Zu seinen Motiven zählen diverse Bundeskanzler, Broadwaygrößen und Brückenmonster: Der Esslinger Starfotograf Dieter Blum zeigt jetzt seine Werke in der Neu-Ulmer Galerie im Venet-Haus.

Esslingen - Die auf ihn gemünzten Worte eines Museumsdirektors zitiert Dieter Blum in Gesellschaft besonders gern und oft: „Sie sind ein weltberühmter Fotograf, den keiner kennt!“ Denn da darf er auf prompten Widerspruch hoffen – und somit kann es mit der gänzlichen Unbekanntheit ja nicht allzu weit her sein. Und auch, was die Weltberühmtheit angeht, bietet sich das Zitat nicht nur als Bestätigung, sondern als tröstende Beschwörformel an, dass das auch noch lange so bleibt – obwohl der Name des jetzt 79-Jährigen schon mal medienwirksamer im Umlauf war. Nicht zuletzt deshalb, weil sich Blums Bilder früher regelmäßig in Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen fanden.

 

Dieser Umstand ändert freilich nichts an den Meriten, die der Fotojournalist und Dokumentarist, Werbemann, Kunstfotograf und Abenteurer vorzuweisen hat und dessen Eigenschaften als Enfant terrible der Branche von unerschrocken und dreist bis zu beharrlich und besessen reichen. Klar, dass sich bei so viel Popularität auch Schmeicheleinheiten wie „schräger Vogel“ oder „Getriebener“ wiederfinden. Der Schauspieler Mario Adorf rühmt Blums zupackendes Schaffen sinngemäß so: Er könne etwa Porträts rasch umsetzen, ehe die Gesichter wieder in sich zusammenfielen.

Blum hat zwölf Jahre und bis 2004 die Marlboro-Werbung maßgeblich in Szene gesetzt und mit den meist dynamischen, stets aber auch distinguiert wirkenden Reitern die Verkaufszahlen in den Sattel gehoben. Er holte Tanz- und Ballettensembles in sein Studio, arrangierte sie nackt zu „Körperkathedralen“ und animierte renommierte Tanzsolisten aus aller Welt zu außergewöhnlichen bewegten Posen.

Dann wiederum kreuzte er samt Kamera und weiblichem Aktmodell bei international namhaften Kunstschaffenden auf und ließ sie gestalterisch zu Werke gehen. Gut 50 solch ungewöhnlicher Begegnungen finden sich in dem voluminösen Bildband „A Part of Art“, erschienen im Waiblinger Status Verlag. Dieter Blum hat seinen eigenen Angaben zufolge bis dato 72 Bücher „gemacht“. Mehr als 50 „große Geschichten“, wie er sagt, sind mit seinen Bildern im „Stern“ erschienen, mit dem er seit den frühen 70er Jahren zusammenarbeitete. Weitere Abnehmer waren „Der Spiegel“, „Die Zeit“, „Geo“ und „National Geographic“, „Playboy“ und „Vanity Fair“.

Durch Afrika für Festo

1974 stellte die Esslinger Firma Festo dem Fotografen Blum, dem Ingenieur Karl-Ernst Buck und dem Nürnberger Künstler Werner Knaupp einen VW-Bus zur Verfügung, mit dem das Trio den Schwarzen Kontinent über 18 000 Kilometer von Nord nach Süd durchquerte. Daraus entstand das Buch „Eine afrikanische Reise“, ein Bildband, der vor Leben pulsiert und nur so in den Farben schwelgt – und dies gilt selbst für die rotschlammigen Pisten.

Der Titel hätte auch „Abenteuer Afrika“ lauten können, wobei ein Telegramm an den damaligen ugandischen Schreckensherrscher Idi Amin, das zum Glück nie seinen Adressaten erreichte, ein jähes Reiseende hätte bereiten können: Das Trio war an der Grenze zwischen Uganda und Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, aufgegriffen worden. Und weil sich die Grenzer weder von einem Foto, das das deutsche Regierungsmitglied Walter Scheel bei der Übergabe der Goldenen Blende an Dieter Blum zeigt, noch von einer Kopie besagten Telegramms sonderlich beeindruckt zeigten, wanderten die drei für eine Nacht hinter Gitter.

Schließlich ließ man sie wieder laufen, respektive fahren. Wie eine in der Depesche gewünschte tatsächliche Audienz beim unberechenbaren Idi Amin ausgefallen wäre, mag sich Blum rückwirkend gar nicht ausmalen, zumal zwei Jahre später gemeldet worden sei, dass in Uganda mehrere auswärtige Journalisten und Pressefotografen liquidiert wurden.

