Auch der Schwäbische Heimatbund tut sich schwer, genügend Nachwuchs zu finden – und steht damit exemplarisch für viele Vereine im Land. Der Vorsitzende Josef Kreuzberger und der Geschäftsführer Bernd Langner sprechen über Hürden und Auswege.

Stuttgart - Seit mehr als hundert Jahren setzt sich der Schwäbische Heimatbund für Naturschutz, Denkmalpflege und Landeskunde ein. Der Heimatbund will nun die Aktivitäten der 17 Ortsgruppen stärken – und damit attraktiver werden.

 
Herr Kreuzberger, Herr Langner, Heimat ist en vogue. In Ihrem Vereinsnamen steckt sogar das Wort „Heimat“ drin – trotzdem sinkt Ihre Mitgliederzahl deutlich.
Kreuzberger: Auf das Thema Heimat stößt man permanent. Aber die neue Heimatliebe wirkt sich leider auf unseren zwischenzeitlich 108 Jahre alten und noch immer wunderbaren Verein nicht aus. Meine Erklärung dafür ist: Die Jugend will sich nicht mehr so stark an einen Verein binden. Zudem sind wir mit unserem breiten Angebot für junge Menschen oft nicht die erste Adresse. Wer den Naturschutz unterstützen will, geht lieber zum Nabu; wer alte Häuser schützen will, geht lieber zur Denkmalstiftung. Wir als breit aufgestellter Verein gucken ein wenig in die Röhre.
Langner: Die Vermarktung von Butter aus dem Allgäu unter dem Label ‚Aus unserer Heimat‘ hat mit unserer Vorstellung von Heimat nichts zu tun. Wir wollen nicht im Stil der Landlust Heimat vermitteln – sondern wir wollen Tiefe vermitteln, wir wollen unsere Identität erforschen. Wir vermitteln nicht Lust auf Heimat, sondern Heimat. Die Lust kommt hinterher.
Liegt Ihr Problem gerade darin, dass Sie zu viele Aktivitätsfelder haben und Ihr Profil nicht klar genug erkennbar ist?
Kreuzberger: Nein, das ist im Gegenteil unser Alleinstellungsmerkmal. Wir sind eben nicht nur ein Naturschutzverein, sondern breit aufgestellt, und wir wollen diese Felder miteinander verbinden. Das Problem ist mehr, dass junge Menschen lieber in Mitmachvereine gehen. Sie wollen sich engagieren, wollen etwas bewirken. Sie arbeiten lieber an einem Projekt mit oder gründen eine Bürgerinitiative.
Sie haben nie eine Jugendstruktur gehabt, aus der Mitglieder nachwachsen. Dieses Problem haben Sie mit vielen Geschichtsvereinen gemeinsam – und holt Sie jetzt ein?
Langner: Das ist in der Tat ein strukturelles Problem bei uns. Die Mitgliederzahl reicht nicht aus, um genügend Mittel zu generieren, damit wir eine hauptamtliche Struktur schaffen könnten, die Jugendgruppen etabliert. Wir sind darauf angewiesen, dass in den Ortsgruppen Projekte angestoßen werden, wo auch Jugendliche mitmachen.
Kreuzberger Die Jugend ist aber auch nicht wirklich unsere Zielgruppe. Wir bieten zum Beispiel keine Tanzgruppen an. Wir sind eben ein gesetztes Publikum.
Was hat sich in der Gesellschaft verändert, dass Sie heute Mitgliederprobleme haben?
Langner: Ein wichtiger Faktor ist die Demografie. Unsere Mitglieder sterben weg, und es kommen nicht genügend nach. Es gibt eine geringere Bindungswilligkeit, und es gibt eine größere Bandbreite an Angeboten in der Gesellschaft, die unsere Themenfelder auch abdecken. Wir haben außerdem eine große Wanderungsbereitschaft in der Gesellschaft. Die Zahl derer, die sich landsmannschaftlich zu uns hingezogen fühlen, wird immer weniger. Da denke ich weniger an Menschen aus dem Ausland, sondern an die starke innerdeutsche Wanderung. Die große Durchmischung ist ein Fakt.
Wo sehen Sie die Lösung?
Kreuzberger: Der zentrale Ansatz für uns ist, dass wir über unsere Ortsgruppen mehr Aktivitäten entfalten. Wir müssen unsere Struktur dort ausbauen. Wenn vor Ort etwas passiert und man sich dort um ein ganz konkretes Problem kümmert, etwa um ein umstrittenes Windrad oder um ein abrissbedrohtes altes Haus, dann stoßen auch neue Leute dazu. Solche Projekte sind begreifbar, da sind die Leute bereit, sich zu engagieren.
Langner: Ob wir so langfristig wieder mehr Mitglieder gewinnen, ist natürlich eine andere Frage. Das ist aber das Ziel. Wir haben keine institutionelle Förderung, wir müssen unsere regelmäßigen Einnahmen aus den Mitgliederbeiträgen generieren.
Mauert Sie das ein Stück weit ein? Vieles, was etwas bringen würde, kostet Geld.
Kreuzberger: Wir stellen dauernd die Frage, ob wir das bezahlen können.
Die Zahl der Vereine in Deutschland steigt weiter. Gehören Sie zur Verliererseite, weil sie Interessen vertreten, die oftmals erst mit dem Alter kommen?
Langner: Ich würde nicht sagen, wir sind die Verlierer. Aber wir laufen ein wenig hinterher.
Kreuzberger: Ja, wir scheinen ein wenig aus der Zeit gefallen. Aber solche Vereine haben eine ganz wichtige Bedeutung.
Langner: Die Frage ist doch: Wenn wir etwas aufgeben würden, um etwas anderes zu machen, ist das dann noch der gleiche Verein? Wir sollten am Grundcharakter unseres Vereins, auch an der breiten Aufstellung, nichts Wesentliches ändern. Das macht unseren Verein einzigartig. Würden wir uns gewaltig verändern, um uns neuen Bevölkerungsgruppen und neuen Themen zu öffnen, würde das bedeuten, dass wir andere Dinge zurücklassen müssten. Ich wäre sehr skeptisch, ob das funktioniert.
Fokussieren wir uns nochmals auf die Wege aus der Misere. Das Wichtigste sind mehr Aktivitäten in den Ortsgruppen. Was noch?
Kreuzberger: Wir müssen mehr im Internet präsent sein. Da tun wir noch zu wenig.
Langner: Es wird jetzt auch etwas passieren, wir werden bald bei Facebook mit Hinweisen vertreten sein. Aber wir müssen uns auch im Klaren sein: Es gehört nicht zu unserem Portfolio, jeden Tag oder gar jede Stunde eine neue Nachricht rauszuhauen. Unsere Themen haben einen langen Atem, unsere Projekte dauern oft Jahre.
Sie gehen sehr offensiv mit dem Problem des Mitgliederschwunds um. Warum?
Kreuzberger: Es hat sich bei uns eine Gruppe gegründet, der die Diskussion innerhalb des Vereins beflügelt und darauf gedrungen hat, dass wir den Mitgliederschwund thematisieren. Dieser Kreis setzt nun neue Impulse. Sie gehen in die genannte Richtung mit den Ortsgruppen.
Wenn Sie einen Slogan kreieren müssten, mit dem Sie in zwei Sätzen beschreiben, was den Heimatbund ausmacht und warum er unverzichtbar ist, wie lautete dieser Slogan?
Langner: Heimat mit Tiefgang.
Respekt, das sind sogar nur drei Worte…
Langner: Dafür haben wir immer gestanden und dafür wollen wir auch heute noch stehen. Heimat ist kein Biolabel und kein Marketingslogan, sondern Heimat ist etwas, bei dem es sich lohnt, zwei oder drei Mal hinzuschauen.
Kreuzberger: Heimat mit Vielfalt: Naturschutz, Denkmalschutz, Kultur.

