Er wäre jetzt 150 Jahre alt geworden: der Architekt Theodor Fischer, der mit seinen markanten Bauten das Stadtbild von Stuttgart geprägt hat.

Stuttgart - Er war einer der ganz Großen seines Faches.“ Das schrieb vor fünfzig Jahren der Architekturhistoriker und -theoretiker Jürgen Joedicke zum hundertsten Geburtstag von Theodor Fischer in der Stuttgarter Zeitung. Aus heutiger Sicht muss man den Hut ziehen – nicht nur vor Theodor Fischer, dem Stuttgart das Kunstgebäude am Schlossplatz und das Gustav-Siegle-Haus, die Erlöserkirche an der Birkenwaldstraße und die Heusteigschule verdankt. Respekt gebührt auch dem Gratulanten. 1962, zu einer Zeit, als jeder Zierrat verachtet wurde, als nicht nur in dieser Stadt die Nachkriegsideologie des radikalen „Entschnörkelns“ und Funktionalisierens mit der (Stadt-)Baugeschichte aufräumte, besaß Joedicke – immerhin Gründer des Instituts für Grundlagen moderner Architektur an der Universität Stuttgart – die Weitstirnigkeit, die Größe des Traditionalisten Fischer zu würdigen.

 

Der vor hundertfünfzig Jahren, am 28. Mai 1862 in Schweinfurt, geborene Franke war ein Wanderer zwischen den Epochen, ein Architekt, dessen Schaffen in die Übergangszeit zwischen Historismus und Moderne fällt. „Geradezu symbolisch lebte Fischer genauso lange im 19. wie im 20. Jahrhundert“, konstatierte Winfried Nerdinger, heute Direktor des Münchner Architekturmuseums in der Pinakothek der Moderne, der ihm Ende der Achtziger eine, 1989 dann auch im Württembergischen Kunstverein gezeigte Ausstellung widmete, im Katalogvorwort.

Die Nazis rächten sich an ihm

Zu sehen ist diese Zwischenposition einerseits an dem Kneifer auf der kurzen, kräftigen Nase und dem Bart– unverwechselbaren Attributen des 19. Jahrhunderts. Und zu merken ist sie andererseits an seiner Abneigung gegen den überbordenden Eklektizismus der Gründerzeit – „der Teufel hole die Stilomanen!“ – und an seiner Verteidigung der Bauhäusler gegen die Nazis (die rächten sich, indem sie den Zeitungen verboten, den siebzigsten Geburtstag des angesehenen Architekten und Hochschullehrers zu feiern).

Mit den schmucklos-funktionalistischen Kuben der Neuerer konnte Fischer sich gleichwohl nicht anfreunden. Sie kamen ihm vor wie beziehungslos in der Gegend herumstehende „Kommoden im Ausverkauf“. Er, der die malerischen Stadtbilder Süddeutschlands liebte, führte die „Romantik“ als Programm gegen die frühen Verkünder reiner Technik und Konstruktion ins Feld.

Alle Elemente sind historisch, aber gebändigt

Man findet bei ihm noch alle historischen Elemente, Gesimse, Säulen, Ornamentik, aber in seinen Bauten erscheinen sie gebändigt, sorgfältig aus der Tradition und dem Material entwickelt und dem Genius Loci verpflichtet. So erinnert das Stuttgarter Kunstgebäude mit seiner Arkadenvorhalle an Bogengänge der italienischen Renaissance und zugleich an das Neue Lusthaus, den Vorgängerbau aus dem 16. Jahrhundert an dieser Stelle, während das württembergische Wappentier, der goldene Hirsch, die Kuppel bekrönt. In seiner nach dem Krieg von Fischers Schüler Paul Bonatz wiederaufgebauten Form hat das Gebäude seine einstige Zierlichkeit jedoch weitgehend eingebüßt. Auf die plastische und malerische Ausstattung wurde ganz verzichtet. In den Pfullinger Hallen, dem „Volkshaus“ mit Festsaal und Turnhalle am Fuß der Schwäbischen Alb (1901), kann man sich dagegen heute noch ein Bild von Fischers Vorstellung einer Einheit von Raum und künstlerischer Ausstattung machen.

In der Arbeitersiedlung Gmindersdorf bei Reutlingen lässt sich dann gleich noch der Städte- und Siedlungsplaner Fischer studieren. Der schematischen Reißbrettgliederung des modernen Städtebaus setzte er räumliche Kompositionen mit Platzbildungen und in weit schwingenden Kurven geführte Straßen entgegen, die Hufeisenform des Altenhofs hat er der Berliner Hufeisensiedlung von Martin Wagner und Bruno Taut vorweggenommen.

Als Professor, der von 1901 bis 1908 an der Technischen Hochschule Stuttgart und dann von 1908 bis 1929 in München Architektur lehrte, bereitete Theodor Fischer der viel gerühmten Stuttgarter Schule den Boden. Zu seinen Schülern zählten die Traditionalisten Paul Bonatz, Paul Schmitthenner, Heinz Wetzel und Martin Elsässer, aber auch Architekten, die später zur Prominenz der Progressiven gehörten wie Erich Mendelsohn, Bruno Taut und der Planer des „Neuen Frankfurts“, Ernst May. Auch als Lehrer war Theodor Fischer ein Wanderer zwischen den Epochen.