Cees Nooteboom hat ein morbides Hobby: Er pilgert zu Gräbern. In Stuttgart erzählt er tolle Geschichten vom Club der toten Dichter.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Friedhöfe sind eine morbide Angelegenheit. Oft düster, feucht, totenstill. Cees Nooteboom mag sie dennoch. „Ich fühle mich sehr wohl auf Friedhöfen“, sagt der niederländische Schriftsteller. Er hat sich auf eine eigenwillige Pilgerfahrt begeben und Gräber besucht. Gräber von Dichtern und auch einigen Denkern - Dante und Wittgenstein, Thomas Mann und Kafka, Borges und Joyce.

 

Kreuz und quer ist Cees Nooteboom mit seiner Frau, der Fotografien Simone Sassen durch die Welt gefahren – und sie haben inzwischen mehr als achtzig Gräber besucht. Sassen hat sie fotografiert, Nooteboom beginnt am Grab einen Dialog mit dem toten Dichter – das er jeweils in einem Porträt aufgeschrieben hat. Aus dieser ungewöhnlichen Recherche ist ein Buch entstanden: „Tumbas“. Im Literhaus Stuttgart haben Sassen und Noteboom ihre ungewöhnliche Leidenschaft bei Lesung und Gespräch vorgestellt.

Balzac hat mehr Blumen als Proust

Von Düsternis oder Melancholie aber keine Spur, vielmehr haucht Nooteboom diesen stillen, leblosen Orten Leben ein. Mit wem liegen die Toten hier im Grab? Wer sind ihre Nachbarn? Balzac hat mehr Blumen als Proust, erzählt Nooteboom. Manche Gräber werden kultisch verehrt, hier liegt ein Bleistift, dort wurden Briefe abgelegt. Dem Argentinier Julio Florencio Cortázar hat jemand eine Flasche Absinth aufs Grab gestellt, Beckett hat einen Thriller bekommen. Nooteboom amüsiert es: „Was stellen die Leute sich vor?“

Die Reise zu den Gräbern führt letztlich nicht zum Tod, sondern in die Welt der Poesie. Nooteboom, der selbst seine Gedichte für das Zentrale seines Werkes hält, ist der Besuch der Gräber eine „Pilgerfahrt zu den gesammelten Werken des Autors“. Spannend und anregend sind die Geschichten, die er von den Dichtern zu erzählen weiß, zumal der alte Herr ein eloquenter Redner ist und sich im Literaturhaus gut gelaunt und souverän präsentiert.

Gräber können viel erzählen, vermittelt der Niederländer an diesem Abend mehr als überzeugend. Sie sagen auch einiges über die Nachwelt aus. So sind liegen die leiblichen Überreste von Goethe und Schiller in Weimar in einer Krypta untergebracht. „Die Fotografin hat es schwer, hier wird im Dunkeln geschlafen“, erzählt Nooteboom und kann sich nicht dagegen wehren, dass ihn ein starker Widerwille überkommt und er denkt: „Holt sie raus, legt sie ins Grüne“.