Der Heimatbund blickt auf eine lange Geschichte zurück

Heimatbund
: Der Schwäbische Heimatbund (SHB) ist im Jahr 1909 gegründet worden. Heute hat er rund 4500 Mitglieder; das sind deutlich weniger als um die Jahrtausendwende. Im Bereich Naturschutz kümmert sich der Verein um 280 Hektar eigene Flächen. Im Denkmalschutz prämiert der Heimatbund regelmäßig herausragende Gebäudesanierungen. Und auf dem Feld der Landesgeschichte werden jährlich 80 Exkursionen und Vorträge organisiert. Derzeit gibt es 17 Ortsgruppen.

Josef Kreuzberger:
Der 1953 geborene Jurist ist seit 2015 der Vorsitzende des Schwäbischen Heimatbundes. Kreuzberger hat lange in Staatsministerium und Regierungspräsidium gearbeitet, seit 2010 leitet er als Ministerialdirigent eine Abteilung des Umweltministeriums.

Bernd Langner
: Als Kunsthistoriker und Germanist hat der 1960 geborene Bernd Langner an der Uni Stuttgart und beim Landesdenkmalamt gearbeitet. Seit 2013 ist er Geschäftsführer des SHB. Die Geschäftsstelle liegt in einem der ältesten Häuser Stuttgarts im Rotlichtviertel.