In dieser Woche erscheint das künstlerische Vermächtnis des Deep-Purple-Gründers Jon Lord.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Ein Pionier war Jon Lord oft: als Mitgründer der Hardrockband Deep Purple, als Organist, der den Klang dieses Instruments in diesem Genre etablierte, und als Musiker, der den Schulterschluss zwischen klassischer und populärer Musik suchte, den Grenzgang oder – neudeutsch – den Crossover. Bereits 1969 führte er mit seiner Truppe das von ihm komponierte „Concerto for Group and Orchestra“ auf, lange bevor sich andere Bands und/oder Orchester an jenem oft heiklen und oft in Peinlichkeiten mündenden Vorhaben versuchten, die Gemeinsamkeiten zwischen Rock und klassischer Musik zu suchen.

 

„Es gibt keine Gemeinsamkeiten“, schreibt nun ausgerechnet der Dirigent Paul Mann so unverblümt wie unerwartet ausgerechnet in dem Begleitbüchlein zu jenem „Concerto“, in dem er gleich auch noch mit dem saublöden Klischee aufräumt, solche Crossover-Arbeiten dienten auch dazu, der klassischen Musik neue Publikumsschichten zuzuführen: Schließlich rede doch umgekehrt, so schreibt er, bei solchen Projekten „niemand davon, der Rockmusik neue Zuhörergruppen zu bescheren“.

Wie denn auch! Wer auf die von Jon Lord geschriebenen Deep-Purple-Gassenhauer wie „Smoke on the Water“ oder „Child in Time“ schwört, wird an diesem Album nur schwerlich Gefallen finden. Wer die auch von Lord geliebte Barockmusik bevorzugt, wird das „Concerto“ als epigonale Komposition ohne hinreichende ästhetische Gestaltungshöhe abtun. Recht haben beide, da ändern auch das von Paul Mann dirigierte Royal Liverpool Philharmonic Orchestra auf der einen Seite und die illustren Namen auf der anderen Seite nichts: Neben Lord spielen Guy Pratt (Pink Floyd, Madonna), Brett Morgan (Sting) und der Deep-Purple-Gitarrist Steve Morse. Und es singt – tatsächlich! – unter anderem Bruce Dickinson von Iron Maiden.

Nein, das Erstaunliche an den drei zwischen klassischer Orchester- und Rockinstrumentierung wechselnden Sätzen dieser CD ist, dass es sich um die erste Studioeinspielung dieses vor mehr als vierzig Jahren uraufgeführten Konzerts handelt – alle anderen Tonträger zuvor basierten auf Livemitschnitten. Und ebenso bemerkenswert ist, dass Jon Lord beteuerte, das Werk über viele Jahre hinweg fein geschliffen und die Partitur modifiziert zu haben. Vor allen Dingen jedoch, dass diese blitzsaubere Aufnahme die letzte Arbeit ist, die Jon Lord vor seinem Tod fertig gestellt hat. Wenige Wochen zuvor hat Lord die finale Mischung abgehört und freigegeben, am 16. Juli dieses Jahres erlag er einem Krebsleiden. Was bleibt, ist diese letzte Erinnerung an einen prägenden Musiker, einen Virtuosen und Wegbereiter seines Instruments – manifestiert in diesem künstlerischen Testament.