zum Streit ums Königsspiel beim historischen Volksfest und weiß, wie Boris Johnson vom Haus Württemberg abstammt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Damit kein falscher Eindruck entsteht, stellt Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) vorweg nicht gerade überraschend klar: „Ich bin überzeugter Republikaner!“ Wer sich mit den vier Königen von Württemberg beschäftigt, sage damit nicht, er wolle die Monarchie zurück oder glorifiziere sie, erklärt der 38-Jährige bei seinem Besuch im Stadtpalais. Dort am Wohnsitz von Wilhelm II. ist 1918 die rote Fahne gehisst worden – damit war Schluss mit dem Königreich. Dass in Stuttgart gerade hitzig über ein Theaterspiel mit Protagonisten in Königskostümen beim historischen Volksfest debattiert wird, nimmt der Grüne zum Anlass, klar Stellung zu beziehen. Er ruft dazu auf, Geschichte „erlebbar“ zu machen und die damals handelnden Personen „vor dem Hintergrund ihrer Zeit zu verstehen“.

 

„Wer die Zukunft gestalten will, muss die Geschichte gut kennen“

Als Finanzminister ist er für das Erbe der Könige und Herzöge zuständig – die Schlösser fallen in sein Ressort, damit also die Schätze der Kultur- und Landesgeschichte. Beim Rundgang durch die „beeindruckende Ausstellung“, wie er sie lobt, über Wilhelm II., dem letzten König von Württemberg, unterstreicht er, wie wichtig es sei, „die Geschichte des Landes“ gut zu kennen, wenn man dessen Zukunft als Politiker gestalten wolle. Wenn Geschichte emotional am Beispiel damals handelnder Personen dargestellt werde, sei dies ein guter Weg, findet Bayaz. Dies könne mit historischen Dokumenten im Stuttgart-Museum sein, aber auch mit einem Theaterspiel.

Deshalb begrüßt es der Minister, wenn beim historischen Volksfest im September auf dem Stuttgarter Schlossplatz, also direkt vor seinem Amtssitz, Schauspielerinnen und Schauspieler in die Rollen der Vergangenheit schlüpfen. Dabei gehe es nicht um Verherrlichung oder Verklärung der Monarchie, wie dies im Stuttgarter Gemeinderat Hannes Rockenbauch, Stadtrat des Linksbündnisses, kritisiert hatte. Man dürfe die Akteure in früheren Jahrhunderten nicht mit dem Wissen aus heutiger Sicht erklären, sondern müsse sie in ihrer Zeit zu verstehen versuchen.

„Eine Schlüsselfigur im Umbruch Württembergs“

„König Wilhelm II. war eine Schlüsselfigur im Umbruch Württembergs an der Schwelle zum 20. Jahrhundert“, sagt Danyal Bayaz, „unter ihm fand 1907 erstmals auf deutschem Boden der internationale Sozialistenkongress und die erste internationale Frauenkonferenz statt“. Außerdem sei er Wegbereiter des „Technik-Standorts“ als Förderer der Luftschifffahrt und des Automobils gewesen und habe es ermöglicht, dass in Stuttgart liberale Theaterstücke gespielt werden durften, die in Berlin verboten waren. Wilhelm II. hat obendrein den Bau des Opernhauses veranlasst, das im September 110 Jahre alt wird und nun vor einer grundlegenden Sanierung steht.

Wie Boris Johnson mit der württembergischen Königsfamilie verwandt ist

Beim Rundgang durch die Ausstellung reicht der Blick bis nach London. Boris Johnson ist nach Studien von Ahnenforschern ein Nachkomme des Königshauses Württemberg. Patricia Paschel, Konservatorin im Finanzministeriums, erklärt die verwandtschaftliche Beziehung: Paul von Württemberg, der jüngere Bruder von König Friedrich I., hatte demnach mit der Hofschauspielerin Friederike Vohs ein uneheliches Kind. Die Tochter Karoline war zwar illegitim, nannte sich aber „von Rottenburg“ und heiratete unter diesem Namen 1836 den Kammerherrn am bayerischen Hof, Karl von Pfeffel (1811 bis 1890). Beide sind die Urururgroßeltern von Boris Johnson, der 2008 persönlich im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv Nachforschungen zu seinem Stammbaum betrieben hat. „Womöglich hat Boris Johnson seine Lust auf Partys aus Württemberg geerbt“, scherzt Bayaz.