Das Projekt „Klik“ soll Bürger im Rems-Murr-Kreis für den Klimaschutz begeistern. Ein Jahr lang beteiligen sich 110 Haushalte an zehn Orten an dem Experiment, das auf eine Idee der Energieagentur und des Solarvereins Rems-Murr zurückgeht.

Weissach - Ein Singlehaushalt, ein Ehepaar und eine fünfköpfige Familie – eine bunt zusammengewürfelte Hausgemeinschaft wie aus dem Bilderbuch. So unterschiedlich die Bewohner der Uhlandstraße 10 in Unterweissach und ihr Lebensalltag sein mögen, so haben sie doch etwas gemeinsam: Bei allen hat es „Klik“ gemacht. Soll heißen: sie machen mit beim Projekt „Klimafreundlich-konkret im Alltag CO2 einsparen“ und wollen selbst etwas zum Klimaschutz beitragen. Die Idee stammt von der Energieagentur und dem Solarverein Rems-Murr (siehe dazu „Ein Jahr, zehn Orte, 110 Haushalte“). Zwölf Monate lang lassen sich die Bewohner der Uhlandstraße in Sachen Umweltschutz beraten – die Stuttgarter Zeitung berichtet regelmäßig über das Klimaexperiment.

 

Tina Unold hat die Sache angezettelt

Tina Unold wohnt ganz oben, im Dachgeschoss. Sie hat die Sache angezettelt. Hat ihren Nachbarn bei Begegnungen im Treppenhaus von Klik erzählt. Hat gefragt: „Wie wär’s – macht ihr mit?“ Vor vielen Jahren war die 51-jährige Einzelhandelskauffrau mit von der Partie, als engagierte Menschen den Solarverein Rems-Murr gründeten, heute arbeitet sie in

einer Firma, die das Energiemanagement für einige Liegenschaften der Stadt Backnang übernommen hat. „Das Thema Klimaschutz ist mir grundsätzlich also nicht fremd“, sagt Tina Unold und erzählt ein bisschen aus ihrem Berufsalltag – wie sie zu Beginn der Schulferien durch die Klassenzimmer geht und die Heizung runterdreht. Wie sie die Hausmeister bittet, während der Sommerferien doch die Kühlschränke auszustecken. Es mag profan klingen, doch mit solch simplen Methoden lasse sich unglaublich viel Energie einsparen, sagt Tina Unold.

Als sie vom Klik-Projekt hörte, war sie sofort begeistert: „Jeder denkt ,Ich allein bewirke ja nichts’, aber so ist es eben nicht. Wenn jeder ein kleines bisschen beiträgt, dann ist schon viel erreicht.“ So hat sie also ihre Hausmitbewohner überzeugt und trotz aller Erfahrung selbst schon einiges dazugelernt. Die bislang größte Überraschung? „Dass Waschmaschinen und Trockner Strom fressen, obwohl sie nicht in Betrieb sind.“ Zu Tage gebracht hat das ein Messgerät, welches die Teilnehmer vier Wochen lang kostenfrei nutzen durften. „Seitdem stecken wir brav unsere Waschmaschinen im Keller aus“, sagt Tina Unold und lacht.

Das Kabel ihres Toasters zieht sie mittlerweile auch aus der Steckdose: „Der hat nämlich ein Display und verbraucht auch ständig Strom.“ Als einen weiteren heimlichen Stromfresser hat Tina Unold ihre Heizpumpe entlarvt: „Die war auf Stufe 3 eingestellt, tatsächlich braucht es aber nur Stufe 1. Das werde ich in Zukunft sicher an der Rechnung merken.“ Das gesparte Geld will Tina Unold beiseite legen und später in energieeffiziente Haushaltsgeräte investieren. Besonders gespannt ist sie schon auf das Thema Ernährung, das bei Klik ebenfalls beleuchtet wird: „Ich freu mich auf die Tipps, wie man umweltfreundlich einkauft.“

Brigitte und Herbert Oesterle: überraschende Erkenntnis

Die Hausbesitzer Herbert und Brigitte Oesterle Foto: Stoppel
„Lieber nicht“, das war der erste Gedanke, der Brigitte Oesterle durch den Kopf geschossen ist, als Tina Unold sie für das Klimaschutzprojekt anwerben wollte. „Ich hatte Angst, dass da viele Termine und viel Schreibkram auf mich zukommen“, sagt die 57-jährige Tagesmutter. Sie und ihr Mann Herbert haben sich die Sache deshalb erst mal durch den Kopf gehen lassen – und dann doch ja gesagt. Sie haben es nicht bereut. „Es ist gar nicht so viel Aufwand“, hat Herbert Oesterle festgestellt: „Unsere CO2-Bilanz konnte ich ganz einfach am Computer erstellen.“ Verblüfft sei er über das Ergebnis schon gewesen, gibt der 57-jährige Unterweissacher zu: „Ich fand es erstaunlich, dass Tiere so viel zum CO2-Ausstoß beitragen.“ Dass bei den Oesterles regelmäßig Fleisch und Wurst auf den Tisch kommen, das sei, sagt der Metzger Herbert Oesterle, „bei unserer Bilanz ins Gewicht gefallen“. Aber: „Wir haben das damit ausgeglichen, dass wir noch nie in den Urlaub geflogen sind.“

