Exklusiv Der Unfall eines Gaszugs wegen maroder Gleise hat für zwei Mitarbeiter juristische Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat Ermittlungen gegen sie eingeleitet.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Der gefährliche Unfall eines Gas-Zugs wegen völlig maroder Gleise bringt den Staatskonzern weiter unter Druck. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und die Bundespolizei beschuldigen nun zwei Mitarbeiter, ihre Sorgfaltspflichten vernachlässigt und dadurch Menschenleben gefährdet zu haben. „Wir ermitteln wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr gegen zwei Verantwortliche der Deutschen Bahn“, sagte Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück der Stuttgarter Zeitung. Den Beschuldigten könnten laut Strafgesetzbuch bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft oder zumindest hohe Geldstrafen drohen.

 

Wie berichtet entgleiste am 2. Juli vorigen Jahres in Düsseldorf-Derendorf nahe der Altstadt ein Tankwagenzug mit Hunderten Tonnen des hochexplosivem Gases Propen, das bei einer Entzündung eine Katastrophe verursacht hätte. Als alarmierende Unfallursache ermittelte die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (EUB) inzwischen völlig verrottete Bahnschwellen, die längst hätten ausgetauscht werden müssen und auf denen die Gleise nicht mehr richtig befestigt werden konnten. Die Mängel waren laut dem Untersuchungsbericht nicht zu übersehen. Trotzdem tauchten die gefährlichen Sicherheitsrisiken in keinem Inspektionsprotokoll der Jahre 2010, 2011 und 2012 auf. Die letzte Kontrolle der zuständigen DB Netz AG fand am 11. September 2012 statt. Für 5,3 Kilometer Gleisanlagen hatten die Inspekteure des Geschäftsbereichs Fahrbahn laut Protokoll nur 127 Minuten Zeit, also eine Minute für 42 Meter Gleise. Die Ermittler gehen von gravierendem Fehlverhalten aus. „Nach dem EUB-Untersuchungsbericht waren die Schäden am Gleis schon offensichtlich und die Gefahr einer Entgleisung absehbar, wurden aber trotzdem nicht gemeldet“, betont Oberstaatsanwalt Herrenbrück. Der Unfall der Gaskesselwagen in Düsseldorf löste einen Großalarm und die Sperrung des angrenzenden Stadtteils aus, eine Explosion konnte aber verhindert werden. Der Sachschaden war hoch, Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden. Bei einer Explosion hätte den Verantwortlichen eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung gedroht. Die Bundespolizei wollte die Beschuldigten bereits vernehmen, diese lehnten aber bisher eine Aussage ab. Die Deutsche Bahn räumt auf Anfrage ein, dass "eine schlechte Gleislage" den Unfall in Düsseldorf verursacht habe. Man habe darauf bundesweite "Sonderinspektionen" bei ähnlichen Gleisanlagen veranlasst. Die Inspektionen an "sonstigen Hauptgleisen" wie in Düsseldorf werde einmal im Jahr durch eine "Fachkraft Fahrbahn" durchgeführt und alle zwei Jahre durch den Anlagenverantwortlichen. Vor dem Unfall habe es keine internen Befunde gegeben. Nach dem Unfall stellte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) aber weitere Mängel an benachbarten Gleisanlagen fest, wie die Kontrollbehörde auf Nachfrage bestätigt.

Experten sehen tieferliegende Ursachen

Experten sehen in der Akte Düsseldorf tieferliegende Ursachen und keinen Einzelfall. So werden immer mehr Bahnunfälle wegen maroder Gleise und mangelnder Instandhaltung bekannt. Zudem rügte das EBA wie berichtet allein in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr als 100 Sicherheitsrisiken bei der DB Netz und leitete deshalb 81 Verfahren gegen die DB ein. DB-Chef Rüdiger Grube weist jedoch Vorwürfe zurück, der unter Ertragsproblemen leidende Staatskonzern spare auf Kosten der Sicherheit.

Die in Düsseldorf ansässige Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erklärte auf Anfrage, es sei in den vergangenen Jahren „an der falschen Stelle“ gespart worden. Das gelte für die Straße wie für die Schiene. „Wir müssen den dramatischen Sanierungsstau in der  Verkehrsinfrastruktur dringend auflösen, um sichere Verkehrswege garantieren zu können“, sagte Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) der Stuttgarter Zeitung. Zwar gelte inzwischen das Prinzip Erhalt vor Neubau, aber noch immer stehe für die gewaltigen Herausforderungen zu wenig Geld zur Verfügung.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt wollte auf Anfrage keine Stellungnahme zum Fall Düsseldorf abgeben. Der CSU-Minister verweist lediglich auf Informationen seiner Aufsichtsbehörde EBA, wonach Bahn- und Infrastrukturunternehmen wie die DB Netz laut Gesetz uneingeschränkt selbst verantwortlich seien für den Bau sicherer Anlagen und den betriebssicheren Zustand. Die DB Netz habe zudem ein eigenes Regelwerk, wonach sämtliche Strecken regelmäßig inspiziert werden müssten. Das EBA überwache das durch Stichproben und schreite ein, falls es „im Einzelfall nötig sein sollte“. In Düsseldorf habe das EBA nach dem Unfall weitere Mängel an einem Gleis festgestellt, auch diese seien dann wenige Tage später behoben worden.

// Der Unfallbericht steht unter
www.eisenbahn-unfalluntersuchung.de