Ihr Leben nimmt die entscheidende Wende, als sie in der JVA Straubing 2009 für sieben Stunden in die Gewalt eines Sexualstraftäters gerät. Die Anstaltspsychologin Susanne Preusker wird Autorin und holt die Hündin Emmi in ihr Leben. Ein Nachruf auf eine Frau, die kein Opfer sein wollte.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Magdeburg - Nichts hat die 58-Jährige so sehr gehasst wie das Wort Opfer. Denn das wollte Susanne Preusker nie sein. Und wer sie erlebt hat, wer ihr Lachen gehört hat, sie mit ihrer Hündin Emmi toben sah, wer mit ihr über ihre neu entdeckte Leidenschaft fürs Schreiben geredet hat, mochte glauben, dass diese Frau kein Opfer ist. So stark und patent, mutig und bereit, zu kämpfen, vor allem so warmherzig wirkte sie. Im vergangenen Jahr ist ihr siebtes Buch erschienen – bezeichnenderweise eine SMS-Dokumentation über das Sterben und das Abschiednehmen.

 

Für kurze Zeit hat die Welt auf Susanne Preusker geschaut, ohne freilich ihren Namen zu kennen. Am 7. April 2009 bringt ein Sexualstraftäter die Psychologin in der Justizvollzugsanstalt Straubing in seine Gewalt. Die Medien berichten. Preusker ist Leiterin der sozialtherapeutischen Abteilung in Straubing und hat den Mann, der sie in seiner Gewalt hat, sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt, zuvor selbst vier Jahre therapiert. Erst nach sieben Stunden greifen die Einsatzkräfte ein. Preusker wird befreit, aber ihr erstes Leben, wie sie es nannte, geht zu Ende. Sie kehrt nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück, gibt ihre Berufstätigkeit auf.

Kampf um die Hoheit über das Leben

Aber sie kämpft sich durch in ein neues, ganz anderes Leben. Sie zieht mit ihrem Mann von Bayern nach Magdeburg, wird Autorin, schreibt Sachbücher und Kriminalromane. Diesem Leben hat die gebürtige Hildesheimerin am Dienstag selbst ein Ende gesetzt, wie ihre Familie und der Patmos-Verlag bemerkswert deutlich bekannt gegeben haben. „Voller Achtung und Liebe trauern wir um Susanne Preusker, geliebte Mutter und Ehefrau. Sie hat sich am Dienstag, 13. Februar 2018, entschieden, aus dem Leben zu scheiden“, teilen ihr Mann und ihr Sohn auf der Internetseite Susanne Preuskers mit.

Wie wichtig es ihr war, die Hoheit über das eigene Leben zu haben, hat Susanne Preusker mit ihrem ersten Buch gezeigt. Wer diese Frau war, die in Straubing zur Geisel wurde, erzählt sie selbst in „Sieben Stunden im April“. In diesem Buch nimmt die Geiselnahme nur ein paar wenige Seiten ein. Die sieben Stunden sollen nicht die Macht über das Weiterleben gewinnen. Viel wichtiger sind Preusker die Dinge, die ihr Kraft geben. Ihr Mann, der ganz selbstverständlich an der nur wenige Tage nach der Tat angesetzten Hochzeit festhält. Ihr Sohn aus erster Ehe. Freundinnen. Und Susanne Preusker selbst, die sich mit Hilfe einer Psychologin den Gang unter Menschen mühsam zurückerobert.

Emmi wird zu ihrer ständigen Begleiterin

Sie stellt sich da einer kräftezehrenden Herausforderung. Denn nach der Tat ist jeder Einkauf ein Horrortrip. Susanne Preusker erträgt keine geschlossenen Türen mehr. Aber sie sagt vor Gericht in öffentlicher Verhandlung gegen ihren Peiniger aus. Sie zeigt die Verantwortlichen des Einsatzes an und fragt, warum das SEK solange mit ihrer Befreiung gewartet hat. „Es gibt nichts, wo ich mir sagen müsste, das hättest du anders machen müssen“, sagt sie über ihren Umgang mit Straftätern bei einem Interview mit dieser Zeitung. Und verweist auf die Irrtumswahrscheinlichkeit von fünf Prozent, die in ihrem Fall gegriffen habe.

Vor allem aber holt sie Emmi, die kleine braun-weiße Staffordshirehündin, aus einem Magdeburger Tierheim in ihr Leben. Emmi ist eine Seele von Hund, sanft und ungestüm zugleich – alles andere als das Klischee vom Kampfhund. Eine Ausgegrenzte, die bei den Preuskers eine Chance bekommt. Sie fordert Susanne Preusker als Hundeerzieherin und weicht nicht mehr von ihrer Seite. Sie begleitet sie zu Lesungen und sitzt beim Interview auch mal unter dem Tisch.

Susanne Preusker liebt das Schreiben

„Wenn das Glück mit dem Schwanz wedelt. Warum Hunde die besseren Therapeuten sind“, das Buch von der Beziehung Mensch-Hund und dem neuen Leben mit Problemen jenseits den Spätfolgen der Geiselnahme, zeigt die heitere Seite Preuskers. Sie hat entdeckt, dass sie schreiben kann, und gibt anderen den Rat, nicht immer nur über traurige und ernste Dinge zu schreiben.

Vor einem guten Jahr hat sie bei einem Interview in ihrer Wohnküche in Magdeburg noch gesagt: Sie werde jetzt auch wieder in ein Flugzeug steigen und fliegen. Der Kampf gegen die geschlossenen Türen schien gewonnen. Aber am Ende ist ihr das Leben dann wohl doch zu schwer geworden.

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/