Filme aus Spanien und Lateinamerika sind nur selten auf deutschen Leinwänden zu sehen. Das Festival Cinelatino bietet wenigstens in Stuttgart, Tübingen und Freiburg Abhilfe. In Stuttgart bringt es bis zum 22. April neue Filme und interessante Gäste ins Delphi.

Stuttgart - Bescheidenheit war dem Kino immer schon fremd. Mag es von Advokaten der Hochkultur auch als vulgärer Jahrmarktsrummel denunziert werden, es selbst begreift sich als Schule des Sehens: in Bewegung und Geschichten, durch ausgeklügelte Montagen und suggestive Rhythmen sollen wir andere Eindrücke der Welt vermittelt bekommen als beispielsweise durch Lektüre. An dieses selbstbewusste Versprechen des Kinos erinnert das Festival Cinelatino, das nun wieder eine Woche lang in Tübingen, Freiburg und Stuttgart sonst kaum zu Sehendes aus Spanien und Lateinamerika präsentiert.

 

Als Schwerpunkt haben die Organisatoren diesmal kein Land gewählt, sondern die gesamte Andenregion. Der bolivianische Regisseur Diego Mondaca führt dazu im Programmheft zunächst aus, was Atlanten und Reiseführer über die Anden zu sagen wissen. Um dann ruppig zu folgern: „All dieses Faktenwissen, so exakt es scheinen mag, bedeutet dennoch nichts.“

Der Pakt mit den anderen

Das Festivalprogramm dagegen, verspricht Mondaca, werde „auf feinfühlige, aber entschlossene Weise“ die Andenbewohner zeigen, ohne sie zu idealisieren, „ihre von Gewalt geprägte Welt, ihre Fähigkeit zur Selbstbehauptung und ihre enorme Poetik“. Er sieht die Filme als Vehikel der Verständnisbeförderung: „Das Leben in den Andenkulturen lässt sich als ein Pakt mit den anderen (einer Gruppe oder Gemeinschaft) begreifen, von denen man abhängt und denen man sich schuldet.“

Von Diego Mondaca laufen in Stuttgart am Samstag ab 16 Uhr im Kino Delphi die Dokumentarfilme „La Chirola“ über den Freiheitsbegriff eines ehemals Inhaftierten und „Ciudadela“ (beides Originalfassungen mit englischen Untertiteln, OmeU also) über das Männergefängnis San Pedro mitten in La Paz.

Filmemacher live

Im Idealfall bieten Festivals nicht nur Filme, sondern bringen Filmemacher und Publikum ins Gespräch. Der von Donnerstag, 16. April, bis zum Mittwoch, 22. April, im Delphi laufende Stuttgarter Teil von Cinelatino hat zwar nicht ganz so viele Veranstaltungen zu bieten wie der von einer größeren muttersprachlichen Gemeinde unterstützte Part in Tübingen, aber auch ins Delphi kommen im Lauf der Woche vier interessante Gäste.

Am Freitag, dem 17. April, um 18 Uhr stellt die peruanische Regisseurin Enrica Pérez ihren Spielfilm „Climas“ (OmeU) vor. Sie erzählt darin drei Frauengeschichten aus drei Generationen und drei ganz unterschiedlichen Regionen ihres Landes.

Am selben Tag um 22.30 Uhr kommt der Hauptdarsteller Jordi Vilches zur Vorstellung von Isaki Lacuestas „Murieron por encima de sus posibilidades – Sie starben über ihre Verhältnisse“ (OmeU) aus Spanien. Fünf Insassen der Psychiatrie beschließen in dieser schwarzen Komödie, den Chef der Zentralbank zu entführen. Der Mann soll gezwungen werden, die Wirtschaftskrise zu beenden. Sehr viel verrückter als mancher andere Sanierungsplan klingt das auch nicht.

Es bleibt ein harter Kampf

Am Sonntag, dem 19. April, um 18 Uhr wird der spanische Regisseur Jordi Morató im Delphi seinen Dokumentarfilm „Sobre la marxa – Der Erbauer des Dschungels“ (OmeU) präsentieren. Er porträtiert darin den Künstler Josep Pujiula alias Garrell, der die Vandalisierung seiner Kunstwerke im öffentlichen Raum als Anstoß nimmt, an ihnen weiterzuarbeiten, der Destruktion also in seinen Schaffensprozess integriert.

Der in Berlin lebende kolumbianische Kameramann Juan Sarmiento schließlich stellt am Montag, dem 20. April, um 18 Uhr den Kurzfilm „Leidi“ (OmeU) vor, dessen Titelheldin sich auf die Suche nach dem Vater ihres Kindes macht.

Dass dieses Jahr besonders viele Filme nur englische Untertitel und keine deutschen haben, so auch der kubanische Eröffnungsfilm „Conducta“ (Donnerstag, 16. April, 20 Uhr) über eine Lehrerin und ihren Problemschüler , und „Insurgentes“ (Freitag, 17. April, 20.30 Uhr) von Jorge Sanjinés aus Bolivien, der vom Kampf der indigenen Bevölkerung gegen die europäischen Eroberer erzählt, ist natürlich dem schmalen Budget des Festivals geschuldet. Dieses Jahr hat obendrein die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg ihre bisher jährlich 4000 Euro starke Unterstützung eingestellt. Der Kampf um ein Plätzchen für spanische und lateinamerikanische Filme auf deutschen Leinwänden bleibt ein harter.