Gerade im Bereich Ernährung ließe sich noch viel für den Klimaschutz tun – davon ist Herbert Oesterle überzeugt: „Wir achten jetzt zum Beispiel viel mehr auf Saisonware.“

Die größte Überraschung sei bislang für sie gewesen, wie viel Energie zum Heizen verwendet werde, erzählt Brigitte Oesterle: „Da habe ich sehr daneben gelegen. Ich hatte getippt, dass das Heizen 35 Prozent ausmacht, tatsächlich sind es aber 60 Prozent.“

Insofern war es eine weise Entscheidung, dass die Oesterles ihr Haus, das Herbert Oesterles Eltern 1956 gebaut haben, in den vergangenen Jahren gedämmt und mit einer neuen Heizung ausgestattet haben. „Das hat schon viel gebracht, mal sehen, was wir noch rauskitzeln können.“ Falls sich das Klik-Projekt in barer Münze auszahlt, weiß das Ehepaar schon, wohin das Geld fließt: „Das Gesparte verwenden wir, um Schulden abzuzahlen.“

Es geht nicht nur um den Geldbeutel

Die Familie Holst findet, Klimaschutz ist auch eine Frage der Moral. Von links: Thilo, Manuela, Janosch und Jeremy. Foto: Stoppel
„Ich wusste, dass da was im Busch ist“, sagt Manuela Holst, lacht, und schaut hinüber zu Tina Unold. „Als ich von dem Projekt gehört habe, hab’ ich zuerst gedacht ,Nö, ich hab’ auch so genug um die Ohren’.“ Aber dann kam die 43-jährige dreifache Mutter ins Grübeln. Es gehe beim Klimaschutz ja nicht nur um den Geldbeutel, sagt sie: „Das ist auch eine moralische Frage, wie man mit der Umwelt, der Schöpfung umgeht.“

Also hat sie zugesagt – und ihre Familie gleich mit verpflichtet. Ehemann Thilo, die 19 und 17 Jahre alten Söhne Janosch und Jeremy und die Jüngste, die elfjährige Tochter Jemima, müssen jetzt die Heizung runterdrehen, wenn sie Lüften. „Ich hätte gedacht, dass die Beleuchtung mehr ausmacht und das Heizen weniger“, sagt Manuela Holst: „Was mir bislang aber überhaupt nicht bewusst war, das ist der große Einfluss, den Haustiere auf die CO2-Bilanz haben. Das Aquarium braucht unheimlich viel Strom, das Terrarium noch mehr.“ Letzteres haben die Holsts inzwischen still gelegt – die Bewohnerin, eine Bartagame, hat das Zeitliche gesegnet. Von nun an also nur noch Haustiere mit Fell? Manuela Holst lacht. Tatsächlich ist mittlerweile eine Katze eingezogen: „Aber selbst für die muss man tagsüber heizen, ich kann sie ja nicht nur in einem Zimmer einsperren.“ Wie Klimaschutz und Kleidung zusammenhängen, interessiert Manuela Holst besonders. Und das Thema Konsum: „Man belastet sich ja zu sehr mit Dingen, die man nicht braucht.“

Ein Jahr, zehn Orte, 110 Haushalte

Projekt
Klik – die Abkürzung steht für „Klimafreundlich-konkret im Alltag CO2 einsparen“. Das Projekt geht auf eine Initiative der Energieagentur Rems-Murr und des Solarvereins Rems-Murr zurück und hat den Hintergrund, dass ein Drittel des gesamten CO2-Ausstoßes von privaten Haushalten verursacht wird. Jeder Einzelne hat also durchaus Möglichkeiten, etwas für den Schutz der Umwelt zu tun. An dem Projekt nehmen 110 Haushalte in zehn Orten im Landkreis ein Jahr lang teil.

Teilnehmer
Insgesamt 110 Privathaushalte beteiligen sich an dem Klima-Experiment – Singles und Familien, Rentner und Berufstätige. Ein Jahr lang treffen sich die Teilnehmer einmal im Monat in kleinen Gruppen vor Ort. Zum Projektstart hat jeder Haushalt seine CO2-Bilanz berechnet und sich eigene Ziele gesteckt, die er in Sachen Klimaschutz erreichen möchte. Welche Veränderungen umsetzbar sind, erproben die Klik-Leute im Verlauf eines Jahres.