Gegen die USA saß Kevin-Prince Boateng nur auf der Bank. Gegen Deutschland soll er mit Ghana heute Abend bei der Fußball-WM spielen – und trifft dabei auf seinen Bruder Jérôme.

Stuttgart - Nur James Kwesi Appiah weiß ganz genau, was er mit Kevin-Prince Boateng vorhat. Aber Ghanas Nationaltrainer verrät es niemandem. Und so wird wohl auch der zuletzt zum Promi-Ersatzmann degradierte Mittelfeldantreiber erst wenige Stunden vor dem Alles-oder-nichts-Spiel am Samstag (21 Uhr) gegen die deutsche Mannschaft erfahren, ob er sich bei der Fußball-WM auf eine Neuauflage des Bruderduells mit Jérôme einstellen darf. Der Ältere will nämlich endlich gegen den Jüngeren gewinnen. Weder bei der WM 2010 gelang ihm das noch in der Bundesliga mit Schalke 04 gegen den FC Bayern.

 

„Jetzt ist die Zeit gekommen, einmal gegen meinen Bruder zu siegen“, sagte Kevin-Prince Boateng vor dem Spiel in Fortaleza – und versprach martialisch einen „Kampf bis aufs Blut“. Das war allerdings vor der 1:2-Auftaktpleite seiner Ghanaer gegen die USA, die er eine Stunde lang von der Bank verfolgen musste. Seit einer rhetorischen Ohrfeige des beleidigten Profis für Appiah im Anschluss, als er dem Trainer indirekt jegliche Ahnung absprach, hält sich der 27-Jährige zurück mit Aussagen, die ihm die Rückkehr in die Startelf erschweren könnten.

Kevin-Prince Boateng kennt deutsche Schwachstellen

Auch Appiah äußerte sich über mehrere Tage hinweg gar nicht mehr zu Boateng, der sich diese Woche im Training bisweilen missmutig und lustlos präsentierte. Stattdessen verwies der Coach auf seinen Sprecher, der vor der langen Flugreise aus dem Teamcamp in Maceió nach Fortaleza lapidar verkündete: „Es könnte Änderungen in der Mannschaft geben. Ganz einfach deshalb, weil Deutschland ein anderer Gegner ist, als es die USA waren.“ Der Trainer habe „eine Strategie“ für die richtungsweisende Deutschlandpartie. Im Grunde kann es sich Appiah nicht leisten, erneut auf Risiko zu gehen und den Deutschlandkenner Boateng draußen zu lassen.

Die Gefahr eines Scheiterns in der Vorrunde ist zu groß. Als afrikanischer Trainer genießt Appiah in seiner Heimat sowieso bei vielen Funktionären lange nicht das Ansehen, das europäischen Coaches entgegengebracht wird. Zudem ist Boateng ein Kind der Bundesliga: Er kennt die meisten deutschen Nationalspieler persönlich, weiß um Schwachstellen, vielleicht könnte er sogar taktische Ideen einbringen.

Der aus Ghana stammende Boateng-Papa geht fest von einer Partie aus, in der beide gebürtige Berliner auf dem Platz stehen. „Für mich ist es das leichteste Spiel überhaupt. Egal, was passiert, ich kann ja nur gewinnen“, sagte der Vater: „Mein einziger Wunsch ist, dass sich keiner verletzt.“ Bei der WM vor vier Jahren in Südafrika kamen ihm vor Freude gar die Tränen, als sich seine Zöglinge auf der großen Fußballbühne duellierten. George Boateng (31), der älteste aus dem Brüdertrio, hat sich schon festgelegt und drückt Ghana die Daumen.

Jérôme Boateng: "Ich werde ihn stoppen"

Der Bayern-Profi Jérôme (25), der das letzte Aufeinandertreffen der beiden gegen Kevins Schalker im Herbst mit 4:0 gewann, sieht es ganz nüchtern. Trotz aller Besonderheiten sei es „wichtig für mich, dass ich mit Deutschland weiterkomme. Ich will da ein gutes Spiel machen und der Mannschaft helfen“, sagte der Abwehrspieler.

Wenn sein älterer Bruder auf ihn zukomme, „werde ich ihn stoppen“, sagte Jérôme Boateng. Auch seine Teamkollegen dürften sich auf ein Wiedersehen mit dem streitbaren Kevin-Prince Boateng freuen. Zuletzt sprach der Löws Team die Titelreife ab. „Ich glaube nicht, dass bei einer WM der Ansporn fehlt und man eine Extra-Motivation bräuchte. Aber wenn ja, kann Jogi Löw die Sätze gerne an die Wand hängen“, sagte Boateng gewohnt angriffslustig.