Experten begutachten am Dienstag den Schaden im zwangsgeräumten Tübinger Universitätsgebäude. Zehntausende historische Dokumente und Aufnahmen lagerten in dem Haus.

Tübingen - Nach dem Brand im Zuge einer Zwangsräumung in Tübingen, bei der auch ein Mann starb, kann am Dienstag zum ersten Mal der Schaden näher begutachtet werden. Zwar ist das Betreten des einsturzgefährdeten Hauses in der Biesinger Straße weiterhin untersagt, aber ein Zimmermann, der angeseilt ist, kann aus den verschiedenen Etagen Inventar bergen. „Wir hoffen, dass noch etwas gerettet und spezialgetrocknet werden kann“, sagt Hubert Klausmann, der Leiter der Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland am Ludwig-Uhland-Institut. Nach einer Woche Feuchtigkeit in den Räumen durch das Löschwasser werde jedoch vermutlich vieles zerstört sein.

 

In dem landeseigenen Gebäude waren neben den Büros von Klausmann und des emeritierten Kulturwissenschaftlers Hermann Bausinger auch wichtige historische Dokumente untergebracht. Vom Ruß überzogen und anschließend unter Wasser gesetzt wurde das Arno-Ruoff-Archiv mit seinen 2000 Tonbandaufnahmen aus den 50er Jahren. Vermutlich stark beschädigt sind die zahlreichen Werke in der Bibliothek zur Dialektforschung und das gesammelte Archiv des Ludwig-Uhland-Instituts mit Fotografien und Zeitungsausschnitten.

„Immerhin haben wir das Arno-Ruoff-Archiv und den Sprachatlas von Nord Baden-Württemberg digitalisiert“, sagt der Dialektforscher Klausmann. Ein Zufall sei es, dass das alte Tonbandaufnahmegerät gerade nach Stuttgart entliehen worden sei. Es ist in der Landesaustellung „Die Schwaben“ zu sehen.

Das ausgebrannte Haus muss vollständig abgerissen werden

Wie groß der Schaden beim Inventar ist, kann Hubert Klausmann nur schwer beziffern. Sicherlich sechsstellig bei der Bibliothek, sagt er, dazu komme ein ideeller Verlust. Den Schaden am Fachwerkhaus schätzt die Polizei auf rund eine halbe Million Euro. Das Gebäude muss vollständig abgerissen werden. Die acht Mitarbeiter des Ludwig-Uhland-Instituts werden provisorisch in Räumlichkeiten der alten Augenklinik unterkommen.

Bei der Zwangsräumung des Gebäudes vor einer Woche hatte eine 69-jähriger Bewohner auf den Gerichtsvollzieher geschossen und ihn nur knapp verfehlt. Er hat vermutlich das Haus in Brand gesteckt und ist anschließend vom Balkon gestürzt. Dabei verletzte er sich tödlich.