Kinder, deren Eltern auf Hartz IV angewiesen sind, müssen manchmal auf das Schullandheim verzichten, erklärt das Ludwigsburger Landratsamt.

Stuttgart - Um Diskriminierungen auszuschließen, sagen wir einfach: es geht um die (nicht existierende) Klasse 10c am Schlossgymnasium in Freudental. Die Lehrer planten einen achttägigen Ausflug nach Oberammergau. Weil zwei Kinder aus Familien stammen, die auf Hartz IV angewiesen sind, stellten die Eltern einen Förderantrag bei der dafür zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) von Arbeitsagentur und Landkreis in Ludwigsburg. Die Behörde möge - gemäß dem Sozialgesetzbuch - die 220 Euro für den Ausflug übernehmen. "Abgelehnt", hieß es. Weil nicht alle Schüler an dem Ausflug teilnehmen würden, bestehe keine Verpflichtung dazu.

Ans Licht gebracht - wenngleich in anonymisierter Form - wurde der Fall vom Bissinger SPD-Kreisrat Thomas Reusch-Frey. "Für die betroffenen Schüler ist das ein Problem", sagte er jüngst im Sozialausschuss des Kreistags. Diese Handhabung widerspreche dem Sozialgesetzbuch, "das eine Diskriminierung von Hilfeempfängern ausdrücklich verhindern will". Die Kreisverwaltung reagierte prompt. Alexander Haberer, stellvertretender Arge-Chef, eilte zum Sozialdezernenten Ferdinand Lautenbacher. Nach kurzer Rücksprache erklärte dieser, die Ablehnung gehe auf eine "Anweisung der Bundesagentur" in Nürnberg zurück. Wenn nicht alle Schüler verbindlich teilnähmen, "dann muss die Förderung abgelehnt werden", so Lautenbacher.

Nach dem Gesetz sollen die Kinder an Ausflügen teilnehmen


Thomas Reusch-Frey findet die Antwort "ein bisschen enttäuschend". Es sei "leicht zu sagen, das kommt aus Nürnberg". Wenn einzelne Schüler aus privaten Gründen nicht mitfahren könnten, dann dürfe man nicht auch den Kindern von Hartz-IV-Beziehern automatisch die Teilnahme verweigern. Bei der Nürnberger Zentrale der Arbeitsagentur kann man über die Erklärung der Ludwigsburger Kreisverwaltung nur den Kopf schütteln. Die Erstattung von "mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" sei im betreffenden Sozialgesetzbuch II explizit vorgesehen. Allerdings sei die Umsetzung Angelegenheit der jeweiligen Kreise, so ein Sprecher.

Auch Nadja Sommer von der Ludwigsburger Arbeitsagentur weist den Vorwurf, ihre Behörde sei an solchen Fällen schuld, zurück. Wenn Eltern einen Förderantrag einreichten, dann verschicke die Arge in der Regel einen Fragebogen an die jeweilige Schule. Dabei werde gefragt, ob der Ausflug eine Pflichtveranstaltung sei. "Da kommt es öfter zu Irritationen", weshalb sie "den Schulleitern empfehle, meistens ein Ja anzukreuzen". Es sei vorgekommen, dass muslimische Schüler nicht an einem Ausflug in den Vatikan teilgenommen hätten. Niemand wolle deshalb Kindern von Hartz-IV-Empfängern die Förderung verweigern. Womöglich habe ein Sachbearbeiter versäumt nachzufragen.

Am Tag nach der Sitzung rudert auch der Sozialdezernent zurück. Er habe sich im Ausschuss "spontan zu einer falschen Aussage hinreißen lassen", sagt Ferdinand Lautenbacher. Die betreffende Weisung stamme vom Landratsamt selbst. Grundsätzlich sei das Vorgehen aber korrekt. Ausgrenzung liege nur vor, wenn einzelne Kinder von Hartz-IV-Empfängern an einer Ausfahrt nicht teilnehmen könnten. Auch wenn andere Kinder aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen nicht dabei seien, mache man eine Ausnahme. "Aber wir entscheiden auf Grundlage dessen, was die Schule uns bescheinigt." Wenn auf dem Fragebogen stehe, dass es sich um keine Pflichtveranstaltung handle, gebe es auch keine Förderung. Diese Position werde durch ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Stuttgart bestätigt.