Der Garten des Blüba-Chefs Volker Kugel Sein Ziel heißt: nie mehr gießen!

Volker Kugel, Chef des Blühenden Barocks, in seinem privaten Garten Foto: factum/Andreas Weise

Was bedeutet den Menschen in der Region Stuttgart das Gärtnern? In einer Serie dürfen wir in private Pflanzenwelten blicken. Den Auftakt macht Volker Kugel. Im Garten des Blüba-Chefs geht es gar nicht barock zu.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Weissach - Wenn Volker Kugel gerade mal nicht Chef des Blühenden Barocks in Ludwigsburg ist und auf dem 300 000 Quadratmeter großen Gelände die Corona-Folgen managt, wenn er nicht für den SWR vor der Kamera steht und anderer Leute Garten schöner macht, dann sitzt der 61-Jährige auf einer alten Holzbank und schaut auf den Hartmannberg. Meist tut er das abends zusammen mit seiner Frau, um gemeinsam den Tag zu verabschieden. Dann ist Volker Kugel nicht der Mann, der vor Energie nur so pulst. Dann guckt er nur in die Landschaft – und genießt.

 

Die Bank steht im Garten seines Hauses in Weissach im Kreis Böblingen. Dort haben die Kugels Anfang der 90er Jahre auf ein 450 Quadratmeter großes Hanggrundstück mit vielen alten Kiefern an der Grenze zu einem Landschaftsschutzgebiet ein Haus gebaut. Das Areal hat eine extreme Südlage, oder, um es mit Kugel zu sagen: „Hier ist es bollenheiß.“

Er hat das Grundstück zusammen mit seinem Vater damals selbst gerodet und einen Teil der Kiefern mit der Motorsäge ab- und in Teile zersägt. Ganz der Macher, als den man ihn kennt. Der Vater, ein gelernter Maurer, kam aus dem Krieg mit einem amputierten Bein zurück und wurde dann Ortsbaumeister in Calw-Stammheim. Dort ist Volker Kugel aufgewachsen – in einem Haus mit Garten. Als jüngstes von drei Geschwistern war er es, der dem Vater im acht Ar großen Garten helfen musste.

Gärtnerlehre nach dem Abi

Mit Muse und Selbstverwirklichung hatte das nichts zu tun. „Es war tiefste Pflicht“, erinnert er sich. Ende der 60er Jahre bauten die Kugels Möhren, Rote Bete, Zwiebeln, Kohlrabi und „Bohnen ohne Ende“ an. In einer mit Sand gefüllten Erdmiete im Lehmkeller konservierte die Mutter die Ernte. Das alles blieb dann bis weit in den Winter hinein frisch. Gärtnern war damals Selbstversorgung und kein Freizeitvergnügen für Menschen auf der Suche nach Kontemplation. Wenn die Apfelbäume geschnitten werden mussten, kletterte der Sohn auf den Baum. Der Vater gab von unten die Kommandos, welchen Ast er absägen solle.

Manchmal gingen die Auffassungen sehr auseinander – das Ganze muss ein skurriles Schauspiel gewesen sein. Das änderte sich, als Volker Kugel nach dem Abi eine Gärtnerlehre in einer Baumschule machte. Fortan ließ der Vater ihn machen.

Aber irgendwie hat er seinem Sohn wohl auch den Weg in eine Welt gewiesen, in der Kugel noch immer aufgeht. „Es ist mehr als ein Beruf“, sagt er. Förster oder Landschaftsarchitekt wollte er eigentlich werden. Für Ersteres gab es zu wenig Ausbildungsplätze, für Letzteres war sein (wie er fand) „Super-Abischnitt“ von 3,0 in Numerus-clausus-Zeiten doch nicht gut genug. Der Berufsberater gab ihm den Tipp: Machen Sie eine Gärtnerlehre. Und schauen Sie, ob Ihnen das überhaupt gefällt. Den Ratschlag hält Kugel vier Jahrzehnte später noch immer für goldrichtig. Erst lernen, dann reden, lautet sein Motto.

Probleme mit dem Buchsbaumzünsler

Aber was fasziniert Kugel so sehr an Gärten, Erde und Grünzeug? Er antwortet wenig verkopft: „Im Garten ist kein Jahr wie das andere. Jedes Frühjahr ist anders als das andere, jeder Sommer anders als der nächste, mal kälter, mal heißer, mal nasser.“ Was heißt: Man muss reagieren als Gärtner. Da ist es wieder, das Umtriebige des Volker Kugel.

Dabei war und ist Kugel damals wie heute auf seinem eigenen Grundstück ein ganz normaler Gärtner. Er beherrscht zwar jeden Handgriff, hat aber nicht den Ehrgeiz, seinem Garten etwas abzutrotzen, was der nicht liefern kann – keine barocke Gartenkultur, sondern gerade mal ein paar Buchsbäumchen, ein bisschen aus der Form geraten, gibt es hier. Auch sie hatten den Buchsbaumzünsler. Jetzt sieht es so aus, als würden sie gesunden.

