„Wir wissen nicht, wer die sind, die da arbeiten“, sagt etwa Tiago Paixão, der in Santo André aufgewachsen ist und in der Schweiz eine Hotelfachschule besucht hat. Das ist eine oft geäußerte, gleichwohl kleinkarierte Sorge: Natürlich kommen die Arbeiter nicht aus irgendwelchen gewalttätigen Favelas, sondern aus den Dörfern der näheren und weiteren Nachbarschaft. Die Arbeiten zögen Prostitution und Kriminalität an, heißt es im Dorf. „Ein Puff entsteht, wenn ich eine Mine aufmache“, hält Junge dagegen, der früher im Bergbau gearbeitet hat, „aber doch nicht wegen eines Projektes von 3800 Quadratmetern!“

 

Silvia Tagariello ist die Ortsvorsteherin, also die Ansprechpartnerin der Stadtverwaltung von Cabrália, der Gemeinde, zu der Santo André gehört. „Viel Adrenalin zurzeit“, urteilt sie, „wenn die WM vorbei ist, wird sich alles wieder normalisieren.“ Dass zwei Mädchen belästigt oder gar vergewaltigt worden seien, hat sie „nur als Gerücht“ gehört; Anzeige sei jedenfalls nicht erstattet worden. Kleine Klauereien habe es zwar gegeben, „aber die gab’s schon immer, da kann ich doch nicht ein Hotel beschuldigen, das gerade gebaut wird“.

Sicher, Drogen seien verbreitet, aber das sei schon seit Langem so, leider. Genauso Teenager-Schwangerschaften: kommen vor, aber nicht wegen Campo Bahia. Santo André, das ist nicht viel mehr als ein Sandweg, der parallel zur Küste verläuft. In dem Streifen zwischen ihm und dem Strand liegen ein paar Pensionen und Restaurants, ein großes Hotel, die Häuser und Villen von Auswärtigen, und künftig auch Campo Bahia. Und auf der anderen Seite des Sandwegs, also ohne Strandzugang, leben meist die „nativos“, die Eingeborenen, in eher bescheidenen Behausungen.

Aber weil der Ort klein ist und jeder jeden kennt, scheint sich ein Gleichgewicht zwischen arm und reich, zwischen einheimisch und auswärtig eingependelt zu haben, das einer gewissen sozialen Verantwortung erwachsen ist und dem Ort gut tut. Eine verstorbene Anwohnerin hat zum Beispiel ihr Haus als Jugendzentrum hinterlassen, und die laufenden Kosten von etwa 40 000 Euro im Jahr wären, so sagt die Leiterin Jimena Álvarez, ohne ständige private Spenden nicht zu bestreiten.

Ideales Klima für Gartenzaunstreitigkeiten

Der DFB baut das Camp nicht, er lässt es auch nicht bauen. Errichtet wird es von den Investoren – außer Junge sind dies der Versicherungskaufmann Kai Bakemeier und der Münchner Modeunternehmer Christian Hirmer –, die es dem DFB für 1,5 Millionen Euro vermieten. Kann man daraus folgern, dass das deutsche Nationalteam der schönste Werbeträger für das Investment an der Küste von Bahia ist? „Der schönste vielleicht nicht“, sagt Junge. Sicher, Gisele Bündchen wäre schöner als Miroslav Klose, aber trotzdem: Macht die Nationalelf Werbung? „Völlig klar, der DFB ist ein Riesenvorteil für uns“, räumt Tobias Junge ein.

Vermutlich nicht nur wegen des Werbeeffektes. Die Deutschen hatten das Gelände im Ferienort Santo André im Bundesstaat Bahia schon 2009 gekauft, aber das Vorhaben kam jahrelang nicht vom Fleck. Erst als der DFB im Boot war, lief es wie am Schnürchen. Druck von oben – etwa der brasilianischen Regierung, die Interesse an einer reibungslosen WM hat – habe keine Rolle gespielt, sagt Junge. Das sehen viele anders.

Vor etwa 30 Jahren begann in der Region der Strandtourismus in großem Stil, und mit ihm die Zersiedlung der Küste. Die Flut der Strandbars, Hotels, Pensionen und Ferienhäuser, die außerhalb der Saison leer stehen, kam kurz vor Santo André, 30 Kilometer nördlich von Porto Seguro, zum Stehen. Das liegt am Rio João de Tiba, über den nur die halbstündlich verkehrende Fähre führt: Seine isolierte Lage hat Santo André vom Massentourismus verschont. Campo Bahia stört also den paradiesischen Frieden des 800-Seelen-Dörfchens – so sehen das jedenfalls viele Anwohner, und dass der Störenfried im Ruf steht, groß, reich und mächtig zu sein, scheint mitunter auch die Kritik ins Maßlose zu verzerren.

