Ballsport bei Bratenduft und Bier: In den Biergärten Stuttgarts verfolgten Fußballfans den Erfolg der deutschen Mannschaft zwischen Jubel und Gaumenfreuden.

Stuttgart - „Wer ist der Blaue? Wer ist der Gelbe?“ Der kleine Junge mit dem blonden Lockenkopf ist gebannt vom Gewusel auf dem Bildschirm im Wirtshaus Lautenschlager und hat jede Menge Fragen. Das Match von Portugal gegen Deutschland ist seine erste Fußballübertragung. Papa gibt bereitwillig Auskunft. „Die Spieler fallen ganz viel hin und manchmal tun sie sich auch weh“, erklärt er. Dann fällt das erste Tor. Die meisten der rund 50 Zuschauer in der guten Stube des Lokals tragen den Gegentreffer mit Fassung. Ein Paar tauscht tröstende Küsschen aus, ein junger Mann im Trikot fasst sich ungläubig an die Stirn. Nicht schon wieder! Jogis Jungs im Rückstand!

 

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Alle verfolgen das EM-Geschehen interessiert. Wenige fiebern angespannt mit. Dafür ist die Atmosphäre zu ruhig und auf einen genussreichen Abend mit sportivem Begleitprogramm ausgelegt. Statt Stadionwurst locken Zwiebelrost- und Krustenbraten. Die Lautstärke der Übertragung ist so eingestellt, dass niemand etwas verpasst. Wer sich am Tisch unterhält, muss aber nicht mit den Ausführungen des Kommentators konkurrieren. Im Innenraum des Lautenschlager ist auch außerhalb des Viewing-Bereichs aus dem Off wahrnehmbar, was sich tut. Auf der Terrasse vor dem im Juni eröffneten Wirtshaus erfolgt die Sportbeschallung allerdings nur vom Palast der Republik gegenüber.

„Man hätte das Public-Viewing größer aufziehen können“

„Es war uns wichtig, es den Gästen zu ermöglichen, sich zu entscheiden, ob sie sich hier bei uns mit oder ohne Fußball entspannen wollen“, skizziert Geschäftsführer Harald Huber das Konzept. Man hätte das Public-Viewing größer aufziehen können, merkt er an. Allerdings habe man sich neben dem Augenmerk auf wirtshausgerechte Stimmung auch aufgrund der Corona-Situation zurückgehalten. „Wir sind froh, dass es die Lockerungen gibt und wir endlich wieder öffnen konnten“, so Huber. „Sollte sich die Lage verschlechtern, wird unsere Branche wieder als erstes dicht machen müssen und das Letzte, was wir brauchen können ist dann der Eindruck, wir seien selber Schuld, weil wir es übertrieben haben.“

Die Fans und Besucher sind begeistert

Die Gäste am Tisch vor dem Bildschirm sind jubelnd aufgesprungen. „Endlich!“ ruft jemand hinten im Raum. Deutschland hat das erste WM Tor geschossen. Fast. Eigentlich ist es das erste von zwei portugiesischen Eigentoren. Ein bisschen Enthusiasmus ist der Treffer aber allemal wert. Mit der Anzahl der Bälle im Netz des Ronaldo-Teams steigert sich die Jubelintensität. Nicht nur die überschaubare Zahl der Besucher im Fußballhemd ist begeistert. Nach und nach lassen sich alle von der Begeisterung über den wahrscheinlicher werdenden, klaren Sieg anstecken. „Ich finde es sehr angenehm hier“, urteilt Christian (34). „Es ist etwas anderes, als zuhause zu gucken, aber trotzdem ohne Gedränge.“ Dass das Lautenschlager klimatisiert ist, empfindet nicht nur er als weiteren Bonus. Der Endstand von 2:4 zugunsten der deutschen Elf rundet den Abend perfekt ab.