Informatiker der Universität Ulm haben verfolgt, was ihre freiwilligen Versuchspersonen auf WhatsApp machen. Herausgekommen sind detaillierte Protokolle der persönlichen Gewohnheiten. Die Forscher weisen auf sicherere Alternativen hin.

Stuttgart - Geheimdienste und Internetgrößen wie Google versuchen mit gigantischen Computeranlagen möglichst viel über das Leben und die Vorlieben von Internetnutzern herauszufinden. Aber es geht auch viel leichter. Informatiker der Universität Ulm führen vor, dass einfache Mittel genügen, der Kommunikationsplattform WhatsApp mehr Informationen über die Teilnehmer zu entlocken, als diese ahnen und ihnen lieb sein kann – und zwar ohne dass die Ausgeforschten dazu mehr als ihre mobile Telefonnummer herausgeben müssen. Die Nummer genügt, und Eltern, Lehrer, Arbeitgeber oder eifersüchtige Freundinnen oder Freunde können herausfinden, zu welchen Zeiten WhatsApp genutzt wurde.

 

Von einem „Designfehler in WhatsApp“ spricht Bastian Könings, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medieninformatik und Mitglied der Forschergruppe um den Informatikprofessor Frank Kargl und Andreas Buchenscheit, Inhaber der aus der Uni hervorgegangenen Firma Cortex Media. Doch ähnliche Apps für die mobile Kommunikation brächten vergleichbare Risiken für die Privatsphäre mit sich, schreiben die Forscher in ihrer Veröffentlichung, die sie im November auf einer Tagung in Melbourne vorstellen wollen.

Zur mobilen Kommunikation gehört meist, dass angezeigt wird, ob potenzielle Gesprächspartner gerade online sind oder wann sie zuletzt online waren. WhatsApp erlaubt, den Status „zuletzt online“ abzuschalten, nicht aber die Anzeige des aktuellen Online-Status. Da WhatsApp-Teilnehmer im Wesentlichen über ihre Mobilnummer identifiziert werden, kann jeder, der diese Nummer kennt, nachsehen, ob der Teilnehmer zum Beispiel im Unterricht oder während der Arbeitszeit verbotenerweise online ist.

Mancher WhatsApp-Nutzer war schockiert

Die Ulmer Forscher sind weitergegangen: Sie haben ein Zugangsprogramm für WhatsApp geschrieben, mit dem sie Statusänderungen bei mehreren Teilnehmern mitschreiben konnten. Mit einer Gruppe von 19 Freiwilligen haben sie es vier Wochen lang ausprobiert. Allein die Flut von Wechseln zwischen „online“ und „offline“ genügte ihnen, um herauszufinden, wann die Probanden morgens aufstanden und abends schlafen gingen, wann sie Sport trieben oder anderes taten, das zu Kommunikationspausen führte, und generell, welchem Muster ihr Tagesablauf gehorchte und ob sie an einzelnen Tagen davon abwichen.

Da alle Teilnehmer WhatsApp intensiv nutzten, konnten die Forscher in einigen Fällen sogar statistisch ermitteln, dass gerade zwei der Teilnehmer länger miteinander chatteten. Spricht da ein Angestellter mit einem Konkurrenten? Ein Freund mit einer anderen Frau? Solches herauszufinden wäre möglich gewesen. In Interviews bestätigten anschließend die Teilnehmer, was die Forscher über sie, ihren Tagesablauf und ihre Kommunikationsmuster herausgefunden hatten. Die meisten seien „überrascht oder sogar schockiert“ gewesen über dem Umfang der Erkenntnisse, berichten die Wissenschaftler – obwohl fast alle von den Statusinformationen wussten.

Chatprogramme werden mobil genutzt, und meist intensiv. Das macht solche Auswertungen besonders ergiebig und zu einem spezifischen Risiko dieser Technik. Die Wissenschaftler empfehlen deshalb, dass Präsenzinformationen nur den eigenen Kontakten gegenüber sichtbar sein dürften und dass sie abschaltbar sein sollten. Als Sofortmaßnahme zum Selbstschutz empfehlen sie, WhatsApp über eine App eines Fremdherstellers zu nutzen. Das hindere WhatsApp daran, den Online-Status zu aktualisieren.

Während ihrer Untersuchungen haben die Ulmer Wissenschaftler versucht, mit WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Ihre Mails blieben unbeantwortet.