Der Trainer Dieter Hecking hat dem Pokalgegner der Stuttgarter Kickers ein besseres Image verpasst. Am Samstag (15.30 Uhr) will der Pokal-Titelverteidiger nun auf Degerlochs Höhen bestehen.

Wolfsburg - Manchmal, wenn es schnell gehen muss, repräsentiert er den VfL Wolfsburg mal eben so in Badelatschen. Wenn Dieter Hecking seriöser wirken soll, trägt er am liebsten bequeme Pullover zu ordentlichen Jeans. Zukünftig, wenn die Champions League ruft, wird sich der bodenständige Cheftrainer auch in elegante Anzüge zwängen. Aber kumpelhafte Auftritte in Badelatschen passen immer noch am besten zu diesem Mann. Hecking agiert in Wolfsburg als Übungsleiter und Meister des Bodenständigen. Seine unaufgeregte und doch von Ehrgeiz bestimmte Art prägt den Verein. Bis vor Kurzem war der VfL bloß ein Club, dessen Erfolg sich ferngesteuert und wie von Volkswagen erkauft angefühlt hat. Aber mit Hecking am Steuer ist die Wolfsburger Fußballfirma nicht nur Vizemeister und Pokalsieger, sondern auch etwas normaler geworden.

 

Immer wird Hecking gefragt, was der VfL Wolfsburg in dieser Saison eigentlich anstellen und erreichen will. Soll Kevin De Bruyne unbedingt gehalten werden, damit auch ein Angriff auf die europäischen Topclubs gelingen kann? Wird die große Jagd auf den FC Bayern München ausgerufen, weil ein Vizemeister ja wohl nur das Ziel haben kann, auch Meister zu werden? „Wir wollen uns weiterentwickeln. Mit einem Hauch von Selbstbewusstsein, aber auch weiterhin in Demut“, sagt Hecking.

Hecking hat beim VfL den Hochmut verscheucht

Vielleicht ist das seine größte Stärke. Stars und Sternchen des bezahlten Fußballs daran zu erinnern, warum Hochnäsigkeit schnell zum Eigentor werden kann. Auch vor der Dienstreise ins Schwäbische, die den VfL Wolfsburg in der ersten Runde des DFB-Pokals an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) zum Drittligisten Stuttgarter Kickers führt, hat Hecking den Hochmut verscheucht. Seine Sicht der Dinge bleibt: Wer dem FC Bayern nacheifern will, sollte es erst einmal schaffen, zwei bis drei Spielzeiten konstant auf hohem Niveau zu glänzen.

In der Kabine gibt er den Kumpeltyp in Badelatschen. Vor den Fernsehkameras etabliert sich Hecking als sachlicher und ruhiger Vertreter. Die Mischung dieser beiden Rollen passt perfekt in die Lücke, die in der Bundesliga geschlossen werden soll. Die Mehrheit der Fans wünscht sich sehnsüchtig eine Antwort auf die Dominanz des FC Bayern und mehr Spannung im Titelkampf. Genau diese Konstellation dürfte auch dazu geführt haben, dass der VfL Wolfsburg bundesweit nicht mehr ganz so kritisch betrachtet wird. Er tritt treffsicher, mutiger, aber nicht mehr so großspurig wie früher auf. „Wir werden die Bayern nicht in Ruhe lassen“, sagt etwa der Linksverteidiger Ricardo Rodriguez. Mehr verbale Beiträge aus der Abteilung Attacke sind am Mittellandkanal nicht erwünscht.

Eine Charmeoffensive der besonderen Art

Mit Felix Magath als Boss waren die Niedersachsen temporär auch sehr erfolgreich, aber angesichts ihrer verschwenderischen Personalpolitik mehrheitlich unbeliebt. Seit der Geschäftsführer Klaus Allofs vor zweieinhalb Jahren die Regie übernommen und Hecking als Trainer angeheuert hat, läuft eine Charmeoffensive der besonderen Art. Die Niedersachsen kaufen immer noch groß, aber deutlich gezielter ein. Bloß vier Neuzugänge, die der Rede wert sind, mit Max Kruse (Borussia Mönchengladbach) als Königstransfer, hat es in diesem Sommer gegeben. Das ist auch der Überzeugung von Dieter Hecking zu verdanken. Der langjährige Torjäger hat da so ein Gefühl, dass es ihm gelingt, aus seinem zuletzt so erfolgreichen Team auch ohne umfangreiche Ergänzungen des Kaders noch mehr herauskitzeln zu können.

Während Pep Guardiola beim FC Bayern um seine Rolle und seine Zukunft ringt, gilt in Wolfsburg die Vertragsverlängerung mit dem Trainer als beschlossene Sache und wird in den nächsten Tagen verkündet. Aktuell fehlt der verletzte Kapitän Diego Benaglio. Na und? Mit Koen Casteels steht ein zweiter guter Torhüter bereit. Wenn der VfL Wolfsburg einen Nationalspieler auswechselt, passiert es immer häufiger, dass ein anderer Nationalspieler eingewechselt wird. Dass ein Millioneneinkauf wie André Schürrle einen halbjährigen Anlauf benötigt, um sich einen Stammplatz zu erkämpfen, wäre in anderen Vereinen ein Riesenthema. In Wolfsburg lächeln Allofs und Hecking darüber nur milde. Die Liste der Sorgen beim VfL ist überschaubar kurz. „Die größte Aufgabe wird sein“, sagt Dieter Hecking: „Wie gehen die einzelnen Spieler damit um, wenn sie mal nicht spielen?“