Der Anschlag der Hamas überschattet auch den Deutschlandtag der Jungen Union. Israels Botschafter Ron Prosor appelliert, deren Ideologie auf deutschen Straßen nicht zu dulden.

Dieser Deutschlandtag der Jungen Union ist anders. Normalerweise ist dieses Jahrestreffen der jungen Christdemokraten ein trubeliger Jahrmarkt des Konservatismus, auf dem die zugespitzte Rhetorik Vorrang vor der feinziselierten Analyse hat. Er ist anders, weil die Zeiten anders sind. Der verheerende Anschlag der Hamas und seine Folgen prägt das diesjährige Treffen in Braunschweig.

 

Am Samstagmorgen weht auf der großen Videowand an der Stirnseite des Tagungssaals die israelische Flagge. Die Delegierten schwenken israelische Fähnchen. Der israelische Botschafter Ron Prosor betritt begleitet von CDU-Vorsitzender Friedrich Merz und umspült von minutenlangem Beifall den Raum. Prosor hält eine bewegende Rede, in der er seine Zuhörer daran erinnert, dass der Kampf gegen die Hamas „unser aller Kampf ist“, denn es sei „der Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei, von Gut gegen Böse.“ Prosor beschwört die deutsche Politik, die Propagierung der Hamas-Ideologie „auf deutschen Straßen nicht zu erlauben“, und die deutschen Medien, „die Hamas und ihre Freunde nicht als Informationsquellen zu gebrauchen“. Der Saal antwortet mit stehendem Applaus.

Merz mahnt mit bewegter Stimme zum Schutz jüdischer Mitbürger

Der Ernst der Zeit färbt auch auf den CDU-Chef ab. Angespornt von frischen Wahlerfolgen der Union in Bayern und Hessen, beflügelt von Umfragen, die die Union so stark sehen wie die drei Ampelparteien zusammen, hätte er den Saal in Rausch reden können. Genau das tut er nicht. Das ist für den ersten Teil seiner Ausführungen keine Überraschung. Da geht es natürlich um Israel. Merz steht unter dem Eindruck des Besuches eines jüdischen Gymnasiums in Berlin in der vergangenen Woche. Die Schüler berichteten ihm von der Angst in ihrem Alltag. Merz hat das sichtlich berührt. Er appelliert mit merklich belegter, manchmal brüchiger Stimme an die Delegierten, auf jüdische Mitbürger zuzugehen: „Sagt Ihnen, dass sie geschützt sind und in diesem Land leben können.“ Antisemitismus und Hass auf Israel dürfe in Deutschland keinen Platz haben. Muslime in Deutschland müssten sich „ohne Wenn und Aber“ zum Existenzrecht Israels bekennen. Muslime, die das tun, seien aber auch „notwendige Gesprächspartner für uns“. Ohne gut integrierte Muslime könne man die Probleme nicht lösen, wird er in der anschließenden Diskussion hinzufügen.

Keine Absage an Koalitionen mit Grünen

Das sind sehr differenzierte Töne. Und diesen Ton behält er auch bei, wenn er zu innenpolitischen Themen wechselt. Die Union stehe bereit, bei der Migration zu Lösungen zu kommen. Jetzt sei der Zeitpunkt, „damit die völlig außer Kontrolle geratene und ungesteuerte Migration“ aufhöre. Es wäre leicht gewesen, hier schnelle rhetorische Punktgewinne einzufahren. Merz widersteht der Versuchung. Er will die Union mit Ernsthaftigkeit auf ernste Zeiten einstellen. Keinen Grund also aus den Umfragen euphorischen Überschwang zu generieren. „Wir sind bereit zuzugestehen, dass wir nicht alles gut und richtig gemacht haben“, blickt auf 16 Regierungsjahre zurück.

Und Merz bremst sich auch in einem anderen Punkt öffentlich selbst. Er sei manchmal gefragt worden, ob der die Grünen zu sehr angegriffen hätte und ob daraus eine Absage an eine künftige Zusammenarbeit herauszulesen sei, sagt er. Seine Antwort ist klar: „Nein, keine Absage.“ Die demokratischen Parteien müssten „gesprächs- und koalitionsfähig“ bleiben. Nur gehe die Union den Weg „der Gängelung, Regulierung und der Verbote nicht mit“. Die CDU sehe „ohne Wenn und Aber“ zu den Klimazielen. Aber dabei müsse man die Menschen mitnehmen. Das gehe nicht konfrontativ. Merz hätte das Thema gar nicht anschneiden müssen. Also will er bewusst eine Botschaft loswerden. Vermutlich die, dass in den angespannten Zeiten die Demokraten zusammenrücken müssen.

Mit Söder kehrt der Jahrmarkt ein bisschen zurück

Dann kommt Markus Söder. Und mit ihm kehrt der Jahrmarkt wenigstens ein bisschen zurück. Die ansehnliche Gruppe der Bayern im Saal klatscht sich schon Minuten vor seinem Auftritt die Finger wund. Söder argumentiert gröber. „Die Ampel ist die schlechteste Bundesregierung, die Deutschland je hatte“, sagt er und der Saal freut sich. Die Regierung sei „stehend k.o.“ Von feministischer Außenpolitik über das Gendern bis harter Grenzkontrolle klappert er zuverlässig die konservativen Niedrigreizschwellen ab. Und einer Beißhemmung gegenüber den Grünen war Söder nie verdächtig. Er findet, die grünen Minister in der Regierung „müsste man eigentlich sofort entlassen“. Das ist ein sehr merklicher Unterschied zu Merz. Aber auf seine Art benennt auch Söder den Ernst der Lage. Er weist auf die Zersplitterung des Parteiensystems, etwa auch durch das kommende Wagenknecht-Bündnis. Er diagnostiziert ein „Kartell des Neinsagens, um die Demokratien zu erschüttern“ und fügt sehr warnend hinzu: „So ging es vor 100 Jahren schon einmal los.“ Söder nennt die AfD „den Feind“. Und er warnt: „Die haben einen Plan.“ In der Union greift ein Erschrecken Raum. Die Union ist besorgt. Das führt zu manchen neuen Tönen.