Berlin und Hamburg wollen sich um die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 bewerben. Aber was wollen die Bürger? Das sollen Bürgerentscheide klären - die aber auch den Traum platzen lassen könnten.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Es ist der Tag der Worte. Gesprochen werden sie in Berlin und Hamburg, zeitgleich um 11 Uhr. Es ist ein Fernduell der Argumente. Beide Städte haben ihr Interesse an Olympischen Spielen bekundet – und am Montag haben sie erläutert, warum. Und wie. Und überhaupt so.

 

Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagt: „Berlin ist Plattform für Höchstleistungen. Berlin hat gezeigt, dass es Großereignisse mit Professionalität, Herzlichkeit und Wärme austragen kann.“

Auch Düsseldorf hat Interesse an einer Bewerbung gezeigt

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagt: „Hamburg will den Beweis antreten, dass ein demokratischer Staat Olympische Spiele austragen kann, ohne sich hoffnungslos zu verschulden.“

Am Montag hat damit ein neuer Ringe-Zyklus in Deutschland begonnen – der aber noch in einem sehr frühen Stadium der Aufführung ist. „Wir freuen uns, dass zwei starke Großstädte mit international hoher Akzeptanz Olympische Spiele ausrichten wollen“, sagt der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), Alfons Hörmann; auch Düsseldorf hat übrigens Interesse signalisiert. Das letzte Wort auf nationaler Ebene hat der DOSB, der sich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) mit einer Stadt bewerben muss.

Abkehr von der olympischen Großmannsucht

Der DOSB wird nun in seinen Gremien und auf seiner Mitgliederversammlung am 6. Dezember darüber diskutieren. Mit einer Entscheidung, ob (wohl ja) und für wann (2024 oder später) und mit wem, wird erst 2015 gerechnet. Der DOSB hätte bekanntlich gerne Olympische Spiele, Konsens in der Bevölkerung ist das aber nicht. Und das ist eines der Probleme einer Bewerbung.

Berlin propagiert wie auch Hamburg auf dem Papier Bürgerbeteiligung und eine Abkehr von der olympischen Großmannsucht, um die Gegner zu besänftigen: „Wir wollen eine Rückbesinnung auf die olympische Idee. Die Athletin und der Athlet müssen im Mittelpunkt der Bewerbung stehen und nicht Funktionäre oder andere Randerscheinungen“, sagt Wowereit. Mit 2,4 Milliarden Euro Kosten kalkulieren sie in Berlin, was vergleichsweise wenig ist, bekanntermaßen steigen Ausgaben aber im Prozess gerne deutlich, womit sie ja sowohl in Berlin (Flughafen) als auch in Hamburg (Elbphilharmonie) reichlich Erfahrung haben. Die Kosten für das Bewerbungsverfahren werden auf 50 Millionen Euro taxiert.

In Hamburg und Berlin sind Bürgerentscheide geplant

Und wofür? Das ist die große Frage, auf die die Bewerber und der deutsche Sport eine Antwort geben müssen. Die Vorbehalte gegenüber derartigen sportlichen Großereignissen sind groß: da wäre das miserable Ansehen mächtiger Sportorganisationen wie dem IOC, die Kosten von mehreren Milliarden Euro für ein 16-tägiges Ereignis und der höchst umstrittene Nutzen solcher Prestigeveranstaltungen. Das ist übrigens kein rein deutsches Phänomen: In vielen westlichen Ländern ist die Lust auf das Ringe-Spektakel massiv gesunken. Viele Bewerbungen scheiterten zuletzt am Misstrauensvotum der betroffenen Bewohner, als Nächstes könnte so Oslos Bewerbung um die Winterspiele 2022 vorzeitig enden, die Zustimmungsraten in der norwegischen Bevölkerung sind verheerend.

Auch Hamburg und Berlin planen Bürgerentscheide – und auch dort könnte dieses Votum die Träume platzen lassen. So war es zumindest beim letzten Versuch, das  größte Sportereignis der Welt nach Deutschland zu bringen oder genauer gesagt: sich darum zu bewerben. An dieser Hürde scheiterte Münchens Versuch für die Winterspiele 2022. Die Bürger in der bayerischen Landeshauptstadt sowie den Gemeinden in den Bergen entschieden sich 2013 dagegen. Es war eine krachende Niederlage der Politik gegen den Souverän. Die einen sagen, weil es versäumt wurde, die Menschen mitzunehmen und vom Nutzen zu überzeugen, die anderen sagen, weil es schlicht keinen nachhaltigen Nutzen gibt.

Ein Selbstläufer wäre eine deutsche Bewerbung nicht

In Hamburg und vor allem Berlin beginnt diese Debatte nun von Neuem. „Olympische Sommerspiele zu veranstalten ist ein nationales Projekt, hinter dem ganz Deutschland stehen müsste“, sagt der DOSB-Generaldirektor Michael Vesper.

Ein Selbstläufer wäre eine Bewerbung aber so oder so nicht. Deutschland mag sich als starken Kandidaten sehen, und die letzten Sommerspiele liegen ja auch schon lange zurück (1972, München), so dass die sportaffine BRD eigentlich mal wieder dran wäre. Die Realität ist aber eine andere.

So will sich der DFB für die Fußball-EM im Olympiajahr 2024 bewerben (und gilt als Favorit), aus den USA wird überdies eine Bewerbung für Olympia 2024 erwartet – der dann beste Chancen eingeräumt werden. Die USA sind trotz der IOC-Osterweiterung der wichtigste TV- und Sponsorenmarkt und damit der größte Finanzier der olympischen Bewegung. Olympia 2024 ist also eher unwahrscheinlich. Sowohl Hamburg als auch Berlin würden es im Falle einer gescheiterten Bewerbung für 2024 auch 2028 noch mal versuchen wollen.

Berlin oder Hamburg? Es kann nur einen geben.

Geschichte
Dreimal fanden Olympische Spiele in Deutschland statt: 1936 die Sommerspiele in Berlin und die Winterspiele in Garmisch, 1972 Sommerspiele in München. Gescheiterte Bewerbungen nach 1945: Berlin (für Sommerspiele 2000), Leipzig (2012), Garmisch-Partenkirchen (für Winterspiele 1966), Berchtesgaden (1992) und zuletzt München (2018).

Berlin
existierende Sportstätten sollen genutzt werden. Eine Milliarde soll für temporäre Sportstätten ausgegeben werden, je 250 Millionen Euro entfallen laut Grobkonzept auf den Um- und Ausbau bestehender Infrastruktur und Neubauten. Wettkämpfe könnten auch in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen ausgetragen werden.

Hamburg
Mit einem innerstädtischen Konzept der kurzen Wege will Hamburg überzeugen. Als zentraler Austragungsort ist die Elbinsel Kleiner Grasbrook vorgesehen. Dort sollen unter anderem das Olympiastadion und das olympische Dorf gebaut werden. Die meisten Sportstätten befinden sich vom Olympiastadion aus in einem Radius von zehn Kilometern.