Milliardär Lawrence Stroll steckt viel Geld in das Formel-1-Team Aston Martin, damit Sohnemann Lance ein guter Rennfahrer wird.

Die ganze Sehnsucht, wohl auch die ganze Schwermut einer großen Stadt am Fluss findet sich in zwei Worten, die an der Ziellinie auf den Asphalt geschrieben wurden: Salut Gilles! Einen Nachnamen braucht es nicht, jeder in Montreal weiß, dass damit Gilles Villeneuve gemeint ist. Einer der talentiertesten und wildesten Formel-1-Piloten der Geschichte, der ums Leben kam, bevor er vielleicht mit Ferrari Weltmeister geworden wäre. Immerhin: Sein erster Sieg gelang ihm 1978 beim Heimrennen. Das Vermächtnis der Familie erfüllte 1997 sein Sohn Jacques als Champion, im Drama gegen Michael Schumacher.

 

Wenn am Wochenende wieder der Große Preis von Kanada ansteht, schickt sich eine andere Familie aus der Metropole der Provinz Quebec an, die Spitze zu erobern: Multimilliardär Lawrence Stroll, der Herrscher über Aston Martin, und Sohn Lance. Was für ein Kontrast zu den Villeneuves: Rennadel gegen Geldadel.

Wenn Lawrence Sheldon Strulovitch die Boxengasse auf der Île Notre-Dame, der Rennstrecken-Insel im Sankt-Lorenz-Strom, entlangschreitet, braucht es fast keine Untertitel. Mit seiner Statur und jeder angespannten Faser seines Körpers ist sofort klar, dass hier ein Big Boss kommt. Ist er ja auch tatsächlich. Im seichten Formel-1-Meer der Reichen und Scheinreichen ist der demnächst 64-Jährige, ganz in echt, ein Superreicher – mit einem kolportierten Vermögen von 3,7 Milliarden Dollar gehört er zu den 1000 Reichsten der Welt. Dementsprechend ist auch seine Stimme, die einen längst vergessenen Zwölfzylinder-Klang hat, wenn er Befehle brüllt. Seine Untergebenen flüstern dann mit einem Achselzucken: „Lawrence ist eben eine Naturgewalt.“

Sieben Jahre in Ausbildung

Söhnchen Lance, mittlerweile seit sieben Grand-Prix-Jahren in Ausbildung, wirkt dagegen unscheinbar. Einer der netten unter den Rennfahrern, beinahe zurückhaltend, was selten vorkommt. Aber er hat das Beißen gelernt, und von seinem neuen Teamkollegen Fernando Alonso bekommt er in einem Schnellkurs gerade beigebracht, was es sonst noch braucht an Egomanie, um in der Königsklasse ganz nach vorn zu kommen.

Der Herr Papa, der das ehemalige Force-India-Team in feinstes britisches Racing Green eingekleidet hat, besitzt bereits ganz genaue Vorstellungen, was aus dem Rennstall einmal werden soll: ein Sechs-Sterne-Team. Passend dazu hat er bereits 300 Millionen Euro in eine gerade eingeweihte Rennfabrik in Silverstone investiert, ein eigener Windkanal und ein Simulator kommen noch dazu. Außerdem wird Aston Martin von 2026 an den Werksteam-Status von Honda bekommen. Es läuft . . .

Die Nummer, die er gerade in der Formel 1 abzieht, hat Lawrence Stroll schon ein paarmal erfolgreich im Mode-Business verwirklicht: eine große Marke, die in Schwierigkeiten geraten ist, aufkaufen, sanieren und dann verkaufen. Erst Pierre Cardin, dann Ralph Lauren, schließlich Tommy Hilfiger – und aktuell auch Michael Kors. Wenn der Profit groß genug ist, stoßen Stroll und Partner ihr Investment geldvermehrend wieder ab. Beim Einstieg in den Grand-Prix-Sport kommt die eigene Kinderzimmer-Leidenschaft für Automobile noch dazu, aber das Prinzip ist das gleiche: Durch Budgetobergrenze und weltweiten Formel-1-Boom hat sich der Wert der Rennställe schon Richtung Milliarden-Grenze und darüber hinaus entwickelt. Da gibt einer viel Geld aus, um daran zu verdienen. Rennkurs und Aktienkurs, das ergänzt sich scheinbar gut.

Vettel sei Dank

Vor allem geht es natürlich ums Gewinnen. Sebastian Vettel war zwei Jahre lang der Nothelfer, er hat sich – wie einst Michael Schumacher bei Mercedes – um den Umbau des Teams gekümmert. Dann kam der ehemalige BMW-Mann Mike Krack, er ist als Teamchef die zentrale Figur. Dazu wichtige Ingenieure von Mercedes, Technikdirektor Dan Fallows von Red Bull und Fachpersonal von anderen Rennställen. Die Besten sind gerade gut genug. Und nach Vettels Rücktritt ist im Handstreich Fernando Alonso als Chefmotivator und -antreiber verpflichtet worden. Eine Art iberische Version von Papa Stroll. Die zwei Alphatiere harmonieren als Gespann, bislang ist Aston Martin die Überraschung der Saison. Das breiteste Auto von allen, gekommen, um oben zu bleiben.

Jacques Villeneuve versucht seinen schwindenden Ruhm gern mit ätzenden Kommentaren aufrechtzuhalten. Noch bevor der Aston-Martin-Höhenflug begann, teilte er aus: „Um ein Team zu führen, bedarf es mehr als bloß Geld. Es ist ein bisschen komplizierter als eine Uhrenmarke oder Kleiderfirma.“ Da hat er die Rechnung aber ohne den Dickschädel von Lawrence Stroll gemacht. Dessen Planung hat eine finanzielle und eine familiäre Komponente: erst das Team nach vorn bringen, dann den Sohn. Was schwieriger ist, bleibt offen. „Wenn ich von etwas begeistert bin, dann werde ich sehr leidenschaftlich. Und wenn ich leidenschaftlich bin, gewinne ich für gewöhnlich.“