Der VfL Wolfsburg gewinnt das Pokalfinale gegen Dortmund verdient mit 3:1 und ist nun endgültig die Nummer zwei hinter dem FC Bayern.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Berlin - Wie gut, dass der fünffache Familienvater Dieter Hecking seinen Kindern „selten einen Wunsch abschlagen kann“. Also trug er wie versprochen die schwarze, überdimensionale Schirmmütze mit der grauen Aufschrift „King“, die ihm einer seiner Söhne für den Fall des Pokalsieges mittags im Hotel überreicht hatte. Zu Hecking passte das schwarze Basecap zwar so gut wie ein Mercedes in die Wolfsburger Autostadt; doch als Heckings Innenverteidiger Naldo mit einem XXL-Pilsglas anrückte, da blieben nach der ausgiebigen Bierdusche dank der Mütze wenigstens die Haare des Trainers trocken.

 

Es ist zwar knapp geworden, doch am Ende hat Dieter Hecking das größte Ziel seiner Karriere nun doch noch erreicht. „Mit 50 wollte ich meinen ersten Titel“, sagte der Mann aus Castrop-Rauxel, der als Spieler (unter anderem Gladbach, Kassel, Braunschweig, Hannover) wie als Trainer (Verl, Lübeck, Aachen, Hannover, Nürnberg) bisher stets leer ausgegangen war. Mitte September wird Hecking 51 – da war es eine besondere Genugtuung, als der Bundespräsident Joachim Gauck seinem Kapitän und Torhüter Diego Benaglio nach dem verdienten 3:1-Sieg über Borussia Dortmund den goldenen DFB-Pokal im Konfettiregen herüber reichte.

Drei Treffer in 17 Minuten

Vor den 75 815 Fans im ausverkauften Berliner Olympiastadion hatten die Niedersachsen mit dem BVB weniger Mühe gehabt als erwartet. Lediglich in der Anfangsphase war den Spielern die Bedeutung des Augenblicks noch anzusehen. „Da hat man gemerkt, dass meinen Jungs die Endspielerfahrung fehlt“, sagte Hecking. Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang nutzte diese Schwäche zum 1:0 aus (5.), Marco Reus hatte sogar das 2:0 auf dem Fuß. Dann aber fand Wolfsburg sicheren Tritt – und hatte den Sieg nach drei Treffern binnen 17 Minuten bereits vor der Pause eingetütet. Luiz Gustavo mit einem Abstauber (22.), Kevin De Bruyne, der trotz Verletzung durchhielt, mit einem Flachschuss (33.) sowie ein Kopfball von Bas Dost (38.) machten dem BVB den Garaus.

„Die Saison war überragend“, sagte Kevin De Bruyne nach dem ersten Pokalsieg in der Geschichte seines Clubs. Den begoss der grün-weiße Tross später im Berliner Szeneclub „Schindler und Klatt“ vor 1000 Edelfans, den die Spieler nachts um ein Uhr mit blinkenden Brillen enterten. Zweieinhalb Jahre hat es also gedauert von jenen regenreichen Januartagen im Wintertrainingslager im türkischen Belek bis zum Titelgewinn von der Spree. „Damit befinden wir uns zeitlich sogar ein wenig vor dem Plan“, sagte Hecking. Denn als der Trainer gemeinsam mit dem zuvor aus Bremen herbei geeilten Manager Klaus Allofs im Januar 2013 übernahm, da war nach den Wirren der zweiten Amtszeit des allmächtigen Felix Magath das Rudel der Wölfe ein auf 37 Profis aufgeblähter Haufen mit Grüppchenbildung, wie etwa der Südamerika-Fraktion um den Regisseur Diego.

Die Ansprüche werden jetzt steigen

Inzwischen hat man beim VfL mit Platz zwei in der Bundesliga, dem Viertelfinale in der Europa League, wo man gegen den SSC Neapel ausschied, und dem Pokalsieg nicht nur eine annähernd optimale Saison gespielt – auch die Mischung im Kader stimmt. Da sind zum einen die für etliche Millionen Euro geholten Stars wie De Bruyne, Dost, Luiz Gustavo, Naldo und André Schürrle, und zum anderen aufstrebende Kicker wie Maximilian Arnold, Timm Klose, der in Berlin verletzte Robin Knoche oder Daniel Caligiuri, die Hecking allesamt weiter entwickelt hat. Klar ist, dass durch den Pokalsieg, dem zweiten nationalen Titel nach der Deutschen Meisterschaft von 2009, die Ansprüche steigen werden. „Mit der höheren Erwartungshaltung müssen wir jetzt lernen, umzugehen“, sagt Allofs. Welches Potenzial der VfL aber schon jetzt besitzt, zeigt allein, dass man in Schürrle einen Weltmeister und 32-Millionen-Euro-Einkauf erst in der 81. Minute ins Spiel bringen kann.

Und so markierte die Partie auch eine Wachablösung im deutschen Fußball, denn der VfL Wolfsburg besetzt nun anstelle der Borussia die Kronprinzenposition hinter den Bayern. Muss der Branchenführer gar Angst um seine Führungsrolle haben? Bei rund 90 Millionen Euro, die sich der VW-Konzern seine VfL Fußball-GmbH jährlich kosten lässt, gesellt sich zum fachlichen Knowhow auch die finanzielle Schubkraft für den Club. Dieses Konstrukt ist nach Uefa-Statuten möglich, weil der Sponsor für seine Zuwendungen einen Werbewert gegenrechnen kann. Also reckte auch der VW-Konzernchef Martin Winterkorn, der sich der Parole von Allofs („Heute dürfen alle ruhig mal ausrasten“) nicht widersetzte, tief in der Nacht den DFB-Pokal in die Höhe – und darf auf weitere Titel hoffen.