Google, Amazon, Apple und Facebook ringen mit harten Bandagen um die Vorherrschaft im Netz. Die Nutzer sollen möglichst umfassend im Bündel der immer vielfältiger werdenden Angebote eingefangen werden. Noch halten sich die Internetgiganten gegenseitig in Schach.

Stuttgart - Die US-Internetgiganten geben der Welt den Takt vor. Der jüngste Skandal um das Ausspähen von Internetdaten durch den US-Geheimdienst NSA hat vor Augen geführt, dass im weltweiten Netz alle Wege in die USA führen. Es sind vier Namen, die dort für kulturelle und ökonomische Dominanz stehen: Google, Amazon, Apple und Facebook. Sie spielen allen Aufholversuchen von Konkurrenten wie Microsoft und Yahoo zum Trotz in einer eigenen Liga. Diese vier wollen die Online-Existenz der Konsumenten möglichst vollständig dominieren. Software, Hardware und Inhalte bieten sie zunehmend aus einer Hand. Der Preis für die Kunden ist, dass ein einzelnes Unternehmen immer mehr über sie und ihre Vorlieben weiß. Doch den gelegentlich mit einer Prise Größenwahn auftretenden vier geht es nur um eines: die Vorherrschaft im Netz (siehe Grafik, PDF).

 

Nummer eins: Google, der allwissende Organisator des Internet

Google hat von Anfang an begriffen, dass die Expansion in immer neue Geschäftsfelder der Schlüssel für die Dominanz im Internet ist. Ein Blick auf die in Deutschland von mehr als 90 Prozent der Nutzer zuerst aufgerufene Suchmaschine genügt. Auf der grafisch immer noch schlichten Suchseite sind Dutzende weitere Angebote nur einen Klick entfernt: Bilder, Landkarten, das Einkaufsportal Play, das Videoportal Youtube, der E-Mail-Dienst Gmail, das Cloudangebot Drive. Alles aus einer Hand, alles bequem: Google gibt dem Nutzer keinen Grund, das eigene Universum zu verlassen. So erhält etwa jeder, der sich beim Videoportal Youtube registriert, automatisch ein Konto für Googles soziales Netzwerk G-plus. Die Suchmaschine will so viel über die Nutzer wissen, dass sie einmal deren Fragen vorausempfinden kann.

Mehr als 120 Firmen hat Google seit seiner Gründung 1998 aufgekauft. Erst in dieser Woche hat sich das Unternehmen den Navigationsdienst Waze einverleibt – für eine Milliarde Dollar aus der schätzungsweise mit 50 Milliarden Dollar gefüllten Kriegskasse. Seit der Übernahme des Handyherstellers Motorola im vergangenen Jahr haben die Kalifornier auch im Hardwarebereich den Fuß in der Tür. Mit der Datenbrille Google Glass und der intensiven Forschung zum Thema fahrerloses Auto, treibt der Konzern inzwischen auch neue Technologien an – immer mit dem Hintergedanken, sie mit der Google-Datenwelt zu verknüpfen. Auf einem Feld hat Google einen übermächtigen Rivalen bereits ausgebremst: Mit dem Ende 2008 lancierten Betriebssystem Android hat Google die Dominanz von Apple bei den mobilen Endgeräten gebrochen. Heute hat das von Google propagierte System einen Marktanteil von 75 Prozent.

Auch der scheinbar unangreifbare Gigant muss sich im Suchgeschäft neuer Konkurrenz erwehren. Vielen Nutzern reichen die von Google präsentierten Linklisten nicht mehr, auch wenn sie besser sind als die Resultate anderer Suchmaschinen. Sie wollen direkte Antworten auf Ihre Fragen. Wer eine Kneipe sucht, der nützt etwa Dienste wie Foursquare oder Yelp. Das ist auch ein Einfallstor für soziale Netzwerke wie Facebook. Doch schnelle Antworten für Kaufentscheidungen verspricht ein anderer Konkurrent: Amazon.

Nummer zwei: Amazon, der aggressive Lieferant

Die Umsätze sind gewaltig, das Wachstumstempo atemlos – die Gewinne mager oder nicht existent. Doch genau das zeigt, dass der einstige Buchversand Amazon der zurzeit aggressivste Akteur der großen vier ist. Jeff Bezos, der Chef, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er aus Amazon die größte Internetfirma der Welt machen will. Dazu gehören nicht nur die Expansion in immer neue Produktbereiche, etwa Lebensmittel, die online zu ordern sind, oder die Kooperation mit immer mehr Unternehmen, für die Amazon die Vertriebsplattform ist. Amazon steht für den Totalitätsanspruch der großen vier: Alles soll zu jeder Zeit und überall verfügbar sein. Ein zentraler Bereich ist wie bei Google die Macht über die Daten. Von Anfang an hat Amazon einen Teil seines Geschäfts mit der Vermietung von Rechenleistung, dem sogenannten Cloud-Computing gemacht.

