Die Welt blickt diesen Sommer nach Kapstadt. Vor vier Jahren richteten sich die Kameras auch auf Stuttgart.

Stuttgart - Eine Stadt hat sich fünf Wochen lang an sich selbst berauscht: Selten zuvor ist Stuttgart auf einer solchen Wolke der Leichtigkeit geschwebt wie während des Sommernachtstraums der WM 2006. Der Schlossplatz verwandelte sich in eine Arena der großen Gefühle - rund anderthalb Millionen Fans feierten hier, während alle Spiele auf Großleinwänden übertragen wurden.

Die große Party begann für Stuttgart mit dem ersten WM-Spiel im damaligen Gottlieb-Daimler-Stadion: Frankreich traf auf die Schweiz, doch die Partie geriet angesichts des ersten Fanansturms in der Stadt zur Nebensache: Rund 30.000 Schweizer und 20.000 Franzosen strömten am 13.Juni nach Stuttgart, in den frühen Morgenstunden rollten Sonderzüge los, die Stunden vor dem Spielbeginn am Stuttgarter Hauptbahnhof ankamen. Hunderte von Anhängern der "Schweizer Nati" veranstalten anschließend auf der Königstraße Kuhglocken läutend ihren Almabtrieb.

Die Holländer waren überall


Dieser Auftakt gab fortan in Stuttgart die Richtung vor - die Fans feierten fröhlich und friedlich, der Schlossplatz wurde vor allem während der Spiele der deutschen Mannschaft zu einem Hexenkessel, der Menschen aus der ganzen Region anzog. Die Theodor-Heuss-Straße verwandelte sich nach jedem weiteren Sieg von Klinsmanns-Elf in ein Motodrom der guten Laune. Der Autokorso gehörte zur WM 2006 wie die Hits von Herbert Grönemeyer und der Sportfreunde Stiller.

Und wie das blau-weiße Kaiserwetter. Die WM war ein einziges Hochdruckgebiet. Dazu gehörte in Stuttgart der unvergessliche Auftritt der holländischen Fans, die zum Spiel ihrer Mannschaft gegen die Elfenbeinküste nach Stuttgart anreisten. Einen Tag und eine Nacht lange war Orange die Modefarbe. Die 40.000 Holländer waren überall: Sie tanzten im Brunnen auf dem Schlossplatz, sie liefen durch die Anlagen zum Stadion. Stuttgart gehörte an diesem Tag zu den Niederlanden, der Schlachtruf lautete: "Stuttgart is van ons!"

Randale blieben Randnotiz


Das dachten sich auch die englischen Fans, die zum Achtelfinale ihrer Mannschaft nach Stuttgart anreisten. Doch am Ende blieben von diesem Spiel die einzigen negativen Eindrücke der WM in Erinnerung: Nach gegenseitigen Provokationen zwischen englischen und deutschen Fans rückte die Polizei am Königsbau zu einem Großeinsatz aus. Am Ende führten die Beamten 650 englische Fans ab - etliche von ihnen wurden wegen Körperverletzung und Beamtenbeleidigung angeklagt.

Die Randale blieb nach fünf Wochen letztlich nur eine Randnotiz. Klinsmanns Boygroup bescherte der Stadt beim Spiel um Platz drei ein großes Finale. Es endete mit dem 3:1-Sieg gegen Portugal und der anschließenden Rückfahrt im Bus zum Hotel Graf Zeppelin. 20.000 Fans empfingen Poldi, Schweini & Co. Die hatten bei der WM zwar nicht den Titel gewonnen, aber viele Sympathien. Genau wie Stuttgart, das weltweit Schlagzeilen machte.