„Zeitenwende“ lautet das Motto der 20. Jüdischen Kulturwochen vom 6. bis 19. November in Stuttgart. Sie fallen in eine Zeit, in der sich jüdisches Leben vielfach bedroht sieht. Umso mehr hofft die jüdische Gemeinde auf Zuspruch. Eine Programmübersicht.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Als die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) mit ihrer Vorstandsvorsitzenden Barbara Traub das Programm für die 20. Jüdischen Kulturwochen vom 6. bis 19. November zusammenstellte, sah die Welt noch anders aus. In dem Programmheft mit Grußworten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann bis zu Oberbürgermeister Frank Nopper findet sich folglich auch kein Wort zum Terror der Hamas und dem Krieg im Nahen Osten. Auch so waren die Zeiten angesichts des Kriegs in der Ukraine schwer genug, daher auch das Motto „Zeitenwende“, angelehnt an einen Ausspruch von Bundeskanzler Olaf Scholz.

 

Seit dem Terrorangriff am 7. Oktober sind die Zeiten noch viel schwerer geworden, besonders für die jüdische Gemeinde. Schnell machte die IRGW jedoch klar, dass sie entschlossen ist, an den Kulturwochen mit ihren knapp 40 Veranstaltungen festzuhalten, auch wenn damit ein hoher Sicherheitsaufwand verbunden ist. An dem inhaltlichen Ziel hingegen hat sich nichts geändert: Interessierten Menschen jüdisches Leben näher zu bringen und kulturellen Austausch zu fördern. Jetzt nur noch mehr. Eine Einschätzung, die auch von den vielen Kooperationspartnern – von der Volkshochschule über das Literaturhaus bis zum Hospitalhof – geteilt wird.

Diskussion über die „Zeitenwende“

Den Auftakt bildet die Eröffnungsveranstaltung am Montag um 18 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses, zu der auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der deutschen Juden und Schirmherr der Kulturwochen, erwartet wird. Auf dem Podium diskutieren unter anderem Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte des Landes, und Justizministerin Marion Gentges mit jüdischen Vertretern über die Frage: „Was bedeutet die ,Zeitenwende‘ für die jüdische Gemeinschaft?“ Grundlegend ist das Historische Symposium tags darauf von 14.30 bis 18 Uhr im Haus der Geschichte. Namhafte Referenten beleuchten dort die „Zeitenwenden in der Geschichte des europäischen Judentums“.

An vielen Orten spielt Musik

Großes Interesse wecken die bereits ausgebuchte Veranstaltung über „Junges jüdisches Leben im Land“, ebenfalls am 7. November im Stuttgarter Landtag und die diversen Konzerte: ein Gesprächskonzert am 8. November im Hospitalhof mit Liedern und Klaviermusik jüdischer und israelischer Komponistinnen und Komponisten oder das Klezmerkonzert von Roman Kuperschmidt und Band am 16. November um 19 Uhr im Gemeindesaal der IRGW in der Hospitalstraße. Ebenso wie das Synagogenkonzert zum Abschluss der Kulturwochen am 19. November um 18.30 Uhr. Nicht zu vergessen eine Lesung mit Musik am 8. November um 18 Uhr im Haus der Heimat in der Schlossstraße, das Konzert mit Gewinnern des Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerbs am 12. November um 15 Uhr im Gemeindesaal der IRGW in der Hospitalstraße, das „Musikalische Kabarett“ mit Aliosha Bizdie am 13. November um 20 Uhr im Renitenztheater sowie die „Musikalische Rundreise durch jüdisches Leben“ am 14. November um 19 Uhr im Ungarischen Kulturzentrum in der Christophstraße.

Geschichte und persönliche Geschichten

Dazu kommen Vorträge, Lesungen und Matinees. Am 13. November um 19 Uhr thematisiert die Slawistin Barbara Klimczyk im Ungarischen Kulturzentrum in der Christophstraße die Geschichte der Gleiwitzer Juden. Ebenfalls am 13. November um 19.30 Uhr werden die Erinnerungen des israelischen Historiker Tom Segev im Literaturhaus vorgestellt. Um das Leben von Joseph Süß Oppenheimer und den Antisemitismus seiner Zeit geht es im Vortrag von Yair Mintzker am 15. November um 19 Uhr im Hospitalhof. Oppenheimer ist auch Thema eines literarischen Spaziergangs der Stiftung Geißstraße am 19. November. Ein weiterer literarischer Spaziergang ist ebenfalls am 19. November um 15 Uhr dem jüdischen Leben in Stuttgart gewidmet.

Um Geschichte und persönliche Erfahrungen geht es bei einer Lesung von Michael Bergmann am 18. November um 20 Uhr im Haus der Wirtschaft, einer Matinee mit Rabbiner Joel Berger am 12. November um 11 Uhr im Treffpunkt Rotebühlplatz und bei Gesprächen, die IRGW-Vorstandsmitglied Michael Kashi mit Schülern der Park-Realschule und des Karls-Gymnasiums führt.

Führungen durch die Synagoge und das Hospitalviertel

Angeboten wird aber auch buchstäblich leichte Kost – etwa bei der Einführung in das Judentum durch die Küchentür am 8. und 14. November jeweils um 17.45 Uhr im Gemeindezentrum der IRGW in der Hospitalstraße. Erwähnenswert auch der Dokumentarfilm „Die Kunst der Stille“ am 15. November im Atelier am Bollwerk und das Theaterabend mit jüdischen Anekdoten von Kishon & Co. am 16. November um 20 Uhr im Theaterhaus.

Auch dieses Jahr im Programm sind Führungen der Volkshochschule durch die Synagoge in der Hospitalstraße und zwar am 7. November um 17.30 Uhr und am 16. November, ebenfalls um 17.30 Uhr. Anmeldungen sind jeweils erforderlich (vhs-stuttgart.de). Das gilt auch für die Quartiersführung durch das Hospitalviertel am 13. November um 17 Uhr (citykirchen-Stuttgart@elk-wue.de). Zentral ist die Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November um 18 Uhr auf dem Synagogenplatz in der Hospitalstraße.

Weiteren Informationen unter www.irgw.de/kulturwochen