Aber darüber hinaus hat das Unternehmen früh verstanden, dass das Wissen über die individuellen Präferenzen der Kunden der Schlüssel zum Wachstum ist. Und so werden die Informationen aus Kundenrezensionen, aus den Bestellungen anderer Kunden oder früheren Orders des Nutzers etwa zu immer präziseren Kaufempfehlungen gebündelt. In den USA ist Amazon inzwischen der wichtigste Einstieg zur Onlinerecherche von Produkten – eine Position, die einst die Domäne von Google war.

Ein anderes Beispiel für die aggressive Strategie ist das Lesegerät Kindle, das Amazon zu einem massiv subventionierten Preis auf den Markt wirft. Das Geschäft läuft über die Inhalte, wo Amazon die Nutzer auf das eigene Buchangebot beschränkt. Die Dominanz, die Google über die Vielfalt seiner Angebote zu erreichen versucht, strebt Amazon über Bequemlichkeit und Schnelligkeit bei der Recherche und beim Konsum von Produkten an. Und auch hier kämpft man mit harten Bandagen: So hat Amazon für seine Tablets das Android-Betriebssystem so verändert, dass die Google-Dienste erst einmal ausgeblendet sind. Viele Investoren trauen Amazon inzwischen mehr zu als Apple.

Apple und Facebook

Nummer drei: Apple, der Erfinder der mobilen Online-Welt

Wenn die Rendite das Maß der Dinge ist, dann ist Apple auch eineinhalb Jahre nach dem Tod seiner Ikone Steve Jobs immer noch der Primus der Online-Welt – und der Gegenpol zu dem finanziell auf Kante genähten Amazon. Apple zehrt immer noch davon, dass das Unternehmen die mobile Lebenswelt des Internets praktisch geschaffen hat: Ganz selbstverständlich erwarten heute die Nutzer, dass dessen Inhalte mit einer Berührung der Fingerspitze herunterladbar, transferierbar, übersetzbar und synchronisierbar sind.

Doch die unangefochtene Nummer eins der digitalen Welt ist Apple nicht mehr. Unter den großen vier ist es die Firma, die am stärksten in der Defensive scheint. Die jüngste Entwicklerkonferenz Anfang dieser Woche bot ein Potpourri an kleineren Innovationen, vom verbesserten mobilen Betriebssystem iOS 7 bis zu einem zylinderförmigen PC MacPro, die Apples Coolness-Faktor untermauern und die Loyalität seiner Kunden festigen sollten. Doch Apple ist zur Überraschung verdammt. Googles Attacke mit Android hat Spuren hinterlassen. Nach iPod, iPhone und iPad, mit denen Steve Jobs die moderne Welt des mobilen Internets etablierte, ist kein spektakuläres Produkt in Sicht, das die Position als Pionier wieder festigen kann.

Noch sind die Margen hoch und schlagen Apple-Produkte bei Design und Benutzerfreundlichkeit die Konkurrenz. Doch die Wettbewerber holen auf. Die einst revolutionäre Grundidee, wonach man von den Inhalten bis zur Hardware den Nutzer an das geschlossene Universum der eigenen Marke binden sollte, ist längst kopiert.

Doch trotz eines in diesem Jahr um knapp ein Fünftel eingebrochenen Aktienkurses ist es zu früh, Apple abzuschreiben. Den Fehdehandschuh gegenüber der Konkurrenz hat man aufgenommen: In Zusammenarbeit mit Microsoft soll etwa die bisher nicht recht in die Gänge gekommene Suchmaschine Bing das Angebot von Google als voreingestellte Option auf den Apple-Geräten ablösen. Neue Fotosoftware soll mit der Foto-App von Facebook konkurrieren. Apple will seine Jünger behalten.

Nummer vier: Facebook, das Netzwerk als Internet-Bollwerk

Auch wenn Facebook gerne in einem Atemzug mit den anderen drei großen Namen genannt wird: Was die wirtschaftlichen Kennzahlen angeht, backt das soziale Netzwerk, in dem jeder sechste Mensch auf der Welt registriert ist, kleine Brötchen. Facebook hat beispielsweise nur etwa fünf Prozent der Mitarbeiter von Amazon. Beim Rennen um die Navigations-App Waze hat Google den Konkurrenten gerade ausgestochen. Doch im Internet gelten andere Größenkategorien.

