Das Burda-Bambi und Skulpturen des US-Amerikaners Jeff Koons haben eines gemeinsam: sie sind im schwäbischen Süßen gegossen worden. Die Kunstgießerei Strassacker ist eine der führenden Manufakturen bei der Umsetzung von anspruchsvollen Entwürfen namhafter Künstler.

Süßen – - In der Kunstgießerei Strassacker in Süssen entstehen anspruchsvolle Skulpturen, moderne Architekturelemente und Großplastiken wie der „Uwe- Seeler-Fuß“ in Hamburg, Skulpturen des Malers und Bildhauers Ernst Fuchs, des Amerikaners Jeff Koons und auch der populäre deutsche Burda-Medienpreis Bambi. Strassacker zählt zu den weltweit führenden Manufakturen für Kunstguss. Die Ideen der Künstler werden in Handarbeit in den Ateliers, der Gießerei, den Ziselier- und Patinierwerkstätten umgesetzt. Die Geschäftsführerin Edith Strassacker leitet in der vierten Generation das Unternehmen, an dessen Stammsitz es auch eine Galerie und einen Skulpturengarten gibt.
Frau Strassacker, bei der Eröffnung der Route der Industriekultur hier im Filstal haben Sie jüngst das wirtschaftsfreundliche Klima im Kreis Göppingen gelobt. Was gefällt Ihnen an Ihrem Standort Süßen?
Zuerst einmal sind wir in Süßen ansässig, weil schon mein Urgroßvater hier wohnte und mit viel Fleiß und Mühe begann, den Betrieb aufzubauen. Wir sind sehr zufrieden, weil die Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Kreis positiv und konstruktiv verläuft. Ich weiß, früher war das anders, und meine Vorgänger hatten mit so manchen bürokratischen Hemmnissen zu kämpfen. Das hat sich stark gewandelt. Nicht nur, weil sich die Verwaltungen inzwischen mehr als Dienstleister verstehen, auch weil man inzwischen weiß, was man an den Unternehmen hat, die Gewerbesteuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen.
Gibt es dafür Beispiele?
Ja, das merkt man unter anderem bei Bauvorhaben. Heute gehen diese Antragsverfahren schneller, das wissen wir zu schätzen. Und die Wege zu möglichen Zulieferbetrieben sind im Kreis Göppingen sehr kurz, das ist wirklich hilfreich. Bei unserem letzten Großprojekt, dem Bau der weltweit größten Pferdeskulptur für den Gulfstream Park bei Miami in Florida, haben wir beispielsweise sehr von der Zusammenarbeit mit der Firma Stahlbau Wendeler profitiert, die wenige Kilometer entfernt, in Donzdorf, ansässig ist. Wendeler hat die innen liegende Stahlkonstruktion geliefert und damit die Innenkonstruktion des „Pegasus“ verantwortet.
Hat der Standort auch Schwächen?
Meiner Meinung nach ist die Breitbandversorgung eine der größten Herausforderungen. In den Gewerbegebieten ist das Netz nicht immer das Allerstärkste, und deshalb sollten die Gemeinden mehr in die digitale Infrastruktur investieren. Und natürlich spüren wir alle den fehlenden Ausbau der Bundesstraße 10. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht abgehängt werden.
Da sind wir bei der Rolle der Politik angelangt. Spüren Sie etwas von den Bemühungen der Politiker, die Bürokratie für Unternehmen abzubauen ?
Nein, davon ist nichts zu spüren. Manchmal habe ich eher den Eindruck, um mal das Bild des Lastesels zu bemühen, man möchte austesten, wie viel man den Unternehmen noch aufpacken kann.
Wobei denken Sie dabei konkret?
Da kann ich aktuelle Beispiele wie den Mindestlohn und das Bildungszeitgesetz anführen. Es ärgert mich, wenn ich bei Vorträgen von Politikern, wie kürzlich bei einer Rede von Herrn Kretschmann, höre, wie leichtfertig über die Sorgen der Unternehmen über die Auswirkungen solcher Gesetze hinweggegangen wird. Beim Mindestlohn ist die Metallbranche zwar nicht direkt betroffen, da die Löhne weit darüber liegen. Dennoch gibt es große Belastungen durch umfangreiche Dokumentationspflichten und – aus meiner Sicht – unzumutbare, weitreichende Haftungsregelungen. Zum Beispiel haftet ein Unternehmen, das bei der Durchführung eines Auftrags ein Subunternehmen einsetzt, für die Einhaltung des Mindestlohns sowohl bei dem direkt beauftragten Unternehmen und, falls dieses Unternehmen wiederum Subunternehmer beauftragt, auch für die Kette der weiteren Subunternehmen. Das heißt, man ist auch in der Haftung für Betriebe, die man weder kontrollieren kann noch vertraglich in die Pflicht genommen hat.
Und wie stehen Sie zum Bildungsurlaub?
Da müssen wir schauen, was auf uns zukommt. Fünf Tage zusätzlicher Urlaub für Weiterbildung, der eher im privaten als im betrieblichen Interesse liegt, bedeutet eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung. Ich finde die Regelung nicht fair, immerhin haben viele Unternehmen die 35-Stundenwoche und 30 Tage Urlaub, das ist eine Menge Freizeit für die Beschäftigten, in der sie sich in ihren privaten Interessen weiterbilden könnten. Betriebliche Weiterbildung ist hingegen elementar für die Weiterentwicklung eines Unternehmens. Hier investieren die Betriebe gezielt in die Weiterentwicklung der Arbeitnehmer und somit in die Erfüllung ihrer Kernaufgaben. Wenn zu viel anderes per Gesetz finanziert werden muss, bleiben dafür weniger Reserven.
