Diagnose, Symptome, Prävention Migräne – Attacken mit Aura

Es gibt bestimmte Gene, die die Wahrscheinlichkeit, an Migräne zu leiden, erhöhen. Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn/dpa/Andrea Warnecke

Migräne ist mehr als nur Kopfschmerz. Wo kommen die Anfälle her, was kann man dagegen tun? Das beantworten wir in diesem Beitrag.

Wenn es im Kopf so hämmert, dass der Schmerz das Denken lähmt, hilft nur noch Rückzug. Neun Millionen Menschen sind in Deutschland an Migräne erkrankt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt das Leiden zu den zehn Krankheiten, die die Lebensqualität am meisten beeinflussen. Was sind die Symptome, wie wird Migräne erkannt und therapiert – und was dient der Vorbeugung? Das beantwortet dieser Beitrag.

 

Was ist Migräne?

Zum stechenden oder pochenden Schmerz - nicht immer, aber oft einseitig - kommen Appetitlosigkeit, Übelkeit und oft auch Erbrechen. Helles Licht und Geräusche werden unerträglich, Bewegung verschlimmert den Schmerz. Es gibt aber auch Unterformen, deren Ausprägungen variieren. Teils kann die Migräne einen chronischen Verlauf annehmen – wenn die Schmerztage die schmerzfreien übertreffen. Das ist pro Jahr bei drei von hundert Erkrankten der Fall. Bei manchen kommt der anfallsartige Kopfschmerz nur wenige Male pro Jahr.

In der Regel vollzieht sich eine Migräne-Attacke in vier Phasen. Betroffene erleben die ersten Vorboten unterschiedlich: Manche sind müde, fühlen sich unkonzentriert. Andere sind aufgedreht oder depressiv verstimmt. Es kann zu Heißhungerattacken kommen oder aber zu Verstopfung. Viele Anfälle sind in der zweiten Phase von einer Aura begleitet. Meist handelt es sich dabei um Sehstörungen, manchmal können es auch Gefühls- oder Sprachstörungen sein. Diese neurologischen Symptome gehen dem Kopfschmerz häufig zeitlich etwas voraus. Die dritte Phase, die eigentliche Kopfschmerzphase, kann zwischen Stunden und Tagen andauern. Sind die Schmerzen abgeklungen, fühlen sich Betroffene in der vierten und letzten Phase körperlich und emotional sehr erschöpft.

Die Ursachen von Migräne

Es gibt bestimmte Gene, die die Wahrscheinlichkeit, an Migräne zu leiden, erhöhen. Für die Entstehung ist eine Störung der Blut- und Energieversorgung des Gehirns wesentlich verantwortlich. Nach Aussagen eines führenden Experten bei der Behandlung von Kopfschmerzerkrankungen, Hartmut Göbel von der Neurologisch-verhaltensmedizinischen Schmerzklinik Kiel, können Migränepatienten aufgrund ihrer genetischen Ausstattung sehr schnell und sehr effektiv Reize differenzieren.

Anders gesagt: Betroffene weisen eine besondere Art der Informationsverarbeitung auf, eine Art Hochleistungs-Gehirn. Doch alles zu Schnelle, alles zu Viele kann zu einer übermäßig starken Aktivierung der Nervenzellen führen. Dann erschöpfen die Energievorräte in den Nervenzellen. Die Folge: Entzündungsstoffe werden an den Arterien der Hirnhäute freigesetzt, was zu einer verstärkten Reizempfindlichkeit führt. Besonders auf extreme Wechsel von An- zu Entspannung reagieren Betroffene dann mitunter mit heftigen Attacken.

Migräne-Diagnose - viele gehen nicht zum Arzt

„Die Migränediagnose beruht bisher ausschließlich auf der Anamnese – also den Angaben der Betroffenen“, sagt Sigrid Schuh-Hofer, Leiterin der Kopfschmerz-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen. Um eine Migräne vom „einfachen“ Kopfschmerz abzugrenzen, seien detaillierte Informationen zur Schmerzcharakteristik wichtig, aber auch zu Vorerfahrungen mit Schmerzmedikamenten und zur Frage nach betroffenen Familienmitgliedern, sagt die Tübinger Expertin. Ein Kopfschmerztagebuch kann helfen, Häufigkeit und Schweregrad der Attacken festzuhalten. Biomarker, die eine Migräne eindeutig bestätigen könnten, gibt es bislang nicht. Blutuntersuchungen und weitere Tests wie Gehirn-Scans werden meist nur angewendet, um andere Erkrankungen auszuschließen.

