Reportage: Robin Szuttor (szu)
Die Kartenfixierung erklärt auch, warum so viel schiefgeht. Hitler herrscht über den Raum, den Zeitfaktor klammert er aber aus.
Die Zeit friert er sozusagen ein, sie ist für ihn kein dynamischer Faktor. Er selbst ist der einzige Beweger.
Bis heute beschäftigt er die Menschen, allen voran die Historiker. Deren Interesse an Hitler scheint kaum stillbar. Zugleich sehen wir eine Parallelentwicklung in der Unterhaltungsbranche. „Er ist wieder da“ feiert zurzeit große Erfolge als Buch und als Film.
Der Nationalsozialismus ist längst nicht nach allen Ecken und Enden ausgeforscht. Da ist noch viel Arbeit zu leisten. Zum anderen verändert sich mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Geschehen die Perspektive. Insofern kann Geschichtswissenschaft nie statisch sein. Auch in der Literatur und im Film wird es so sein, dass die Auseinandersetzung der jetzigen Generation mit der Vergangenheit danach trachtet, immer wieder neue Formen für sich nutzbar zu machen.
Haben wir zu viel Hitler? Oder zu viel vom selben Hitler?
Es gibt einen gesicherten Forschungsstand. Jede große Arbeit über Hitler wird teils wiederholen müssen, was bereits feststeht. Aber wenn die Ergebnisse sich dann über 20, 30, 40 Jahre in einer gewissen Eintönigkeit selbst reproduzieren, könnte man durchaus verstehen, dass gerade jüngere Menschen neugierig sind auf Anderes. Es wäre aber verhängnisvoll, wenn sich die Wissenschaft und die politische Kultur nicht auf diese Herausforderung einließen.
Ist es erträglich, Hitler zu einer Komödienfigur zu machen? Oder lädt seine Art des Auftretens aus heutiger Sicht förmlich dazu ein?
Ob es eine Gesellschaft verkraftet, mit Hitler im Comedyformat umzugehen, muss jeder für sich beantworten. Was heute in seinen Reden vielleicht gestelzt, mit Pathos überladen und geradezu comedyhaft anmutet, ist aber damals eine durchaus übliche Art des Redens und Auftretens. Es gibt einen Stil des Kriegerischen, Eisigen – des Entschlossenen, der im Wort zugleich die Tat anlegt. Da sieht man, wie historisch diese Phänomene sind. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass jemand, der heute so aufträte, kein hohes Maß an Gefolgschaft gewinnen würde.
Sie beschreiben, wie Hitler die darstellende Kunst nutzt, um seine Politik durchzusetzen. Oder nutzt er vielleicht die Politik, um sein Stück im großen Welttheater aufzuführen?
Nein. Hitler ist kein Dramatiker, der sich im Fach des Schauspiels als verhindertes Genie sieht und deswegen seine Bühne woandershin verlegt. Er ist von seinem künstlerischen Selbstentwurf ein Theaterarchitekt, einer, der Zeichnungen zuliefert für die Bühne und das Theater. Das wäre sein Berufswunsch gewesen. Er ist keiner, für den die Bretter die Welt bedeuten.