Weil wir gerade bei den Beschäftigten angelangt sind, drängt sich die Frage auf: Sie haben viele Beschäftigte mit Spezialberufen, gibt es dafür genügend Nachwuchs?
Das war bis jetzt noch kein Problem, denn wir sind ein Ausbildungsbetrieb und sorgen auf diesem Weg selbst für den Nachwuchs zum Beispiel bei den Metall- und Glockengießern in der Fachrichtung Kunstguss und bei den Metallbildnern, zu denen auch die Ziseleure zählen.
Mit einem Ziselierbetrieb hat bei Strassacker wohl auch alles begonnen?
Ja, schon mein Urgroßvater, der die Firma gegründet hat, war Ziseleurmeister. Die Arbeit des Ziseleurs kommt nach dem Guss. Dabei werden Metalloberflächen veredelt und die Oberflächenstruktur, die ein Künstler seinem Werk verleiht, wird an den Stellen wieder nachgebildet, an denen diese Struktur aus gusstechnischen Gründen nicht mehr vorhanden ist. Am Ende der Bearbeitung ist ein Werk wie aus einem Guss entstanden, das dem Urmodell exakt entspricht. Das sind sozusagen unsere Kernkompetenzen. Und weil wir sehr häufig mit den unterschiedlichsten Künstlern zusammenarbeiten, muss der Ziseleur die Formensprache des Künstlers verstehen und handwerklich umsetzen können.
Gilt eigentlich noch der Satz „Handwerk hat goldenen Boden“?
Ja, unbedingt. Aus meiner Sicht kann man das Handwerk als Basis für unsere industrielle Entwicklung nicht genug wertschätzen. Das sollte junge Menschen zu einer handwerklichen Ausbildung motivieren. Gerade unser Betrieb zeigt, wie breit das handwerkliche Spektrum ist. Junge Menschen erhalten hier viele Möglichkeiten ihr Handwerk auszuüben und, wenn gewünscht, sich zum Handwerks- oder Industriemeister oder zum Techniker weiter zu entwickeln. Wir sind hier gut mit den Schulen vor Ort vernetzt und die Jugendlichen haben bei ihren Praktika Gelegenheit, sich bei uns auszuprobieren. Es gibt darüber hinaus von den Verbänden und Schulen viele sehr gute Initiativen, beispielsweise von Südwestmetall und der Hochschule Esslingen, junge Menschen an die Technik heranzuführen.
Und woher kommen Ihre Fachkräfte?
Die meisten Auszubildenden stammen aus dem Kreis Göppingen. Aber unsere Fachkräfte kommen natürlich auch von auswärts. Da wir auch viele internationale Auftraggeber zu unserem Kundenkreis zählen, ist es von Vorteil, dass auch unsere Belegschaft sehr international aufgestellt ist. Unlängst hatten wir einen Auftrag in Mekka, den wir hier produziert haben und mit Hilfe unseres türkischen Netzwerks vor Ort installieren konnten, denn in Mekka haben nur Muslime Zutritt.
Wie lassen sich diese Herausforderungen künftig meistern?
Ich glaube, das Beste, was uns passieren kann, sind Menschen in einem Betrieb mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Davon profitieren alle, und deshalb bin ich sehr für die Integration von Ausländern, denen wir die Einwanderung erleichtern sollten. Ich bin sehr gespannt, welche Kompetenzen wir auf diesem Weg ins Land bekommen. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass wir zu international werden könnten, denn ich glaube, als Exportnation müssen wir uns noch viel intensiver mit unseren Partnern in der Welt vernetzen.
Tatsächlich arbeiten Sie schon lange global. Wie kam es zur Gründung Ihres Zweigwerks im Elsass?
1979 bauten wir eine französische Niederlassung in Heimsbrunn bei Mülhausen, um die Steinmetze und Bildhauer im französischsprachigen Raum vor Ort zu betreuen. Die Bedingungen für Unternehmen haben sich aber leider in den letzten 20 Jahren verschlechtert. Im Vergleich zu Deutschland ist Frankreich ein Land, das sich schwerer tut mit kleinen und mittelständischen Betrieben. Gefördert wird in Frankreich eher die Großindustrie. Allgemein ist man dort einem, wie auch die Franzosen selbst sagen, kaum zu durchschauenden Arbeitsrecht ausgesetzt und bekommt so manche Willkür, vor allem der Steuerbehörden, zu spüren. Das wirkt sich nicht sehr motivierend aus, um dort weiter zu investieren. Viele andere deutsche Unternehmen, die sich mit uns ansiedelten, haben ihre französischen Niederlassungen inzwischen aufgegeben. Was uns hält, sind allein unsere langjährigen Mitarbeiter und die Künstler, die diese deutsch-französische Kooperation sehr schätzen.

Verantwortung für 500 Mitarbeiter

Edith Strassacker
hat die Geschäftsführung 2001 von ihrem Vater Werner Strassacker übernommen. Die Ernst Strassacker GmbH und Co.KG beschäftigt 500 Mitarbeiter am Stammsitz Süßen und im Zweigwerk im Elsass.

 

Vertriebsbüros
gibt es in Saudi Arabien und in den USA. Den Grundstein legte Ernst Strassacker 1919 mit den „Kunstgewerblichen Werkstätten und Bronzegießerei“ Süßen.