Kultur: Stefan Kister (kir)

Was erwarten Sie sich vom Bildungsministerium?
Ich denke, dass das Ministerium ein großes Interesse an diesem Entwicklungsschritt hat. Er liegt ganz auf der Linie, die die vorherige Ministerin, Annette Schavan, gezogen hat: die stärkere Förderung der deutschen Geisteswissenschaften. Und ich gehe davon aus, dass Frau Schavans Nachfolgerin, Johanna Wanka, diesen Kurs fortsetzen wird. Wir profitieren sehr davon. Nach meiner Erfahrung haben deutsche Geisteswissenschaften im Ausland und speziell auf dem großen Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt USA immer noch eine hervorragende Reputation, von der Kunstgeschichte über die Religionswissenschaft bis hin zu den Philologien. Mit diesem Pfund kann man wuchern.

Haben Sie konkrete Forderungen?
Meine Hoffnung ist, dass die Bereitschaft, die Geisteswissenschaften zu fördern, die Bundestagswahl überlebt. Und ich wünsche mir, dass man uns bei der Ausgestaltung dieses Verbunds größtmögliche Freiheit lässt. Denn er wird umso besser, wenn man sich an dem orientiert, was die Geisteswissenschaften brauchen, und nicht an dem, was sich die Förderer vorstellen.

Was ist mit denen, die bei dem Verbund nicht dabei sind: die Sammlungen in Gotha und Halle, das Hochstift in Frankfurt?
Geben Sie uns ein bisschen Zeit. Wir erkunden erst einmal zu dritt das Terrain, aber ganz klar in der Erweiterungsperspektive, diesen großen Überlieferungsbestand noch weiter anzureichern und zu verdichten.

Da entsteht ein nationales Kontinuum, eine Art geisteswissenschaftliches Zentralarchiv. Welche Rolle spielen Archive im Horizont des Politischen?
Archive haben eine große politische Bedeutung, gerade auch solche, die sich zunächst einmal mit der Kultur, der Literatur und der Sprache eines Landes beschäftigen. Überall, wo Nationen neu oder wieder begründet werden, zählen Archive mit zum Wichtigsten überhaupt bei der Bildung einer neuen Identität und in der Bewältigung der schwierigen Vergangenheit – denken Sie an Südafrika oder die Balkanländer. Auf der anderen Seite stehen zerfallende Länder wie jetzt im Nahen Osten. Sie erleiden kolossale Verluste im kulturellen Bereich, da gehen nicht nur Tempel zu Bruch, sondern auch Archive und Bibliotheken. Auf uns werden in Zukunft große konservatorische Probleme zukommen. Wir stehen bereit, mit unseren Mitteln zu helfen.