Vor zehn Jahren ist in Mannheim begonnen worden, ein neues Großkraftwerk zu planen. Jetzt ist es fertig – und den Betreibern ist nicht richtig zum Feiern zumute. Es bleibt ungewiss, ob sich die Investition rechnen wird.

Mannheim - 120 Meter hoch ist das Maschinenhaus, 180 Meter ragt daneben der Schornstein in die Höhe. Mit dem neuen Block 9 setzt das schon zuvor weithin unübersehbare Großkraftwerk Mannheim (GKM) am Rhein südlich der Kurpfalzmetropole rein optisch, aber auch technisch noch einmal neue Maßstäbe. 1,3 Milliarden Euro hat der hochmoderne und effiziente Steinkohle-Block gekostet. Mit ihm ist das GKM zum größten Kraftwerkstandort in Baden-Württemberg geworden. 13 Prozent der im Land verbrauchten Strommenge werden hier produziert, zudem liefert der neue Block Fernwärme für etwa 120 000 Haushalte in der Region.

 

Nach zahlreichen Tests und einem längeren Probelauf ist die riesige Anlage bereits im Mai in aller Stille in Betrieb gegangen. „Seither läuft sie tipp-topp – jeden Tag, sie erfüllt die ganzen Erwartungen“, sagt Karl-Heinz Czychon, der Technik-Vorstand des GKM. Demnächst, am 22. September, soll die Inbetriebnahme auch offiziell gefeiert werden. Franz Untersteller, (Grüne), in Stuttgart Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft ist als prominentester Gast geladen – sein Grußwort wird mit besonderer Spannung erwartet.

Kaum Feierlaune

Denn so richtig zum Feiern ist kaum jemand in der Branche zumute. Es sind schwierige Zeiten für die traditionellen Energieversorger; angesichts von Strom aus Wind und Sonne haben die vier größten Unternehmen deutschlandweit mehr als 50 ihrer alten konventionellen Werke zur Stilllegung angemeldet. In Bayern ist ein nagelneues Gaswerk gleich gar nicht in Betrieb gegangen, weil es nicht kostendeckend arbeiten würde. Da lässt es aufhorchen, wenn ein neues Steinkohlewerk an den Start geht, das zu den größten der Republik gehört.

Als die Planungen für den neuen Block vor zehn Jahren in Angriff genommen wurden, wollten viele Fachleute nicht glauben, dass es mit der Wende auf dem Energiesektor, mit dem Ausstieg aus der Kernkraft und dem massiven Ausbau erneuerbaren Energieerzeugung, so rasch vorangehen würde, wie dies inzwischen der Fall ist. „Ich glaube, das hat damals keiner so abgesehen“, meint GKM-Chef Czychon. In Mannheim ging es vor zehn Jahren vor allem darum, zwei baulich und technisch veraltete Blöcke – die Nummern drei und vier aus den 1960-er und 1970-er Jahren – zu ersetzten. Trotz der Kritik von Grünen, Umweltverbänden und einer Ärzteinitiative setzte man im GKM dabei aus Gründen der Versorgungssicherheit eindeutig auf Steinkohle. „Sie ist seit der Ölkrise, die günstigste Variante, sie kann weltweit bezogen werden, keiner kann uns den Hahn einfach abdrehen und man kann sie hier vor Ort lagern – das ist vor allem in kalten Wintern wichtig“, erklärt Markus Binder, der Kaufmann im Vorstand des GKM.

Vor Gericht gescheitert

Die Stadt Mannheim und die Metropoloregion Rhein-Neckar unterstützten das Vorhaben mit großen Mehrheiten ihrer Gremien. Eine Initiative („Nein zu Block 9“) scheiterte im August 2008 mit einem Bürgerbegehren gegen den Bebauungsplan, später hat der Verwaltungsgerichtshof auch eine Klage des BUND gegen das Projekt abgewiesen. Im April 2009 erteilte das Regierungspräsidium Karlsruhe die Erlaubnis für erste Maßnahmen zur Vorbereitung des Baus, im Juli desselben Jahres kam dann die Genehmigung. Im Juli 2010 wurde der Grundstein gelegt. „Neben dem intensiven Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen wir für eine Übergangszeit auch fossile Kraftwerke und Kernkraftwerke“, sagte die damalige Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) seinerzeit.

Sechs Jahre wurde anschließend gebaut, in Spitzenzeiten waren auf der Baustelle mehr als 2300 Arbeiter gleichzeitig im Einsatz. 60 000 Tonnen Stahl wurden verbaut – soviel wie für sechs Eiffeltürme. Schwere Unfälle hat es glücklicherweise nicht gegeben. Die größten Probleme verursachte fehlerhafter Stahl aus Portugal, der nach dem Einbau alsbald wieder ausgebaut werden musste und die Fertigstellung der Anlage um anderthalb Jahre verzögerte. Ob man diese auch heute noch bauen würde? „Derzeit wäre das sicher schwierig“, meint Czychon, „aber damals war es die richtige Entscheidung“. Er ist, ebenso wie sein Kollege Binder, überzeugt, dass der neue Block auch weiterhin für die Versorgungssicherheit unverzichtbar ist: „Die ist auch in Zukunft gefährdet. Angesichts schwankenden Leistungen von Wind und Sonne, angesichts nicht vorhandener Speicher erwarten wir ab 2023 eine Kapazitätslücke von 10 000 bis 18 000 Megawatt in Süddeutschland“, sagt er. „Daher sind wir froh, dass wir den neuen Block 9 haben.“

Mit hoher Effizienz

Auch Georg Müller, der Vorstandsvorsitzende der MVV, die neben den RWE und der ENBW zu den drei Eigentümern der GKM gehört, steht zu dem Vorhaben. Mit seinem neuen Block gehöre das Großkraftwerk zu den höchsteffizienten und modernsten konventionellen Kraftwerken in ganz Europa, erklärte er bei der jüngsten Hauptversammlung seines Unternehmens. Für die Region sei es dank der Kraft-Wärmekopplung es eine wichtige Quelle für die umweltfreundliche Fernwärme. Darüber hinaus bleibe das konventionelle Großkraftwerk am Neckar, trotz des Ausbaus erneuerbaren Energien bis auf weiteres „ein unverzichtbarer Eckpfeiler der Energieversorgung im Südwesten Deutschlands“, sagte Müller.