Exklusiv Die Steuergewerkschaft kritisiert die Pläne von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die vollständig digitale Bearbeitung der Steuererklärungen in den Finanzämtern zu ermöglichen – ohne große personelle Prüfung. Dies könne zu Einnahmeausfällen führen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Im Bundesfinanzministerium wird die volldigitalisierte Bearbeitung von Steuererklärungen erwogen. Schon 2016 sollen Computer die Fälle prüfen und Steuerbescheide erteilen, heißt es in einem Diskussionspapier für eine Arbeitsgruppe mit den Ländern. Belege würden dann nur gezielt angefordert. Die Deutsche Steuergewerkschaft ist amüsiert: Dass Steuererklärungen ohne gesondertes Eingreifen der Finanzbeamten abgearbeitet werden, gebe es in Baden-Württemberg seit einigen Jahren, sagt ihr Chef Thomas Eigenthaler. „Hat man das in Berlin nicht mitbekommen?“

 

Gemeint ist das Risikomanagementsystem, bei dem Steuererklärungen ungeprüft durchlaufen. Diese sogenannten Autofälle machen aber nur einen Anteil von weniger als zehn Prozent aus, weil der Risikofilter so justiert ist, dass er rasch Ungereimtheiten erkennt. Neu am Plan des Schäuble-Ministeriums wäre es, den Filter zu öffnen. Da setzt Eigenthalers Kritik an: „Wenn die Maschine so unscharf eingestellt wird, dass sie die Risikopotenziale nicht mehr in dem Maße erkennt, wie es sein sollte, kann dies Steuerausfälle bedeuten“, warnt er. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Filter so einstellt, um viele Fälle ohne personelle Prüfung durchzuziehen.“ Gerade im Südwesten sei die Sachlage oft kompliziert, weil viele Arbeitnehmer Nebeneinkünfte hätten. Zudem stünde die Steuerehrlichkeit in Frage: „Wenn Bürger ihr Risiko einschätzen können und die Filter geöffnet sind, animiert das dazu, die Grenzen auszutesten“, so der Gewerkschaftschef. Derlei Erfahrungen gebe es auch in Nachbarländern wie Dänemark.

Wartezeiten werden immer länger

Motivation der Politik dürfte es sein, nicht nur Personal in den Finanzbehörden einzusparen, sondern auch die Bürger nicht mehr monatelang auf den Bescheid warten zu lassen. „Die Wartezeiten sind tendenziell länger geworden“, bestätigt Eigenthaler. Dies habe mit dem Versuch der Länder zu tun, bundeseinheitliche Softwareprogramme anzuwenden. Einst waren die Finanzämter in Baden-Württemberg sehr schnell, doch wird die Steuermaterie immer komplexer. „Jetzt läuft es wie bei einem schwerfälligen Ozeantanker, der viele kleine Länderklippen umschiffen muss.“ Es werde noch viele Jahre dauern, um die individuellen EDV-Landschaften zu vereinheitlichen.