Seine Präsenz im Leben von 1,1, Milliarden Menschen erlaubt es Facebook, die weitere Expansion mit langem Atem anzugehen. Seit dem Börsengang sind neun Milliarden Dollar in der Kasse, weitere milliardenschwere Übernahmen nach dem Vorbild des Fotodienstes Instagram sind also jederzeit in Reichweite. Auch Google hat als eines von vielen Suchportalen angefangen – und es immer mehr geschafft, die Nutzer in seinem System einzufangen. Die Währung darin sind die Nutzerdaten – und genau hier hat Facebook Potenzial.

Einige Innovationen zeigen, wie die Nutzer noch fester in die Facebook-Welt eingebunden werden. Seit April gibt es ein – bisher aber nicht sehr erfolgreiches – Smartphone von HTC, auf dem Facebook das Einstiegsportal ist. Dank einer mit Microsoft als Juniorpartner entwickelten Suchfunktion sollen Anfragen, die bisher eigentlich die Domäne von Google oder Amazon wären, auf Facebook beantwortet werden. Das hat den Vorteil, dass etwa dank der Empfehlungen von Facebook-Freunden stärker personalisierte Antworten möglich sind als bei den auf nackten Daten basierenden Resultaten einer Suchmaschine. In dieser Woche hat Facebook angekündigt, dass Nutzer nach dem Vorbild des Kurznachrichtendienstes Twitter ihre Texte und Fotos mit sogenannten Hashtags versehen können, also leicht auffindbaren Schlagworten.

Doch die Herrschaft über die Bildschirme ist nicht gesichert. Auf gesättigten Märkten wie den USA und in Europa wachsen die Nutzerzahlen nur noch langsam. Google macht mit seinem sozialen Netzwerk Boden gut. Dennoch zeitigt die aggressive Strategie im Mobilbereich erste Erfolge. Die Werbeerlöse auf Smartphones und Tablets wachsen. Das große Ziel ist weiter im Blick: Facebook will nicht nur der Marktführer bei sozialen Netzwerken sein – wer eingeloggt ist, soll sich möglichst nicht mehr ins offene Internet verirren.

Wer gewinnt am Ende

Der Kampf um die Vorherrschaft im Internet ist lange nicht entschieden. Ob die großen vier dauerhaft ein Oligopol aufbauen können, ist beim Blick auf die Geschichte des Internets zweifelhaft. Werden die Kunden sich wirklich ganz von einem Anbieter vereinnahmen lassen? Gute Karten haben zurzeit Google und Amazon. Google beherrscht weiter den Suchmaschinenmarkt. Das Unternehmen expandiert systematisch. Amazon ist hingegen hungrig und aggressiv. Dass der Umgang mit den Mitarbeitern dabei zu wünschen übrig lässt, war in Deutschland ein PR-Desaster. Beim Aktienkurs ist Amazon aber ein Überflieger.

Fakten zu den ungleichen Riesen

Die Größe
– Auch wenn sie meist in einem Atemzug genannt werden, so sind doch die wirtschaftlichen Kennzahlen der sogenannten großen vier im Detail sehr unterschiedlich. Das soziale Netzwerk Facebook ist bei der Unternehmensgröße beispielsweise nur ein Außenseiter. Mit einem Jahresumsatz von 5,5 Milliarden Euro ist die Firma im Vergleich zu den 169,1 Milliarden von Apple geradezu ein Zwerg. Aber selbst ein Gigant wie Google kann Apple nicht das Wasser reichen und schafft nicht einmal ein Drittel des satten Jahresgewinns des Konkurrenten.

Der Börsenkurs
– Noch größer werden die Kontraste, wenn man auf das Urteil der Börse blickt. Trotz seiner Gewinne wurde Apple jüngst abgestraft: Im Jahresvergleich hat die Aktie mehr als 15 Prozent verloren. Aber damit steht das Unternehmen nicht allein . Facebook büßt immer noch für überzogene Hoffnungen, die mit dem Börsengang im Mai 2012 verbunden waren. Die Aktie liegt gut ein Drittel unter ihrem Ausgabepreis. Sie hat aber den Tiefpunkt überwunden. Astronomisch sind die Bewertungen von Amazon – angesichts des nicht existenten Gewinns.

Die Perspektiven
– Im Aktienkurs stecken Zukunftserwartungen. Im Falle von Amazon ist es die Hoffnung, dass trotz niedriger Margen das Unternehmen eine dominante Position auf seinen Märkten erringen kann. Die Umsätze der Firma sind so hoch, dass die Expansion problemlos aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden kann. Bei Facebook ist hingegen unklar, wie sein Datenschatz an Nutzerinformationen zu Geld gemacht werden kann. Google scheint im Vergleich dazu solide: Das Unternehmen hat gezeigt, wie man im Netz nachhaltig expandiert.