Anwohner befürchten Prostitution und Kriminalität

„Wir wissen nicht, wer die sind, die da arbeiten“, sagt etwa Tiago Paixão, der in Santo André aufgewachsen ist und in der Schweiz eine Hotelfachschule besucht hat. Das ist eine oft geäußerte, gleichwohl kleinkarierte Sorge: Natürlich kommen die Arbeiter nicht aus irgendwelchen gewalttätigen Favelas, sondern aus den Dörfern der näheren und weiteren Nachbarschaft. Die Arbeiten zögen Prostitution und Kriminalität an, heißt es im Dorf. „Ein Puff entsteht, wenn ich eine Mine aufmache“, hält Junge dagegen, der früher im Bergbau gearbeitet hat, „aber doch nicht wegen eines Projektes von 3800 Quadratmetern!“

Silvia Tagariello ist die Ortsvorsteherin, also die Ansprechpartnerin der Stadtverwaltung von Cabrália, der Gemeinde, zu der Santo André gehört. „Viel Adrenalin zurzeit“, urteilt sie, „wenn die WM vorbei ist, wird sich alles wieder normalisieren.“ Dass zwei Mädchen belästigt oder gar vergewaltigt worden seien, hat sie „nur als Gerücht“ gehört; Anzeige sei jedenfalls nicht erstattet worden. Kleine Klauereien habe es zwar gegeben, „aber die gab’s schon immer, da kann ich doch nicht ein Hotel beschuldigen, das gerade gebaut wird“.

Sicher, Drogen seien verbreitet, aber das sei schon seit Langem so, leider. Genauso Teenager-Schwangerschaften: kommen vor, aber nicht wegen Campo Bahia. Santo André, das ist nicht viel mehr als ein Sandweg, der parallel zur Küste verläuft. In dem Streifen zwischen ihm und dem Strand liegen ein paar Pensionen und Restaurants, ein großes Hotel, die Häuser und Villen von Auswärtigen, und künftig auch Campo Bahia. Und auf der anderen Seite des Sandwegs, also ohne Strandzugang, leben meist die „nativos“, die Eingeborenen, in eher bescheidenen Behausungen.

Aber weil der Ort klein ist und jeder jeden kennt, scheint sich ein Gleichgewicht zwischen arm und reich, zwischen einheimisch und auswärtig eingependelt zu haben, das einer gewissen sozialen Verantwortung erwachsen ist und dem Ort gut tut. Eine verstorbene Anwohnerin hat zum Beispiel ihr Haus als Jugendzentrum hinterlassen, und die laufenden Kosten von etwa 40 000 Euro im Jahr wären, so sagt die Leiterin Jimena Álvarez, ohne ständige private Spenden nicht zu bestreiten.

Ideales Klima für Gartenzaunstreitigkeiten

Dabei ist es „eine Erfolgsgeschichte – als wir anfingen, sind gerade mal 13 Kinder gekommen, und heute steht praktisch die gesamte Elternschaft hinter uns!“ Ähnlich sieht es aus mit der Musikschule, die ein privater Verein trägt; dort bauen sie sogar die Saiteninstrumente selbst. Die Betuchteren in Santo André haben auch das Mobiliar der staatlichen Schule gestiftet, die Räume renoviert, die Schuluniformen gekauft.   Denn die Stadtverwaltung in Cabrália versagt, da sind sich beide Gruppen einig. Sie kümmere sich nicht um Santo André – unter anderem auch, weil sich der Ort ja dank seiner Reichen selbst zu helfen wisse. Was auch Fernando Oliveira, der Tourismussekretär von Cabrália bestätigt: Es gebe einfach bedürftigere Ortsteile.  

Auf der anderen Seite bedeutet die soziale Nähe mitunter auch Enge: das ideale Klima für Gartenzaunstreitigkeiten, wie sie überall auf der Welt vorkommen – und die durch die Anwesenheit der Deutschen mächtig aufgeblasen werden. In dieser Situation scheinen sich die Investoren äußerst ungeschickt verhalten zu haben. „Warum haben sie keine Versammlung einberufen und ihr Projekt der Gemeinde vorgestellt?“, klagt Lea Penteado, eine PR-Agentin, die seit zehn Jahren im Ort lebt. Ob der Investor deutsch, chinesisch oder sonst was sei, kümmere sie nicht, sagt sie, und jetzt sei es eh gelaufen: „Sollen sie hier glücklich werden!“

  „Ich hab‘ dem Tobias gesagt, eure Außendarstellung ist miserabel“, meint Günter Keseberg, ein pensionierter deutscher Wirtschaftsmann, der oberhalb von Santo André eine Villa besitzt. Dass sie zum Beispiel einen Krankenwagen gespendet haben (Silvia   Tagariello zufolge eine Spende, die von den Steuern abzuziehen ist), hätten sie viel lauter herausposaunen sollen.

Haben sie sich tapsig verhalten, die Bauherren? „Sicherlich“, räumt auch Junge ein, „wir verstehen eben nichts von PR.“ Auch die deutsche Presse haben sie verprellt: „Als die ersten negativen Berichte kamen, hat der DFB gesagt, redet mit überhaupt niemandem, aber das war auch falsch!“ Was nach der WM aus Campo Bahia wird, will Junge „aus Respekt vor dem DFB“ nicht sagen. Die Bewohner für Santo André sind jedenfalls gespannt: Wird es eine Art Luxushotel, entstehen dauerhafte Jobs? Werden die Einheiten einzeln verkauft, kommt es darauf an, wie sich die Käufer einfügen. „Wenn sie ein bisschen soziales Gewissen zeigen, kann es gut gehen“, meint Keseberg, „aber wenn es solche Hoppla-jetzt-komm-ich-Deutsche sind, dann seh‘ ich schwarz!“