Das Theater Rampe wird 30 Jahre alt. Die Intendantinnen wollen künftig einiges anders machen. Neben verschiedenen Kooperationen mit anderen Kultureinrichtungen wollen sie mit dem Theater verstärkt in die Stadt gehen oder die Diskurse der Stadt auf die Bühne holen.

S-Süd - Derzeit herrscht in dem Theater im alten Zahnradbahnhof in der Filderstraße 47 der Ausnahmezustand. Die Rampe ist zur „Herberge für alle“ umfunktioniert. Drei Wochen lang wird Gregor Gogs Vagabundenkongress aus dem Jahr 1929 in der Rampe wiederbelebt. Internationale Kunstaktivisten, Theoretiker und lokale Initiativen versammeln sich seit Anfang Juni dort und wagen das Experiment „Theater im Ausnahmezustand – Theater im Generalstreik“. Künstler aus aller Welt übertragen ihre Arbeiten und Aktionen auf Stuttgart und sind dabei nicht nur auf der Bühne oder im Theater anzutreffen, sondern auch an anderen Orten in der Stadt. „Es ist wahnsinnig viel los, aber alles ist viel offener als im sonstigen Theateralltag“, sagt Martina Grohmann, ein Teil des Intendantinnen-Duos der Rampe.

 

Seit fast einem Jahr sind Grohmann und ihre Kollegin Marie Bues im Amt – Zeit, um einen Blick zurück, aber vor allem nach vorn zu werfen. Viel haben sie ausprobiert, auch der Vagabundenkongress ist ein Teil der Experimentierphase. Nun planen Bues und Grohmann, den Bogen zurück zu den Anfangszeiten der Rampe zu schlagen. 1984 hatten Alexander Seer und Regula Gerber die Rampe als freies Theater der Stadt Stuttgart gegründet, eingebettet in ein studentisches Umfeld. „Das war eine wilde Truppe, die vagabundierend durch die Stadt gezogen ist“, erzählt Marie Bues.

Vom klassischen Autorentheater zur Performance

Während unter der vorherigen Intendantin Eva Hosemann die Rampe zum klassischen Autorentheater geworden ist, wollen Hosemanns Nachfolgerinnen sich auch in andere Richtungen orientieren. „Wir wollen uns stärker einem Performance-Feld öffnen“, sagt Grohmann. Anknüpfend an den Begriff des Autorentheaters wolle man diesen hinterfragen, erweitern und partizipative Modelle integrieren.

Während die beiden zunächst Beziehungen geknüpft, Kooperationen angefangen und Themen erschlossen haben, wollen sie in den nächsten Jahren nun die Weiterentwicklungen umsetzen, kündigen Bues und Grohmann an. Mit der Akademie für Darstellende Künste Ludwigsburg sei man im Gespräch für einen gemeinsamen Kongress. Um Nachwuchs in der freien Szene zu finden, hält Bues die Zusammenarbeit mit der Akademie für wichtig. „Viele ziehen sonst, sobald sie fertig studiert haben, nach Berlin“, sagt sie.

Im nächsten Jahr richtet die Rampe den Tanz- und Theaterpreis der Stadt Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg aus. Bisher war dies Aufgabe des Theaterhauses. Unter dem Motto „Sechs Tage frei“ wollen Bues und Grohmann zwar die Tradition des Preises fortführen, haben aber dennoch auch in diesem Fall das Konzept überarbeitet.

Wem gehört eigentlich die Welt?

Gestartet sind die beiden Intendantinnen im vergangenen Herbst mit dem Slogan „Wem gehört die Welt“ und der Auseinandersetzung darüber, wie die Gesellschaft strukturiert ist. In nächster Zeit wollen sich die Intendantinnen vermehrt mit Themen wie Technologie, Digitale Medien und Maschinen beschäftigen. „Das Theater muss sich damit ästhetisch auseinandersetzen“, meint Bues.

Oberste Priorität hat für beide, Theater nicht nur in der Rampe, also im alten Zahnradbahnhof zu machen. „Wir versuchen, in die Stadt zu gehen, aber auch Diskurse der Stadt bei uns aufzuführen“, kündigt Bues an. Ein Beispiel sei das Stück „Städtebau“ der österreichischen Autorin Anna Gschnitzer, da dies ein Thema sei, das in Stuttgart immer für Diskussionen sorge.

Darüber, wie sie das 30-jährige Bestehen der Rampe feiern wollen, hatten sie bisher nicht nachgedacht. „Ach, da machen wir an Silvester etwas“, entscheidet Grohmann spontan. Bues nickt.

Überregional bekannt

Geschichte
Regula Gerber und Alexander Seer gründeten im Jahr 1984 die Rampe als freies Theater der Stadt Stuttgart. Innerhalb von sechs Jahren versammelten sie ein festes Ensemble von 20 Mitgliedern um sich, das mit seinen Aufführungen bereits damals die Rampe in der überregionalen und regionalen Theaterlandschaft bekannt machte.

Zahnraddepot
Im Jahr 1988 musste die Rampe wegen Eigenbedarfs ihr damaliges Theater räumen. Mit Hilfe des Kulturamtes wurde ein neues Domizil gefunden – in dem alten Zahnradbahnhof in der Filderstraße. Seit 1992 ist die Rampe dort untergebracht und hat sich seitdem als ein avantgardistisches und zeitgenössische Ästhetik förderndes Produktions- und Koproduktionshaus etabliert. Von 1998 bis 2013 hat die Intendantin Eva Hosemann das Haus zu einem Autorentheater der Gegenwartsdramatik ausgerichtet.