Stuttgart - Es gibt Wintersportarten, in denen deutsche Athletinnen und Athleten von einem Platz auf dem Podest nur träumen können. Dazu gehören die trendigen Disziplinen auf Skiern und Snowboard, die in der Halfpipe, auf der Big-Air-Schanze oder im Slopestyle-Parcours ausgetragen werden, aber auch traditionelle Wettbewerbe wie das Eiskunst- oder Eisschnelllaufen. Und in dieser Olympiasaison gingen sogar die erfolgsverwöhnten Biathletinnen leer aus. Generell gilt: Wer es als deutscher Wintersportler im Weltcup 2021/2022 aufs Podium geschafft hat, muss sich normalerweise keine großen Sorgen mehr ums Ticket zu den Winterspielen nach Peking machen. Eine Ausnahme sind die nordischen Kombinierer.
Den Ton auf der Schanze und in der Loipe gibt Jarl Magnus Riiber an. Der Norweger gewann sieben der ersten acht Rennen, einmal wurde er wegen eines nicht regelkonformen Sprunganzugs disqualifiziert. Doch hinter ihm sind die Deutschen gut bei der Musik. 14 Podestplätze holten sie diese Saison, allein vier zuletzt in den beiden Wettbewerben in Val die Fiemme, die Riiber wegen seiner Rückenprobleme ausließ. Der Dominator wird auch an diesem Wochenende in Klingenthal fehlen, umso motivierter sind die Gastgeber. Denn es geht für sie nicht nur um Top-Platzierungen, sondern auch um die Olympianominierung. „Auf der einen Seite ist es klasse, dass das Niveau in unserem Team so gut ist“, sagt Johannes Rydzek, „andererseits ist es für jeden Einzelnen eine ganz spezielle Situation.“ Zumindest für fast jeden.
Ein Quintett ist noch im Rennen
Zwei Tickets hat Bundestrainer Hermann Weinbuch bereits vergeben. An den dreimaligen Olympiasieger und siebenmaligen Weltmeister Eric Frenzel (33), der in Peking seine vierten Spiele erleben wird. Und an Team-Olympiasieger Vinzenz Geiger (24), der zuletzt in Val di Fiemme auf die Plätze zwei und eins lief. „Alle anderen“, sagt Weinbuch, „sind noch im Rennen.“
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Die weiteren drei Athleten wird der Coach noch am Sonntagabend in Klingenthal benennen, denn der für nächste Woche geplante Trip nach Slowenien entfällt: Planica kapituliert vor dem Coronavirus.
Dem finalen Formtest an diesem Samstag (9.45 Uhr Springen/13.35 Uhr 10-km-Lauf) und Sonntag (11.30 Uhr/15.30 Uhr) stellt sich ein Quintett: Terence Weber (25), der zweite deutsche Sieger in dieser Saison, Team-Olympiasieger und -Weltmeister Fabian Rießle (31), Julian Schmid (22), Manuel Faißt (29) und Johannes Rydzek (30). Der Doppel-Olympiasieger und sechsmalige Weltmeister schaffte in Val die Fiemme erstmals nach drei Jahren wieder den Sprung aufs Podium. „Das habe ich unglaublich genossen“, sagt Rydzek, der nach Rang drei nun auf einer Stufe steht mit Rießle (2.), Schmid (3.) und Faißt (3.), die alle im Dezember beim Weltcup-Wochenende in Otepää/Estland ihr Olympiasoll übererfüllten. „Rydschi hatte in Val di Fiemme die Laufbestzeit, das macht die Nominierung für uns noch mal schwieriger“, meint Hermann Weinbuch, „es ist ein enges Rennen. Denn eigentlich kann jeder jeden schlagen.“
Der Konkurrenzkampf beflügelt
Der Bundestrainer hat die Qual der Wahl, was ihn vom einen oder anderen Kollegen trennt. Peter Schlickenrieder, der Chefcoach der Langläufer, appellierte zuletzt an den Deutschen Olympischen Sportbund, doch bitte schön Milde walten zu lassen. Würden nur Athletinnen und Athleten mit erfüllter Norm nominiert werden, hätte er große Probleme, in Peking eine konkurrenzfähige Staffel an den Start zu bringen. Bei den Kombinierern läuft es anders, obwohl ihre interne Norm (2x Top 6 oder 3x Top 8) wesentlich härter ist. „Bei uns gibt es ein Luxusproblem, um das uns andere beneiden“, meint Johannes Rydzek. Und Manuel Faißt sagt: „Im Training ist das hohe Niveau in unserem Team ein perfekter Gradmesser, der Konkurrenzkampf beflügelt absolut.“
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Das ist die eine Seite. Die andere? Weinbuch muss zwei Weltklasse-Athleten zu Hause lassen. Der Bundestrainer hat nun die Aufgabe, möglichst gut einzuschätzen, wer in drei Wochen in Peking am besten in Form sein wird, wer dem Druck am besten gewachsen ist, wie viel die Erfahrung zählt. „Ich bin mir sicher, dass die Nominierung fair und transparent ablaufen wird“, sagt Manuel Faißt, „gleichzeitig wäre es schon extrem bitter, nicht dabei zu sein.“
Zwei aus dem Kombiniererteam wird es treffen, die Enttäuschung folglich groß sein. Vielleicht ja auch darüber, nicht längst Kunststücke in der Halfpipe oder Sprünge auf der Big-Air-Schanze erlernt zu haben.