Ein Kulturdenkmal am Kräherwald steht vor dem Abriss. Nur eine teure „Translozierung“, sprich ein teurer Umzug, könnte das Gebäude retten. Das Holzhaus aus dem Jahr 1927 hat vor allem wegen der wertvollen Innenausstattung eine große Bedeutung.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Schon mehr als ein Jahr dauert der Kampf um das „Haus Gugel“ in der Nähe des Kräherwaldes – doch nun scheint das Ende, sprich der Abriss des Gebäudes, nahe. In einem beinahe verzweifelten Aufruf hat die Landesdenkmalpflegerin Edeltrud Geiger-Schmidt jetzt im Nachrichtenblatt der Behörde das Haus vorgestellt und Liebhaber aufgefordert, sich zu melden: „Dieser Beitrag ist ein letzter Versuch, das kostbare Gebäude vor dem bereits genehmigten Abbruch zu retten“, schreibt Geiger-Schmidt in dem Aufruf.

 

Aber der Reihe nach. Das Haus in der Leibnizstraße 83 ist 1927 als Wohngebäude des Reichsbahnoberrates Christian Gugel auf einem 900 Quadratmeter großen Grundstück errichtet worden. Außergewöhnlich ist es, weil der Architekt Hans Zimmermann, der am Rande am Bau der Weißenhofsiedlung beteiligt war, ein Holzhaus in Fertigbauweise plante. Diese Technik war damals noch recht jung, aber schon gut entwickelt; das Unternehmen Christoph & Unmack in Sachsen, das auch das Haus Gugel in Stuttgart baute, hatte es zur Führerschaft in Europa gebracht.

Das Innere hat den Wandel der Zeiten sehr gut überstanden

Zudem wurde die technische Skelettbauweise mit hoher architektonischer Qualität verknüpft. Das Haus Gugel besteche, sagt Edeltrud Geiger-Schmidt, durch seine großzügige und landhausartige Architektur, die auch von Ideen des Neuen Bauens beeinflusst sei. Im Inneren weisen Wohn- und Esszimmer textile Wandbespannungen auf, teilweise sind die Zimmer ganz mit Holz verkleidet, und feiner Parkett kontrastiert mit Decken, die einen expressionistischen Dekor aufweisen. Zudem ist die Innenausstattung gut erhalten, sie sei „außerordentlich gut und ungewöhnlich vollständig“, so die Denkmalpflege.

Nur: In den 1980er Jahren, als die Denkmalbehörden die Häuser der 1920er Jahre in Stuttgart erfassten, ist das Haus Gugel übersehen worden, im Gegensatz zu einem vergleichbaren Haus in Degerloch. Angeblich täuschte das mittelmäßige Äußere über das wertvolle Innere hinweg. Erst 2013, als ein Erbe das Haus an den Projektentwickler Planquadrat in Bad Cannstatt verkaufte, wiesen wohl Nachbarn die Denkmalschützer auf die Bedeutung des Gebäudes hin. Ende 2013 wurde es zum Kulturdenkmal erhoben – seither geht es um die Frage, ob man das Haus retten kann.

Fast alle Möglichkeiten der Denkmalpflege sind ausgereizt

Hans Klement, der Geschäftsführer von Planquadrat, hat in den vergangenen Monaten viel Geduld aufbringen müssen: Alle Zeitpläne hätten sich bereits um ein Jahr verzögert. Man habe das Haus in dem guten Glauben gekauft, dort ein Mehrfamilienhaus bauen zu dürfen, sagt er: „Es ist schon ein einmaliger Vorgang, dass dann ein Haus nachträglich unter Schutz gestellt wird.“

Tatsächlich erhielt das Unternehmen auch grünes Licht von den Behörden. Eine Abrissgenehmigung sei nie erforderlich gewesen, sagte Kirsten Rickes, die Leiterin des Baurechtsamtes. Die Baugenehmigung für das neue Gebäude sei im Februar 2015 erteilt worden: „Wir hätten den Bauantrag gar nicht ablehnen können“, so Rickes, denn es habe eine Genehmigung der Unteren Denkmalbehörde vorgelegen. Planquadrat konnte nämlich nachweisen, dass der Firma der Erhalt des Hauses aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei: „Das haben wir schriftlich von der Stadt“, sagt Hans Klement.

Insofern hat die Landesdenkmalbehörde alle Möglichkeiten ausgereizt – sie kann den Abriss jetzt nur noch so lange verzögern, bis eine historische Dokumentation des Hauses abgeschlossen ist. Das wird bald der Fall sein, und auch Hans Klement geht davon aus, dass der Abriss „zeitnah“, sprich in den nächsten vier Wochen, erfolgt.

Niemand weiß, wie teuer der Umzug des Gebäudes wäre

Edeltrud Geiger-Schmidt hofft noch immer, dass sich in letzter Minute ein Investor findet, der finanziell in der Lage ist, Planquadrat das Haus abzukaufen. Aber eigentlich seien alle Möglichkeiten erschöpft. Eine weitere Idee, das Haus ab- und an anderer Stelle wieder aufzubauen, erscheint im Moment trotz hoher Kosten ein wenig realistischer – der Investor bekäme das Haus selbst geschenkt. Es verlöre mit dem Umzug zwar den Status als Kulturdenkmal, wäre aber zumindest gerettet. Kontakt zu einigen Interessenten gebe es, so Geiger-Schmidt. Aber im Moment sei unklar, wie ernsthaft das Interesse sei, auch weil man nicht wisse, wie hoch die Kosten für diese sogenannte Translozierung letztendlich wären.

Und dann müsste das Haus ja erst noch saniert werden. Baubürgermeister Matthias Hahn hat, wie er sagt, kurz mit dem Gedanken gespielt, sich das Haus als Privatmann näher anzusehen. Er ließ aber die Finger davon. Hans Klement kann das gut verstehen: „Es geht um viel Geld. Selbst wer Freude an historischen Häusern hat, zuckt da schnell zurück.“