Warhol, van Gogh, Menzel, Dalí, Grass – die Geschichte der Bildenden Kunst ist durchtrampelt von Schuhporträtisten, teils malten sie stilllebenfein sohlen- und senkelmürbes Gehwerkzeug, teils übten sie sich in enigmatischer Surrealistik wie Magritte mit seinem Boudoirschuh, dessen Vorderkappe Zehen ausformt, so plastisch-fleischlich-körperhaft, als wäre der Schuh zugleich der Fuß. Wer aber malte den ersten Schuh? In den südfranzösischen Höhlen von Chauvet finden sich Stiefelbilder, in den Fels gekratzt vor annähernd 30 000 Jahren, auch kennen wir mesopotamische Stiefelfunde, dazu griechische Aphrodite-Darstellungen: die Liebesgöttin appetitlich nackt, bekleidet nur mit einem Paar Sandalen. Mit mokassinartigen „Fußsäcken“, Tierhaut, um Zehen und Knöchel geschlungen, machte sich der Mensch bereits zur Bronzezeit auf die Beine.

 
Doch erst als die Sandalen aufkamen, fing die Rennerei so richtig an. Ums Jahr 3500 vor Christus fertigten Ägypter mit Hilfe von Fußabdrücken im nassen Sand passgenau geflochtene Papyrussohlen, gehalten von Zehenriemen aus ungegerbtem Leder. Mit Kuhdung machten Afrikaner ihre Sandalen geschmeidig, erheblich schwerer trugen Roms Kaiserinnen an ihren Laufhilfen: die kaiserlichen Sandalen waren gegossen aus reinem Gold, und Edelsteine klunkerten an den Riemen. Im Legionslager seines Papas, des Germanicus, erspähte Söhnlein Gaius ein Paar Legionärsstiefel, caligae – die musste der verwöhnte Knirps unbedingt haben, der Spitzname Caligula ist ihm davon geblieben; als früher Schuhfetischist liebte er’s auch, in Damenschuhen herumzustolzieren oder auf griechischen Kothurnen durch seine Gemächer zu wanken, ein allzeit frevelbereiter Kaiser, der aus jedem Schauspieleffekt ruchlos und blitzschnell blutigen Ernst zu machen verstand.

Verkannt in Rom wie in Athen

Ansonsten galt das Schusterhandwerk nicht viel, weder in Rom noch in Athen. Zwar meinte Plinius, die Schuhmacherei habe der Böotier Tychius erfunden, aber mit besserem Fug könnte man dies auch von Eumaios sagen, dem Sauhirten des Odysseus. Als Bettler verkleidet, sah Odysseus ihn sitzen bei seiner Herde, und „selbst fügte er um seine Füße Sohlen, schneidend schönfarbige Rindshaut“. Dass die Schuster wenig geschätzt, ja offen verachtet wurden – Cicero nannte das Pack aus der untersten Plebs geradezu synonymisch „sutores“ –, hat vielleicht psychologische Gründe: Schickte ein freier Mann sein Weib zum Schuster (welcher das Weib dann begutachten durfte an delikatester Stelle), so war’s besser, wenn er den tatschenden Maßnehmer als erotischen Konkurrenten entschärfte und ihn ausgab als einen Tölpel von unbedarft-niederem Rang.

Immerhin gab’s einen griechischen Maler, dem kam der Leder- und Leistenverstand des Schuhspezialisten gerade recht. Berühmt für seine täuschend naturgetreue Darstellungskunst (welcher sogar die Vögel zum Opfer gefallen sein sollen, als sie sich flügelschlagend über die Bilder herstürzten, um daraus Trauben zu picken), hörte der Maler durchaus auf das detaillierte Urteil eines Kenners – zwar minder der Kunst, aber jedenfalls der Materie. Kurzum, soeben malte er an einem Bild mit Schuhen, da kam ein Schuster des Wegs, sah näher hin und mäkelte, dass an dem einen Schuh noch eine Öse fehle. Der Maler dankte höflichst, und schon am andern Tag hatte er den Fehler korrigiert, sehr zur Genugtuung des Schusters; der nun aber, neuerdings vorbeikommend, nochmals und neuerdings näher hinsah – und wieder fand der brave Schuster hie, da, dort Bekrittelswertes, bis sich der Maler gereizt jeden weiteren Einspruch verbat. Die Abfuhr, die er dem Schuster erteilte, ist uns als Redensart erhalten geblieben. Von seinen Bildern kennen wir kein einziges, auch nicht das Bild mit den Schuhen.