Tatsächlich gehen viele Migräne-Patienten nicht zum Arzt.Die Diagnose zu kennen könne aber hilfreich sein, sagt Sigrid Schuh-Hofer, etwa um sich über die Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Zudem könnten sich Intensität und Form der Migräne im Leben immer wieder ändern, etwa durch hormonelle Einflüsse oder Schichtarbeit. „Wenn man weiß, dass man unter Migräne leidet, kann man sich hier die Zusammenhänge besser erklären und gegebenenfalls reagieren.“

Therapieansätze für Migränepatienten

Mildere Formen der Kopfschmerzattacken lassen sich erst einmal mit rezeptfreien Schmerzmitteln behandeln – vor allem mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Ibuprofen. Gegebenenfalls werden auch Mittel gegen Begleiterscheinungen wie Übelkeit eigenommen. Zudem hilft es Betroffenen oft, sich vor Reizen wie Licht und Lärm zu schützen.

Bei schwereren Migräne-Attacken werden in der Regel Triptane verschrieben. Diese Wirkstoffe hemmen die Ausschüttung des Botenstoffs CGRP, der an der Schmerzentstehung beteiligt ist. Der Nachteil: Triptane dürfen nicht öfter als zehn Tage im Monat eingenommen werden. „Gerade in Deutschland werden Migränepatienten viel zu selten mit migränespezifischen Akutmedikamenten versorgt“, findet Kopfschmerz-Expertin Sigrid Schuh-Hofer. Das sei unverständlich, zumal Triptane sehr gut verträglich seien und es - anders als bei konventionellen Schmerzmitteln - keine Hinweise auf organspezifische Langzeitwirkungen gebe.

Wer also an schweren und/oder lang andauernden Attacken leidet, sollte eine vorbeugende Therapie in Angriff nehmen.Dazu werden unter anderem Betablocker und der Kalziumblocker Flunarizin verwendet oder auch das Antidepressivum Amitritylin. Manchen Patienten hilf  eine Botox-Behandlung. Seit dem Jahr 2018 sind zudem sogenannte monoklonale Antikörper speziell für die Migräneprophylaxe entwickelt worden. „Das Spektrum an Migräneprophylaktika hat sich in jüngster Zeit durch die Einführung der sogenannten ‚CGRP-Antagonisten‘ noch einmal sehr erfolgreich erweitert“, sagt Sigrid Schuh-Hofer. Unterstützend können nichtmedikamentöse Maßnahmen wirken wie etwa die Akupunktur.

Kann ich Migräne vorbeugen?

„Bei einem Teil der Migräneattacken kann man Trigger identifizieren“, sagt Sigrid Schuh-Hofer. Doch diese Auslöser sind individuell höchst verschieden. Zu möglichen Triggern gehören etwa ein gestörter Schlaf-Wachrhythmus, hormonelle Faktoren, alkoholische Getränke, Flüssigkeitsmangel, Wetterumschwünge oder Stress. Sinnvoll kann es sei, mit Hilfe eines Kopfschmerztagebuchs nach möglichen Faktoren zu suchen - und diese sofern möglich zu vermeiden. Viele Migräneanfälle treten allerdings ohne erkennbare Auslöser auf. Fachleuten zufolge sind häufig eher komplexe Vorgänge im Alltag verantwortlich, die den gewohnten Lebensrhythmus durcheinanderbringen.

„Die Migräne tritt dann auf, wenn die nervalen Energiespeicher erschöpft sind“, sagt etwa der Neurologe und Psychologe Hartmut Göbel. Für viele Patienten ist es daher wichtig, einen geregelten Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten und genug Schlaf einzuhalten. Auch Stressreduktion, Ausdauersport und Entspannungstechniken können vorbeugend wirken. Vielen Betroffenen hilft etwa die Progressive Muskelrelaxation.

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