Geh- und Sehbehinderte mühen sich auf Kopfsteinpflaster. In Winnenden soll nun eine breite Spur den Weg durch die Marktstraße leichter machen. Der Gemeinderat steht hinter dem Plan.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Der Architekt und Stadtrat Dieter Rommel (Freie Wähler) geht in seinem Statement zu den Ergebnissen des Arbeitskreises Rollatorspur zeitlich ein gutes Stück zurück. „In den 70er-Jahren war man etwas zu romantisch, was die Pflastersteine in den damals neuen Fußgängerzonen anging.“ Denn die schön anzusehenden Steinmuster sind für viele ein ziemliches Hindernis. Nicht nur Gehbehinderte oder Trägerinnen von Highheels haben Probleme, auch Sehbehinderte geraten darauf rasch in die Orientierungslosigkeit.

 

Behindertgerechte Spur im Kopfsteinpflaster

Deshalb hatte es aus der Winnender Bürgerschaft heraus den Vorschlag gegeben, in das Pflaster der Marktstraße eine ein Meter breite Asphaltspur zu ziehen, die ein barrierefreies Vorankommen ermöglichen soll. Zwar beschloss der Gemeinderat vor einem Jahr deren Realisierung für rund 150 000 Euro, doch wurde der Plan angesichts einer drohenden Kostenexplosion wieder kassiert. Nun hat der daraufhin geschaffene „Arbeitskreis Rollatorspur“ unter der Leitung des Ersten Bürgermeisters Norbert Sailer seine Erkenntnisse vorgetragen. Der Tenor: Eine Spur muss sein, auch wenn sie kostet!

In dem Arbeitskreis waren Betroffene wie der Sehbehinderte Dietmar Class oder die Rollstuhlfahrerin Angelika Bochnig beteiligt. Diese vermittelten den anderen Teilnehmern, wie mühselig es ist, sich mit Einschränkungen auf Kopfsteinpflaster zu bewegen. „Mir war die Vielfalt an Straßenbelägen nicht bewusst“, sagte die CDU-Stadträtin Petra Schäftlmeier. „Ich gehe mittlerweile mit einem anderen Blick durch Innenstädte“, ergänzte ihre SPD-Kollegin Renate Sanzenbacher.

Der Arbeitskreis war einen Tag lang auf Exkursion in anderen Städten und Gemeinden, um Pflaster-Lösungen in Stuttgart, Esslingen, Schorndorf, Bietigheim und Besigheim in Augenschein zu nehmen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die zuerst geplante, in das Pflaster integrierte „Rollatorspur“ aus Asphalt mit einem seitlichen „Blindenleitstein“ nicht kostengünstiger wäre. „Auch dazu müsste das Pflaster komplett von Rinne zu Rinne entfernt werden“, erklärte Sailer dem Gemeinderat. Zwischen den wasserführenden Rinnen, die an den Seiten des Marktstraßenpflasters verlaufen, sind die Steine in sogenannten Segmentbögen verlegt. Werden diese unterbrochen, sei der Rest instabil. Das Segmentbogenpflaster müsse also in jedem Fall komplett entfernt werden.

Die Lösung: Platten statt Asphalt

Das ist der Ausgangspunkt, an dem der Lösungsvorschlag der Arbeitsgruppe ansetzt. Der Raum zwischen den Rinnen wird nicht asphaltiert, sondern mit einem Betonpflaster versehen. Dieses ist nicht nur an der Oberfläche flach, es passt auch farblich besser zu den Pflastersteinen an den Rändern. Der Blindenleitstein verläuft bei dem Lösungsvorschlag in der Mitte. Dadurch würde dieser auch an Markttagen nicht verstellt. „Kein Belag, der Blinden bei der Orientierung helfen soll, nützt etwas, wenn er zugeparkt wird“, so Sailer, egal ob durch Autos, Stühle oder Marktstände.

Im Gemeinderat stieß der Vorschlag auf allgemeine Zustimmung. Allerdings gab Richard Fischer, der CDU-Fraktionssprecher, zu bedenken, dass seine Partei bereits im vergangenen Jahr vergeblich vorgeschlagen habe, sich erst andernorts umzuschauen. „Den Vorschlag, die Seitenstraßen und den Kronenplatz in die Planung aufzunehmen, halten wir für richtig.“

Der Gemeinderat unterstützte den Vorschlag des Arbeitskreises einstimmig. Außerdem beauftragte er die Verwaltung, nun zu planen und die Kosten zu ermitteln.

Schorndorf: Bodenbelag stößt auf Bedenken

Schorndorf - Wenn es um das künftige Aussehen der Pflasterung in der Altstadt geht, so wird die Diskussion in den Gremien des Schorndorfer Gemeinderates mitunter recht emotional. Die Ratsmitglieder begreifen ihre Innenstadt als ihre „gute Stube“, über deren Möblierung sie auch gerne etwas länger diskutieren. So ist es vor kurzem auch mit einem gut 20 Meter langen Abschnitt der Höllgasse gewesen. Mit sechs Gegenstimmen wurde nach hitziger Diskussion beschlossen, Granitsteine zu verwenden, wie sie bereits an anderer Stelle der Innenstadt, in der Hetzelgasse, vor kurzem verlegt worden sind. Lediglich direkt vor dem dortigen Daimler-Geburthaus soll das bisherige Pflaster erhalten bleiben. Die neuen Granitsteine gelten für Rollatoren und Kinderwägen als viel benutzerfreundlicher im Vergleich zum bisherigen kantigen und mit Speis fest verfugten Pflaster. Die Kosten dafür werden 150 000 Euro betragen.

Sie müsse nun „fast emotional werden“, beschwerte sich die Freie-Wähler-Stadträtin Agi Schilling. Seit sie in der Höllgasse wohne, habe sie bereits drei Sanierungen erlebt, jedes Mal sei darauf geachtet worden, dass sich das Pflaster gut in die Altstadt einpasst. Die jetzt favorisierten Granitsteine „sehen nicht gut aus“, monierte Agi Schilling. In der Mitte der Straße solle vielmehr eine Art Band für Rollatoren, Kinderwagen und Leute mit Stöckelschuhen geschaffen werden. Alles andere sei eine „Flickschusterei sondersgleichen“.

Der Grünen-Fraktionssprecher Werner Neher betonte indes, die Steine seien in der Hetzelgasse nicht sauber verlegt worden. Eine solche Art von Pflaster müsse eigentlich halbkreisförmig i angeordnet sein. Er bitte sehr darum, dass dies in der Höllgasse so beachtet werde.

Diese Argumente fanden unter anderem keine Mehrheit, weil die Verwaltungsseite dagegen hielt. Eine Rollatorenspur „passt nicht zu unserem historischen Pflaster“, sagte der Baubürgermeister Andreas Stanicki. Und das halbkreisförmige Verlegen der Steine empfand der Tiefbauamtsleiter Herbert Schuck als nicht ratsam. Die Höllgasse weise zu viele enge Zwickel auf, in denen die vorgeschlagenen Rundbögen nicht genug Platz hätten.