Wer auf solch brenzlige Erfahrungen im afrikanischen Dschungel verweisen kann oder aber wie Blum über neun Jahre hinweg immer mal wieder im Auftrag von Flugzeugfirmen mit in Kampfjets stieg, um Formationsflüge verschiedener Staffeln abzulichten, und das alles und noch viel mehr mit seiner fotografischen Ausbeute belegen kann, der besitzt eigentlich genügend fachliches Renommee, um eine Ausstellung bestreiten zu können. Da ist der Aufhänger buchstäblich der Nagel in der Wand, der die Bilder hält.

Höhepunkte im Bild

Und so war das Interesse erwartungsgemäß groß, als zur Vorabpräsentation der seit Dienstag laufenden Blum-Ausstellung „Der Photograph“ in die Neu-Ulmer Galerie im Venet-Haus gebeten wurde. Das kolossale stählerne Segment namens „Arc 50,3 Grad“ des französischen Künstlers und Namensgebers Bernar Venet, das das Gebäude durchbricht und nach oben strebt, ist nicht die einzige Besonderheit der seit 2007 bestehenden Galerie des Anwalts und Kunstsammlers Werner Schneider. Auch die Kombination von großzügig verglastem Ausstellungstrakt, der über das Foyer mit einem solid gemauerten Überbleibsel der Bundesfestung Ulm verbunden ist, ist alles andere als alltäglich.

Mit sicherem Gespür für Arrangements hat Blum die bogenförmigen Nischen des Festungsveteranen genutzt, um mit Beispielen zu den Themenbereichen Tanz und Porträt, Cowboys und „Coming Soon“, hinter Letzterem verbergen sich mehr oder weniger verfremdete Fotosequenzen über Frauen vor oder während des Orgasmus, Lust auf die Schau im „White Cube“ zu machen. Als jüngste Veröffentlichungen Blums liegen sowohl „Coming Soon“ als auch das Cowboy-Opus in der Galerie aus.

Und ganz hinten, im letzten Gewölbebogen, da thront er mit kühnem Blick und sparsamer, aber gleichwohl höchst effektvoller Gestik: Herbert von Karajan, Maestro der Berliner Philharmoniker und ungekrönter König internationaler Konzertsäle. Die Zusammenarbeit mit Karajan verursachte beim Fotografen Blum des Öfteren Bauchweh, offenbar aber half ihm seine schwäbisch-knitze Chuzpe, dem Sendungsbewusstsein des Erwählten immer wieder standzuhalten. Und nicht nur das: die Bildauslese über die Philharmoniker und ihren prominenten Dirigenten, erschienen im „Stern“, brachte Blum 1982 den World Press Photo Award. Dem Preis stand seinerzeit freilich zunächst Karajans dokumentierter Bauchansatz im Weg. Nach der Entdeckung durch eine Vertraute mussten die Tiefdruckrotationsmaschinen angehalten werden, um erst mittels Retusche die Höhenlage von des Maestros Wampenwölbung deutlich zu drücken.

Bundeskanzler, Brückenmonster, Broadwaystars

Blum hat Bundeskanzler, Bohrinseln, Broadwaygrößen und wahre Brückenmonster „im Kasten“, in Japan spürte er den Göttern nach, und über Ostafrika verhalf ihm sein Jugendfreund Hans Schneider mit seiner Cessna, stattliche Vogelschwärme von oben abzulichten. Rückte er in die Täler von Utah zu den Pafferminen aus, so zählte eine Lkw-Flotte von 20 Fahrzeugen zum Tross, 25 Pferde und 50 Rinder bildeten die lebende Staffage.

Dieter Blum ist in der Esslinger Küferstraße aufgewachsen, sein Vater betrieb einen Bettenladen, und den sollte der Filius einmal übernehmen. Doch der hatte schon als Achtjähriger mit des Ernährers Voigtländer vorzugsweise Straßenszenen geknipst. Schon bald habe er gewusst, sagt er, dass die Fotografiererei „mein Zeug ist“. Dennoch machte er eine kaufmännische Lehre in einem Stuttgarter Modegeschäft und erinnert sich noch gut ans darüber liegende Fotolabor „mit der netten Laborantin“. Und obwohl der spätere Starfotograf die ganze Welt bereiste, blieb er der alten Heimat verbunden. Heute pendelt Blum zwischen seinen beiden Wohnsitzen Düsseldorf und Esslingen – als ein weltberühmter Fotograf, den viele Leute kennen.