Die Regierungskrise? Gelöst. Die Welt? Im Umbruch. Die Kanzlerin will von Amtsmüdigkeit und der Erosion ihrer Macht nichts wissen. Aber ohne nachdrückliche Warnung verabschiedet sie sich nicht in die Sommerpause.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Nein, nein, nein und nochmals nein!“ – das sagt die Bundeskanzlerin auf die Frage, ob sie während der vergangenen Wochen und im Streit mit der CSU mal an Rücktritt gedacht habe. Es ist einer der wenigen Momente in ihrer traditionellen, nun schon zum 13. Mal abgehaltenen Sommerpressekonferenz, an der die nüchterne Selbstbeherrschung von Angela Merkel Risse bekommt. Viermal nein – das ist dreimal zu viel, um sich mit der ansonsten von der Regierungschefin nach außen gekehrten entschieden stoischen Ruhe zu vertragen. „Wenn ich in einer wichtigen Auseinandersetzung bin, muss ich meine Kräfte doch darauf konzentrieren“, fügt sie hinzu und ist damit wieder bei jenem Erklärton für welt- und bundespolitische Fragen angelangt, mit dem sie ihre Kanzlerschaft und die Arbeit ihrer Regierungen darzulegen pflegt.

 

Die Kanzlerin hat mit Erosionserscheinungen zu kämpfen

Das ist im Jahr 13 ihrer Amtszeit so wie immer, auch wenn darüber hinaus ziemlich alles anders ist als sonst. Die Zusammenballung von Trumpismen, Seehofereien, Asyl-, Europa-, Welt und Nato-Fragen der vergangenen Wochen hat Merkel erst in ihre tiefste Krise geführt; jetzt nähert sie sich endgültig den Randzonen ihrer Macht. Nicht nur, dass der Schwesterpartei-Freund Horst Seehofer sie zur Kanzlerin von seinen Gnaden erklärt, von der er sich nicht entlassen lasse. In der eigenen Partei brechen Diskussionen und Kursfragen auf, die Merkel als „Lebendigkeit“ deklariert und partout nicht als Erosion gedeutet wissen will. In den deutschen Medien hat gleichwohl überall die Kanzlerdämmerung begonnen, und wie auf Bestellung hält Merkels sozialdemokratischer Vorgänger Gerhard Schröder ihr per Interview giftig vor, sie habe die Richtlinienkompetenz ihres Amtes zur „Nichtlinienkompetenz“ verkommen lassen. Kanzler, so Schröder, müssten eben auch mal Basta sagen.

Aber das sagt Merkel auch diesmal nicht. „Jeder führt auf seine Weise“, hat sie anno 2007, im zweiten Jahr ihrer Kanzlerschaft, bereits wissen lassen. Aber sie braucht auch kein Basta, um klarzumachen, dass die Mäuse in der Sommerpause lieber nicht übermütig werden und auf dem Tisch tanzen sollen, weil die Katze noch da und jagdbereit ist. Lange hat Merkel offengelassen, ob sie den Traditionsauftritt vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz in diesem Jahr überhaupt machen soll. Spät hat sie sich dazu entschlossen und schon mit der Terminwahl zum Start in ihren Urlaub signalisiert, dass sie mit dem Auftritt vor der Hauptstadtpresse wieder in die Offensive kommen will.

Innenminister Horst Seehofer müssen am Freitag um die Mittagszeit die Ohren geklungen haben. „Im Augenblick arbeite ich gut mit allen Ministern zusammen“, sagte Merkel. Die Asylkrise liege hinter der Regierung und ihrer Chefin. Gestritten worden sei über eine zentrale Frage, über die sich zu streiten lohnte. Ein Kompromiss sei gefunden und die Handlungsfähigkeit der Regierung gewahrt worden. „Wir dürfen nicht zulasten Dritter entscheiden. Das hat mich geleitet. Für mich ist Maßstab, dass Minister nur sein kann, wer Richtlinienkompetenz akzeptiert. Darauf setze ich“, sagte Merkel im Blick auf die vergangenen Wochen. „Wenn es nicht so wäre, könnte eine Bundesregierung nicht funktionieren“, setzte sie im Blick auf die nähere Zukunft warnend hinzu. Das ist die unausgesprochene Drohung mit dem Rausschmiss, sollte Seehofer im Umfragestress der CSU demnächst verlockt sein, gegen die Regierungsdisziplin zu verstoßen. Merkels Messlatte bisher und in Zukunft: „Erstrangig ist, dass die Handlungen der Bundesregierung der Richtlinienkompetenz folgen.“

Wo der Spaß aufhört und der Schrecken beginnt

Müde mag sie sein und sich auf ein paar Tage mit mehr Schlaf im Urlaub freuen, aber amtsmüde will sie nicht wirken. Wo der Multilateralismus in der Krise sei und der globale Ordnungsrahmen sich verschiebe, gelte es zu zeigen, dass Europa seine Lehren aus der Geschichte gezogen hat. „Ich kann nicht behaupten, dass die Bundeskanzlerin nicht gefordert wäre“, sagt sie schnoddrig. Ein Grund zu klagen sei das nicht, immerhin sei das auch spannend. Die Weltlage kann diese Regierungschefin nicht schrecken, da braucht es andere Kaliber. Ob sie lieber Donald Trump oder Horst Seehofer mit in den Urlaub nehmen würde, wird Merkel gefragt. „Die Frage stellt sich nicht“, sagt sie und wirkt ehrlich empört. „Urlaub ist Urlaub.“