Von Ende der 50er bis Anfang der 90er hat in Aidlingen ein Märchengarten mit beweglichen Szenerien Menschen von nah und fern angelockt. Drei Männer haben die Mini-Windmühle und das Schwarzwaldhaus jetzt mit viel Liebe restauriert.

Aidlingen - Rotkäppchen, der böse Wolf, Schneewittchen und dazu weit mehr als nur sieben Zwerge im Bergwerk, beim Bobfahren, auf Karussell oder Sessellift – die idyllische kleine Märchenwelt an der ehemaligen Oberen Mühle in Aidlingen war bis Anfang der 90er für Eltern mit ihren Kindern ein wahrer Magnet. Und das wohlgemerkt weit über die Grenzen des Kreises Böblingen hinaus.

 

Von nah und fern strömten die Menschen an die Aid, um einen ausgiebigen Blick auf den liebe- und fantasievoll gestalteten Garten zu werfen. Diese Tage sind freilich vergangen, die herzigen Figuren gibt es nicht mehr. Dafür erinnern die Windmühle und das Schwarzwaldhaus mit Wasserrad immer noch an die schöne Zeit zurück. Der neue Besitzer Eberhard Oehler hat sie jüngst restauriert. Die Miniatur-Gebäude erstrahlen in neuem Glanz. Ein guter Anlass, um sich zurückzuerinnern.

Die Idee zu dem kleinen Märchenparadies im Ortskern hatte Eberhard Oehlers Vater Erwin. Mehr als 3000 Arbeitsstunden investierten er und Hermann Hirth nach Feierabend oder am Wochenende. 1956 begannen sie damit, erste Teile der Anlage waren 1958 fertig, der Rest folgte in den Jahren darauf. Der besondere Clou: Die beweglichen Szenerien, die über das Wasserrad – ohne zusätzliche elektrische Energie – angetrieben wurden. „Das war in der damaligen Zeit eine Sensation, ein technisches Wunderwerk“, weiß Eberhard Oehler, selbst Jahrgang 1958. „Alles lief über Drahtseile und Transmission. Das Wasser wurde vom Mühlkanal über eine Rinne zum Wasserrad geleitet.“

Der Ansturm war immens

Immer sonntags ackerten die Zwerge mit ihren Schubkarren im Stollen, tanzten Ringelreihen mit Schneewittchen, erfreuten sich an einer gemeinsamen Rodelpartie und schwebten am Lift hängend über das Gelände. Der Ansturm auf den Märchengarten war immens. Schnell hatte sich rumgesprochen, was das beschauliche Aidlingen da für eine fantastische Attraktion zu bieten hatte. „Das war fast schon wie eine kleine Bundesgartenschau“, vergleicht Eberhard Oehler.

Irgendwann wurde aber der Aufwand für den Unterhalt einfach zu groß. Anfang der 90er wurden diverse Parts, vornehmlich die beweglichen Männchen, stillgelegt. Nicht nur die Witterung hatte ihnen zugesetzt. Regelmäßige mechanische Arbeiten wären nötig gewesen, „das geht nicht so ohne Weiteres“, stellt der heute 62-Jährige klar. Windmühle und Schwarzwaldhaus blieben vorerst in Betrieb, wurden dann aber im Laufe der Jahre ebenfalls so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass sie für eine lange Weile nur noch brach dalagen. Bis Eberhard Oehler sich der Sache annahm.

Seit Oktober 2018 befindet sich das Gelände mit dem alten Mühlengebäude in seinem Besitz. Für ihn gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Windmühle und das Schwarzwaldhaus verfallen lassen oder alles restaurieren. „Wenn ich an meine Kindheit denke und daran, wie gerne ich in diesem Märchengarten war, eine leichte Entscheidung.“

Schließlich war es ab einem gewissen Alter sein Job gewesen, jeden Sonntag für den Betrieb zu sorgen. „Eine Aufgabe, die ich nur allzu gerne wahrgenommen habe“, erzählt er mit strahlenden Augen. Für die Beschickung des Wasserrads sorgen, bei den Zwergen nach dem Rechten sehen, während der Dämmerung die Beleuchtung anknipsen. „Es war einmalig, so was direkt vor der Haustür zu haben“, schwelgt Oehler in Erinnerungen. „Diese enge Bindung ist ganz schwer in Worten zu beschreiben, so was vergisst man einfach nicht.“

Wind und Wetter haben Spuren hinterlassen

Zunächst mussten die Dächer der Miniatur-Gebäude neu gedeckt werden, Wind und Wetter hatten die Schindeln stark in Mitleidenschaft gezogen. Dann war ein neuer Anstrich nötig, wobei Eberhard Oehler tatkräftige Unterstützung hatte. Hans-Joachim Jusztusz von der Aidlinger Malerwerkstätte Jusztusz und Nietsch übernahm alle Arbeiten kostenlos. „Er war in seiner Kindheit oft bei uns, ist wie ich damit aufgewachsen und hat sich deshalb so ins Zeug gelegt“, erzählt der Besitzer sehr dankbar.

Schließlich nutzte der gelernte Elektrotechniker selbst die freigewordenen Stunden in der passiven Altersteilzeit dazu, wieder eine Beleuchtung zu installieren. Die Berufserfahrung half ihm. Und was ist mit Schneewittchen, Rotkäppchen und Co.? „Die Mechanik wieder herzustellen, die mit den beweglichen Figuren verbunden ist, wäre zu kompliziert“, räumt Eberhard Oehler ein. „Auch die Wartung ist wegen der Witterung zu aufwendig.“ Dafür kommt demnächst ein neues Wasserrad, das dann die Windmühle wieder zum Laufen bringt. Das hat sich zwar etwas verzögert, aber demnächst soll es endlich soweit sein.

„Es wird keine Attraktion wie damals, das ist mir bewusst“,sagt Eberhard Oehler und nickt. Zumal es heutzutage vor allem für Kinder viele andere Beschäftigungen gebe. „Aber ich bin mir sicher, dass es auch jetzt einige Leute geben wird, die an dieser Stelle verweilen.“ Und viele Ältere werden sich bei dem Anblick an die Zeit erinnern, als der Aidlinger Märchengarten ein echter Publikumsmagnet war.