Roland Baisch will eine Familiengeschichte erzählen, an deren Ende sich ein Kreis schließt. Sie geht so: Seine Frau Linda Murphy-Baisch lernte er anno 1986 im Theaterhaus Stuttgart kennen, wo die amerikanische Artistin mit ihrem französischen Frauenzirkus gastierte, dem Cirque de Barbarie. 1989 wurde ihre gemeinsame Tochter geboren, die sich mittlerweile als Artistin Vanessa Lee nennt. Vom 2. bis zum 10. September gastiert Vanessa Lee mit ihrem eigenen Frauenzirkus, den Barbaren Barbies, im Theaterhaus, wo sie einen Großteil ihrer Kindheit verbracht hat.
„Sie hat hinter der Bühne gepennt“, sagt Roland Baisch. Weil die Familiengeschichte schnell erzählt ist, ist der Vater (68) mit der Tochter (34) im Schlepptau auf der Wiese des Pressehauses Stuttgart erschienen, um sie auszuschmücken: Der Entertainer sagt, dass seine Tochter die Varieté- und Kulturszene „von Geburt an aufgesogen“ habe, und dann sei sie mit 17 nach Berlin auf die staatliche Artistenschule und habe Trapez studiert: „Trapez ist ein eisenharter Job. Als ich sie das erste Mal in der Schule gesehen habe, hätte ich fast geheult. Da hatte sie blutige, offene Handflächen, weil sie so trainiert hat.“
Der Traum vom Frauenzirkus wurde Wirklichkeit
Vanessa Lee sagt, sie fände es „unglaublich schön und nostalgisch“ als Artistin ins Theaterhaus zurückzukehren. Über die Jahre habe sie ein paarmal bei der Theaterhaus-Schauspielproduktion „Dirty Dishes“ mitgespielt, so wie früher auch ihre Mutter: „Jetzt mit meinem eigenen Stück zu kommen und es dort aufzuführen, ist unglaublich berührend, finde ich. Die Linda hatte einen Frauenzirkus – davon habe ich geträumt.“
Vanessa Lee bedient sich gerne aus dem Kostümfundus ihrer Eltern: „Der Propeller-BH dreht noch nach 30 Jahren, das ist halt verrückt.“ Und was die Barbaren Barbies ausmache? „Es ist ein Feuerwerk. Wir bearbeiten viele Themen der Weiblichkeit, aber wir spielen auch Männer.“ Da schaltet sich ihr Vater ein: „Von außen kann man das vielleicht besser sehen: Die sind erstens mal alle hervorragende Artistinnen. Seiltanz, Trapez, Hula-Hoop-Reifen! Diese Nummern verknüpfen sie mit einer losen Story, die sich mit dem Thema Weiblichkeit beschäftigt, aber nicht moralisch, sondern sehr hart.“
Grenzenlos wie Pippi Langstrumpf
Roland Baisch sagt dann noch: „Wir haben nie die Kinder gezwungen, in die Kulturbranche zu gehen, sondern sie haben sich dafür entschieden.“ Ein paar Mal erwähnt er, dass auch sein Sohn Sam mit seiner Band Rikas sehr erfolgreich sei. Seine Tochter pflege auf der Bühne eine „archaische Form, der wir ja damals auch entsprungen sind. Dass sich das wiederholt, oder dass das fortgesetzt wird“, freue ihn als Menschen. Vanessa Lee sagt, dass man nicht unbedingt gegen seine Eltern rebellieren müsse, um archaisch rüberzukommen: „Es ist toll, wie Pippi Langstrumpf aufzuwachsen, dann ist man sowieso grenzenlos.“ Sie würde gerne in einem ausverkauften Saal spielen, sagt sie, „da ist es toll, wenn mein Papa so viele Hebel in Bewegung setzt.“ Roland Baisch bekundet: „Wenn ich meinen Kindern helfen kann, dann mach ich‘s. Aber ich würde ihnen nicht helfen, wenn es mir nicht gefallen würde.“ Darauf erwidert Vanessa Lee, dass ihrem Vater sowieso alles gefalle, was sie mache: „ Ich kann machen, was ich will. Er sagt nur immer, bitte tätowier dich nicht so viel. Aber ich könnte mir eine Glatze rasieren.“
Und dann, als Roland Baisch erneut ansetzt, die Barbaren Barbies zu preisen, diesmal ihre Internationalität, korrigiert Vanessa Lee ihren Vater ein einziges Mal: „Starke Frauen sind das“, hebt Roland Baisch an, eine der Artistinnen komme aus Neuseeland, eine aus Kanada, eine aus Finnland, „Vanessa ist die einzige Deutsche“. Darauf die Tochter: „Außer Sarah, sie kommt aus Frankfurt.“