Auch die beste Band der Welt muss Geld verdienen. Deshalb verzichteten die Ärzte am Sonntagabend auf umstrittene Klassiker und setzten auf familientauglichen Pop-Rock. Blanke Brüste gab es dennoch zu sehen.

Bietigheim-Bissingen - Eine Kolonie von mobilen Essensständen, eine Prosecco-Bar und die Aussicht auf das kolossale Eisenbahnviadukt – Auf den ersten Blick kommt es einem an diesem Sonntagabend so vor, als hätte man sich auf den alljährlichen Bietigheimer Pferdemarkt verirrt. Doch dort, wo während des Volksfestes Riesenrad und Fahrgeschäfte stehen, ist eine Bühne aufgebaut, die schnell erkennen lässt, wer die Konzertbesucher an diesem Abend unterhalten wird. Die beiden übergroßen Sweet-Gwendoline-Puppen, die rechts und links als Kulisse emporragen, gehören schon lange zum festen Bühnenbild der „besten Band der Welt“. Die Ärzte haben zum Ärztival unter freiem Himmel geladen und 17.000 Anhänger sind der Einladung gefolgt.

 

Mit dem Song „Wie es geht“ starten Farin Urlaub, Bela B. und Rodrigo González dann auch pünktlich um 20 Uhr die Show. Familiengerecht könnte man sagen. Denn zwischen tätowierten Punk-Girls mit bunt gefärbten Haaren und Rockern in Lederkluft, befinden sich überdurchschnittlich viele Familien im Publikum, deren Nachwuchs zu Gründungszeiten der Band sicherlich noch einmal in Planung war. Doch wer seine Kinder anstatt zu Justin Bieber auf ein Ärztekonzert bringt, muss damit rechnen, dass es über kurz oder lang zu nicht wirklich jugendfreien Inhalten kommt. Die selbsternannten Rock-Opas kennen sich mit zensierten Alben schließlich gut aus und machen nach wie vor Musik zwischen Punk und Pop.

Allen Fans wird man nie gerecht

Und so dauert es keine Stunde bis die ersten blanken Brüste in den vorderen Reihen gezeigt und die obligatorischen Zoten dazu auf der Bühne gerissen werden. Die forsche Berliner Art mit politischen Witzen und Klamauk gehört wohl irgendwie zur Bühnenshow. Obgleich es an diesem Abend gerne etwas weniger Stand-up-Comedy und dafür mehr Best-of hätte sein können. Denn umstrittene Klassiker wie „Sweet, Sweet Gwendoline“ und „Geschwisterliebe“ stehen bei diesem Konzert nicht auf der Setliste des Trios. Der Song „Bitte, Bitte“ wird nur kurz angespielt. Um familiengerecht zu bleiben? Man weiß es nicht. Doch es ist wohl die verständliche Krux bei Bands, die bereits seit über drei Dekaden existieren und Hits produzieren. Denn allen Fans wird man nie gerecht.

Doch die Ärzte sind und bleiben, wie sie selbst sagen, der Chuck Norris unter den Rockbands. Starke zweieinhalb Stunden Bühnenshow mit sieben Zugaben sprechen für sich. Mit Liedern wie „Westerland“, „Schrei nach Liebe“, „2000 Mädchen“ und „Zu spät“ versetzen die Ärzte ihr Publikum nach einem verhaltenen Start in Ekstase. Domestiziert, aber dennoch verdammt gut.