Das aber ist noch gar nichts gegen die surrealen Entwicklungen und Wendungen, für die Lynch sich viel Zeit lässt, und für die Enthüllung von Unglück, Heuchelei, Dekadenz, Krankheit, Gewalt und Gesetzlosigkeit hinter all den Glücksfassaden im Ort.

 

Aber auch wenn Lynch und Frost eben nicht einen Fall pro Folge abhandeln, auch wenn die Suche nach Laura Palmers Mörder noch nicht einmal mit Ende der ersten Staffel abgeschlossen ist – die Freiheiten der heutigen episch erzählten Serien wie „Breaking Bad“ kann oder will sich Lynch noch nicht erlauben. Er schlüpft vielmehr hinein in die Klischees der TV-Krimis von damals und löst sie von innen her auf.

Weil er immer mal wieder tief gestaffelte Bilder wagt, fallen die engen Figurenaufstellungen in Dialogszenen mehr auf: als wolle Lynch uns das Zwanghafte der arrangierten Familien- und Arbeitszusammenhänge vor Augen führen. Die Klamotten der Figuren wirken oft wie frisch vom Kleiderbügel der Boutique, die Frisuren elaboriert: Lynch beugt sich nicht der Konvention, er betont das Marionettenhafte, Aufgeputzte, Falsche der gewohnten TV-Bürger.

Das Kaputte der Wirklichkeit

Nicht, dass „Twin Peaks“ damals die einzige Serie mit Hirnschmalz in einem Meer der Blödheit gewesen wäre. Aber man sollte sich erinnern: „Dallas“ von 1978 hatte mit seiner schematisierten, billigen Bildsprache Entsetzensschreie von Kritikern hervorgerufen. Von nun an, hieß es, werde es endgültig abwärts gehen, das Fernsehen immer dürftiger, hohler, betäubender werden, der Einfluss südamerikanischer Telenovelas weder endgültig zu einem abstumpfenden Erzählbrei führen.

Lynch macht aus Brei wieder Sprengstoff. Es ist auch die Serienfließbandarbeit der billigen Krisen und Hysterien auf Knopfdruck, die er für „Twin Peaks“ nutzt. Er überdreht an der einen Stelle, tritt an einer anderen zurück und weitet den Blick. So sucht er nach dem Kaputten der Wirklichkeit, das sich in kaputten Serien bemerkbar macht. In „Twin Peaks“ darf es sich immer fantastischer auf der Zentralbühne der Erzählung spreizen. Wenn man sich das noch einmal anschaut, ist man um so gespannter, wie Lynch wohl die dritte Staffel, an der er nun endlich in einer ganz anderen TV-Ära arbeitet, anlegen wird.

Damit wäre nach neunzig oder fünfundvierzig Minuten klar, dass es sich in diesem Gemeinwesen gut, sicher und richtig leben lässt, dass so ein Verbrechen die schreckliche Ausnahme bleibt. In der nächsten Folge der Serie hätte die Ortspolizei, liefe alles nach Schema X, erneut so einen Fall aufzuklären, der wieder als Ausnahme dastünde. Und egal, wie lange diese Serie liefe, es würde keinerlei Verbindung zwischen den Störungen der Idylle hergestellt.

Spuren von Leid und Gewalt

Ein paar Absonderlichkeiten jedoch streut Lynch früh ein. Mal filmt er eine Treppe, die Lauras besorgte Mutter herabläuft, als sie morgens deren Jugendzimmer leer vorfindet, von schräg unten und in fieser Beleuchtung, mal lässt er eine Figur in Kleinigkeiten ganz anders agieren, als wir das von Serienhelden gewohnt sind. Der Deputy Andy Brennan (Harry Goaz) etwa bricht in Tränen aus, als er mit Sheriff Harry S. Truman (Michael Ontkean) zusammen am Fundport Lauras Leiche inspiziert. Wir bekommen rasch mit, dass ihm das regelmäßig so geht, wenn er mit den Spuren von Leid und Gewalt konfrontiert wird.

Schon in der Pilotfolge fällt der FBI-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) als seltsamer Vogel auf, als smarter Kombinierer und blitzgescheiter Beobachter, der zugleich verschroben jungenhafte Züge trägt. Über Kleinigkeiten des Provinzlebens ist er mehr als freudig aufgeregt, über den Geschmack von Kaffee kann er plappern, als schnattere er unter der Wirkung ganz anderer Aufputschmittel einen Werbespot nach.

Hinter den Glücksfassaden

Das aber ist noch gar nichts gegen die surrealen Entwicklungen und Wendungen, für die Lynch sich viel Zeit lässt, und für die Enthüllung von Unglück, Heuchelei, Dekadenz, Krankheit, Gewalt und Gesetzlosigkeit hinter all den Glücksfassaden im Ort.

Aber auch wenn Lynch und Frost eben nicht einen Fall pro Folge abhandeln, auch wenn die Suche nach Laura Palmers Mörder noch nicht einmal mit Ende der ersten Staffel abgeschlossen ist – die Freiheiten der heutigen episch erzählten Serien wie „Breaking Bad“ kann oder will sich Lynch noch nicht erlauben. Er schlüpft vielmehr hinein in die Klischees der TV-Krimis von damals und löst sie von innen her auf.

Weil er immer mal wieder tief gestaffelte Bilder wagt, fallen die engen Figurenaufstellungen in Dialogszenen mehr auf: als wolle Lynch uns das Zwanghafte der arrangierten Familien- und Arbeitszusammenhänge vor Augen führen. Die Klamotten der Figuren wirken oft wie frisch vom Kleiderbügel der Boutique, die Frisuren elaboriert: Lynch beugt sich nicht der Konvention, er betont das Marionettenhafte, Aufgeputzte, Falsche der gewohnten TV-Bürger.

Das Kaputte der Wirklichkeit

Nicht, dass „Twin Peaks“ damals die einzige Serie mit Hirnschmalz in einem Meer der Blödheit gewesen wäre. Aber man sollte sich erinnern: „Dallas“ von 1978 hatte mit seiner schematisierten, billigen Bildsprache Entsetzensschreie von Kritikern hervorgerufen. Von nun an, hieß es, werde es endgültig abwärts gehen, das Fernsehen immer dürftiger, hohler, betäubender werden, der Einfluss südamerikanischer Telenovelas weder endgültig zu einem abstumpfenden Erzählbrei führen.

Lynch macht aus Brei wieder Sprengstoff. Es ist auch die Serienfließbandarbeit der billigen Krisen und Hysterien auf Knopfdruck, die er für „Twin Peaks“ nutzt. Er überdreht an der einen Stelle, tritt an einer anderen zurück und weitet den Blick. So sucht er nach dem Kaputten der Wirklichkeit, das sich in kaputten Serien bemerkbar macht. In „Twin Peaks“ darf es sich immer fantastischer auf der Zentralbühne der Erzählung spreizen. Wenn man sich das noch einmal anschaut, ist man um so gespannter, wie Lynch wohl die dritte Staffel, an der er nun endlich in einer ganz anderen TV-Ära arbeitet, anlegen wird.