Zum Bandjubiläum beschert die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften der Punkband Normahl die dritte Indizierung einer CD. Statt 15 Alben sind jetzt nur noch zwölf frei im Handel erhältlich.
Leutenbach - Ende März hat Lars Besa Post aus Bonn bekommen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften teilte ihm als „Normahl Management“ mit, dass nun die dritte Platte der Punkband auf dem Index steht. Damit darf „Live in Switzerland“ nur an Personen von 18 Jahren aufwärts verkauft werden, sie darf weder beworben noch in einem Laden ausgestellt werden. Die Pläne, zum 35-jährigen Bestehen der Band eine Gesamtausgabe herauszubringen, sind damit geplatzt. „Statt der 15 Platten können wir ja schlecht nur zwölf als Gesamtausgabe bringen“, sagt Lars Besa, der am 14. April seinen 50. Geburtstag gefeiert hat. „Außerdem ist uns das Risiko zu groß, falls es denen einfällt, noch weitere Platten auf den Index zu heben.“
„Al Capone“ und „Bullenschweine“ sind nicht jugendfrei
Die, das sind Staatsschützer aus Brandenburg und Sachsen. „Von Amts wegen auf Anregung von: Landeskriminalamt Brandenburg“ ist die Bundesprüfstelle in Aktion getreten. Der Grund für die Indizierung ist das Lied „Bullenschweine“, dessen Refrain die Gruppe schon früher auf den Index gebracht hat: „Haut die Bullen platt wie Stullen, haut ihnen ins Gesicht, bis dass der Schädel bricht.“ „Das Lied ist mehr als 30 Jahre alt“, sagt Besa. Außerdem ist auf der Live-CD noch das Lied „Al Capone“ zu hören, das ebenfalls in einem früheren Verfahren der Prüfstelle kassiert worden war. Die CDs „Verarschung total“, „Ein Volk steht hinter uns“ und jetzt „Live in Switzerland“ gelten deshalb als nicht mehr jugendfrei.
Für die Band und ihren Plattenverlag, die 7us Media Group in Winnenden, entstehe deshalb ein finanzieller Verlust von geschätzt 75 000 Euro. „Wir hatten bereits Vorbestellungen, als durchgesickert war, dass es eine Gesamtausgabe geben soll“, sagt der 7us-Chef Hans Derer. Die Fans der ersten Stunde seien mittlerweile gesetzte Herrschaften, auf jeden Fall so solvent, dass sie sich ein Plattenpaket für 99 Euro leisten könnten. „Wir sind von rund 1000 verkauften Exemplaren ausgegangen“, sagt Derer. Der Grund für diese optimistische Schätzung ist der Verkauf des aktuellen Albums „Friede den Hütten – Kampf den Palästen“ (siehe „Die Meister leben wohl“), das innerhalb weniger Wochen auf Platz 10 der Punk-Charts bei Amazon landete. Doch angesichts der Indizierung, ist den Beteiligten das wirtschaftliche Risiko zu hoch: „Die geplante Normahl-Box 1980 bis 2015 kann und darf nicht veröffentlicht werden.“
Verfassungsschützer verorten die Punkband rechts
Vor fast genau zwei Jahren hatte das Landgericht Stuttgart die Punkband eigentlich rehabilitiert. Damals waren die Musiker wegen der Titel „Bullenschweine“, „Drecksau“ und „Pflasterstein flieg“ ins Visier des Verfassungsschutzes Sachsen geraten. Die Schlapphüte fahndeten nach rechtsradikalen Musikgruppen und verorteten ausgerechnet die Leutenbacher und Winnender Punkmusiker in die braune Szene. „Die haben uns damals mit einer rechten Band aus Ulm verwechselt“, sagt Besa. Als Polizisten die Wohnungen der Musiker durchsuchten – „Das war denen sichtlich peinlich.“ – wehrte sich der Schlagzeuger Scobo Skobowski vor Gericht gegen diese Behandlung.
Am 21. März 2013 befand eine Große Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts den Durchsuchungsbeschluss nachträglich für rechtswidrig. Bei den besungenen Gewalttätigkeiten aus dem Jahr 1982 handle es sich „nicht um grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten“, befand das Gericht. Auch ergebe sich „aus dem ebenfalls zu berücksichtigenden Gesamtkontext der beiden Lieder, dass die geschilderten Gewalttätigkeiten (. . .) aufgrund eines vermeintlichen Abwehrrechts gegen die von den als ,Bullen‘ bezeichneten Polizisten repräsentierte Staatsmacht verübt wurden“.
Kommentar: Und jetzt grad zom Bosse’
Indizierung - Eins, zwei, drei, wo bleibt die Polizei? Dem Refrain eines Normahl-Klassikers kommt inzwischen eine ganz andere Bedeutung zu, wenn man bedenkt, was in den vergangenen Jahren alles passiert ist. Denn die Staatsschutzabteilungen der Landeskriminalämter Brandenburg und Sachsen machen unverdrossen weiter Druck, nachdem sie die Band vor drei Jahren im Zuge der NSU-Ermittlungen in der rechten Ecke verortet haben. Für jeden, der die Punk-Gruppe kennt, ist das ein Witz, stehen die Musiker und ihre Fans doch genau auf der anderen Seite der politischen Farbskala.
Nicht einmal die deutlichen Worte, die das Landgericht Stuttgart nach den Hausdurchsuchungen gefunden hat, scheinen die Staatsschützer in die richtige Spur gebracht zu haben. Und jetzt grad zom Bosse’ – wie zum Trotz – scheinen sie nun die Prüfstelle auf die Band aufmerksam gemacht zu haben. Über die indizierten Lieder kann man sich streiten. Doch sie sind ohne Zweifel zeitgeschichtliche Dokumente, welche die Stimmung vieler Jugendlicher in den 80er-Jahren wiedergeben. Von daher wäre es angebracht, darüber nachzudenken, ob die Indizierungen wirklich angemessen sind.