Im Moment ist Kugel dabei, die Beete entlang des Hauses mit Wolfsmilch, Rutenhirse und Alant zu bepflanzen. Das geht ziemlich flott. Warum? „Wenn man langsam pflanzt, wird es nicht besser.“ In nur wenigen Minuten hat er ein knappes Dutzend Pflanzen in die Erde gebracht. Erst verteilen („So, als ob der Hubschrauber sie abgeworfen hat!“), Loch graben, Pflanze aus dem Topf, Erde ans Wurzelwerk, die Erde kurz festtreten.

Sein Ziel ist es, in diesem Garten bis auf die Topfpflanzen nie mehr gießen zu müssen. „Die Sommer werden immer heißer.“ Einheimische Pflanzen sind für ihn ganz ideologisch auch die, die irgendwann in unsere Breiten kamen. „Pflanzen, die hitzeverträglich sind, sind auch bienenfreundlich.“ Auf dem Garagendach, das einmal mit Rasen begrünt war, blühen seit drei Jahren Wolfsmilch, Katzenminze, Iris und eine versprengte Tulpe, die die Umpflanzaktion überlebt hat.

Löwenzahns Fallschirmtruppen

Gemüsebeete gibt es hier keine, nur Tomaten in Kübeln. Kugel scheint darüber nicht sehr betrübt. „Die Erde gibt das nicht her.“ Was für ein Glück. Vielleicht ist ja doch etwas an der These, dass sich jeder Garten seinen Menschen sucht. Die Tomaten gedeihen hier unter dem Dachvorsprung. Tomatenhäuschen mit Plexiglas sind Kugel ein Garaus, ebenso wie Schottergärten; nur würde er das nie so sagen und damit Schottergärtner beschimpfen. „Die meisten sind doch auf den Rat von Berufskollegen reingefallen, die ihnen den pflegeleichten Garten versprochen haben.“ Und jetzt wächst trotz aller Versprechungen das Unkraut zwischen den Steinen, und das Moos begrünt die Steine. Kugel – ganz Pragmatiker – rät diplomatisch: „Ihr habt das Zeug doch vor zehn Jahren mit der Schubkarre hergebracht. Jetzt fahrt ihr es mit derselben Schubkarre wieder weg.“ Das muss reichen als Anleitung zum naturnäheren Garten.

Während er das sagt, schaut Kugel auf Gänseblümchen und Löwenzahn, die auf der Wiese hinter dem Haus blühen. Sie ist durchzogen von den Wurzelausläufern der Kiefern. Darauf wächst kein Vorzeigerasen, sondern eher eine natürliche Wiese. Er schlägt das große Heinz-Erhardt-Buch auf und liest ein Gedicht vor: „Löwenzahn ist schon seit jeherals höchst kriegerisch verschrien,denn er lässt bei gutem WindeFallschirmtruppen feindwärts ziehen.Und ich sitz auf der Verandaund verzehre meine Suppeund entdecke in derselbenzwei Versprengte dieser Truppe.“

Kugel liest’s, freut sich und ruft: „Der Mann muss Gärtner gewesen sein!“

Zum Gärtnern gehört immer auch ein Kruschteleck mit überzähligen Blumentöpfen und einem Komposthaufen. An der Seite liegen ein paar Bretter. Wenn Volker Kugel auf der Bank sitzt und über die Welt nachdenkt, hat er im Rücken wilde Schlehen und Kiefern, ein undurchdringliches Dickicht. Auf der Wiese hinter seinem Wohnhaus schreibt die Natur die Regeln vor. Was will man im Schatten riesiger Kiefern schon pflanzen?

Aber wie jeder andere Gartenbesitzer ist auch Kugel ständig dabei zu erklären, warum jetzt da gerade noch ein leerer Zinnwaschzuber steht, er dort aber demnächst Wasserlilien pflanzen werde, oder dass in ein paar Tagen die Pfingstrosen blühen werden. „Dann ist hier alles rot“, sagt er – als könne er etwas dafür, dass die Natur noch nicht so weit ist.

Kugels Säulenapfel-Bäumchen

Ein Garten ist eine sich ständig verändernde Lebenswelt. An manchen Tagen muss man ein bisschen besser auf ihn aufpassen als an anderen. In der vergangenen Nacht etwa war Frost. Das Säulenapfelbäumchen im Kübel neben dem Haus trägt noch einen weißen Stoffüberwurf, damit seine Blüten nicht erfrieren. Letztes Jahr hat es 15 Früchte getragen. Es hört sich ganz so an, als habe der Gärtner den Ehrgeiz, dieses Jahr nicht unter dieser Zahl zu bleiben. Jetzt, wo die Sonne alles wärmt, zieht Kugel fürsorglich an der Schleife, die das Pflanzengewand beisammenhält, und befreit das Bäumchen.

Auf der Wiese bei den Kiefern steht eine Wilde Kirsche. „Die wollte ich eigentlich immer mal veredeln“, sagt Kugel. Dazu gekommen ist er jedoch nie. Inzwischen ist die Wilde Kirsche acht Meter hoch. „Jetzt bleibt sie halt, wie sie ist.“ Da guckt er in ruhigen Momenten in diesem umtriebigen Leben lieber in den Himmel.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Reportage Blühendes Barock