Das fabelhafte 4:1 des BVB über Real Madrid im Champions-League-Halbfinale wird überdeckt von Transfergerüchten um Robert Lewandowski. Allerdings hat der Stürmer einen bis Juni 2014 laufenden Vertrag mit Dortmund und keine Ausstiegsklausel.

Dortmund - Als der Gigant den Ort seiner Großtaten verlassen hatte und im fahlen Licht der Interviewzone auftauchte, wirkte er mit einem Mal erstaunlich schmächtig. Kurz vorher war der stolze Weltstar Cristiano Ronaldo vorbeigestöckelt, bestaunt wie ein exotisches Tier. Männer mit Kameras auf den Schultern waren aufgeregt umhergesprintet, glatzköpfige Bodyguards hatten mit wichtigem Blick ihre Arbeit verrichtet und später entschlossen den Aufruhr um die entzauberte Real-Trainerikone José Mourinho sortiert.

 

Zuvor auf dem Rasen allerdings, da hatte Robert Lewandowski alle überstrahlt. Dieser große Stürmer, der nun fast gebeugt und mit blassem Gesicht von Reportergrüppchen zu Reportergrüppchen schlenderte und mit dünner Stimme sagte: „Vier Tore habe ich als Profi noch nie in einem Spiel geschossen, und dann klappt das im Champions-League-Halbfinale. Schon geil.“ Das war die lapidare Umschreibung dafür, dass die Borussia das staunende Publikum auf der ganzen Welt mit einer umwerfend guten Mannschaftsleistung verzückt und den Weltclub Real Madrid mit 4:1 gedemütigt hatte – und der erstaunlichste Dortmunder war Lewandowski gewesen.

Alle verneigen sich vor Robert Lewandowski

„Am schwarzen Himmel über Dortmund strahlt nur Lewandowskis Stern“ war tags darauf im Real-Hausblatt „Marca“ zu lesen, und der BVB-Innenverteidiger Neven Subotic sagte: „Das ist die Crème de la Crème der Weltklasse. Was der Robert macht, macht sonst keiner auf der Welt, im Moment nicht mal Lionel Messi.“

Natürlich führt Lewandowski die Torjägerliste der Bundesliga an, aber mit diesem Abend ist er endgültig in die kleine Gruppe jener Stürmer aufgestiegen, die jeder Club auf diesem Planeten gerne haben möchte. Es würde nicht verwundern, wenn bald irgendein Scheich käme, um eine Summe zu bieten, welche die 37 Millionen Euro, die der FC Bayern für Mario Götze bezahlt, bei Weitem übersteigen könnte.

Widersprüchliche Aussagen zur Zukunft des Stürmers

Allerdings hat Lewandowski einen bis Juni 2014 laufenden Vertrag mit dem BVB und im Gegensatz zu Götze keine Ausstiegsklausel. Gerüchte über die Zukunft des Angreifers geistern dennoch durch die Fußballwelt. Seit Monaten berichten unterschiedliche Quellen, Lewandowski habe bereits eine feste Vereinbarung mit dem möglichen Finalgegner in einem möglichen deutschen Champions-League-Endspiel. In dieser Woche zitierte die „Sport Bild“ Lewandowskis Berater Maik Barthel: „Wir sind uns mit einem Verein einig und haben vor, diesen Sommer zu wechseln.“ Der Dortmunder Sportdirektor Michael Zorc widerspricht dieser Darstellung: Es liege keine Anfrage für Lewandowski vor, sagt er, „Stand heute“ gebe es daher „für uns keine Veranlassung, über eine neue Entwicklung nachzudenken“.

Allerdings sagte ein gewisser Enrique Reyes, ein spanischer Berater und Vertrauter des Münchner Trainers Jupp Heynckes, einem Radiosender: „Sie (die Bayern, Anm. d. Redaktion) haben die Unterschrift von Lewandowski. Sie haben Götze und Lewandowski. Sie machen es genauso, wie sie es mit Javier Martínez getan haben.“ Und „Spiegel-Online“ meldete gestern, dass die Münchner am Samstag eine erste Offerte für den Polen abgegeben haben. Höhe der Ablösesumme: 25 Millionen Euro.

Finanznot ist kein Grund für einen Transfer

Der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp hingegen verkündete, er sei sich „ziemlich sicher, dass Lewandowski bleiben wird“ – aber das muss kein Widerspruch sein. Möglicherweise hat der Stürmer mit den Münchnern abgemacht, entweder im Sommer gegen eine Ablösesumme an die Isar zu wechseln – oder, wenn die Dortmunder das nicht wollen, 2014 ablösefrei nach München zu kommen. Finanznot jedenfalls scheint für die Schwarz-Gelben kein Grund für einen Transfer zu sein. „Wir haben in der Champions League ordentlich verdient – und wir bekommen schon für Mario Geld, das wir nicht wollen“, erläuterte Klopp die Interessen des BVB: „Und außerdem wirkt Robert nicht so, als wäre er auf der Flucht.“

Für den BVB wäre der Verbleib des Stürmers aber nicht nur wegen seiner Qualitäten als Fußballer von großer Bedeutung, auch als Signal an die Kollegen, denen ebenfalls interessante Angebote vorliegen sollen (Hummels und Gündogan vom FC Barcelona etc. pp.). Es wäre fatal, wenn innerhalb des Kaders der Eindruck entstünde, das große Projekt zerfalle nach dem Champions-League-Finale im Mai in seine Einzelteile. „Ich sage gar nichts, denn ich bin konzentriert, was ich jetzt mit Dortmund mache“, wich Lewandowski der Frage nach seinen Plänen indes routiniert aus.

Warnungen vor dem Rückspiel in Madrid

Statt Gerüchte aus der Welt zu schaffen, warnte er lieber vor den Gefahren des Rückspiels in Madrid. „Wir haben erst einen Schritt gemacht und müssen bei Real noch einmal sehr gut spielen“, sagte der 24-Jährige, der genau weiß, dass das Publikum im mächtigen Bernabéustadion eine ähnlich furchteinflößende Atmosphäre erzeugen kann wie die Fans im Westfalenstadion. Außerdem müssen die Dortmunder nach dieser Demonstration – wie im schwachen Rückspiel gegen Málaga – ihre bequeme Außenseiterrolle aufgeben.

Das ist ein Gedanke, der Jürgen Klopp gar nicht gefällt. Durch solche Überlegungen „so einen fantastischen Abend zu schmälern, finde ich blöd“, sagte der Trainer, der sich jenseits der vielen Nebenkriegsschauplätze am liebsten einfach nur über Herrlichkeit des Augenblicks freuen wollte: „Selbst wenn wir in Madrid rausfliegen sollten: diesen Abend hier, den kann uns niemand mehr nehmen.“